Der größte Raubzug – und niemand reagiert

Titelbild
Geld arbeitet nicht! Dies tun nur Menschen. Wir haben noch nie einen Geldschein am Band arbeiten oder beim Umgraben im Garten gesehen.Foto: Tectum Verlag

 

„Der größte Raubzug der Geschichte – Warum die Fleißigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden“ von Matthias Weik und Marc Friedrich stürmt seit Ende Mai die Bestsellerlisten. Wir haben mit den Autoren gesprochen.

Epoch Times: Herr Weik, Herr Friedrich, Sie haben mit Ihrem Buch ein geradezu revolutionäres Grundlagenwerk zur Aufdeckung und Bekämpfung weiterer Kapitalverbrechen auf dem Finanzmarkt geschrieben. Der „Spiegel“ hatte in einer Titelgeschichte vom 30. Januar 2012 die kriminellen Machenschaften der „Deutschen Bank“ in erschreckender Form detailliert dargestellt. Warum reagiert die Bevölkerung auf eine derartige Faktenfülle so gut wie nicht? Befindet sich unser Land wie auch ganz Europa in Ahnungslosigkeit, oder ist es ohnmächtig den betrügerischen Kräften von Politik und Finanzwirtschaft ausgeliefert?

Weik: Herzlichen Dank für das Kompliment. Uns war es wichtig, ein rein faktenbasiertes Buch zu schreiben und den Menschen den Irrsinn und die unglaubliche Ungerechtigkeit unseres Finanzsystems aufzuzeigen.

Ob die Menschen eine Revolution starten werden, oder ob weitere Kapitalverbrechen am Finanzmarkt bekämpft werden, kann ich nicht beurteilen.

Möglicherweise reagiert die Bevölkerung auf eine derartige Faktenfülle so gut wie nicht, weil es für viele so unvorstellbar erscheint, mit welch krimineller Energie wir von Teilen der Finanzindustrie belogen, betrogen und abgezockt werden, während ein Teil der Politik Schmiere steht.

Ahnungslosigkeit kann ich nicht unterschreiben – eher Ohnmacht.

Mir ist es schleierhaft, wie ein Großteil der Bevölkerung zulassen kann, dass wir uns von einigen wenigen Personen oder Institutionen komplett ausplündern lassen.

Friedrich: Viele Menschen sind einfach nur der Krise müde und haben wahrscheinlich schon längst den Überblick verloren. Wir werden heute mit Informationen, Fakten, Kürzeln und Zahlen zugeschüttet, sodass kaum noch einer die Inhalte nachvollziehen kann. EFSF, ESM, TARGET 2, LIBOR etc. Wer behält hier noch den Überblick? In unserer schnelllebigen Zeit, in der eine Nachricht die nächste überschattet, fällt es vielen schwer, relevante Informationen zu filtern und zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen. Auch wird vieles einfach nicht oder falsch berichtet. Man könnte fast glauben, dass wir teilweise bewusst unwissend gehalten werden.

Nehmen wir zum Beispiel den LIBOR-Skandal. Fast jeder hat darüber gelesen oder davon gehört. Doch über die Bedeutung und die Ausmaße haben wohl nur wenige ein klares Bild.

Es war uns daher wichtig, nicht ein weiteres Wirtschaftsfachbuch für Experten oder ohnehin schon Informierte zu schreiben. Mit unserem Buch verfolgen wir den Ansatz, komplexe Themen und Zusammenhänge so darzustellen, dass jeder sie versteht und Entwicklungen für sich einordnen kann.

Epoch Times: Viele spüren, dass wir uns unmittelbar vor einem historisch einmaligen Systemzusammenbruch befinden. Im Bruchteil von Sekunden werden mittels raffinierter Computerprogramme gewaltige Geldsummen hin- und herbewegt. Ist der Mensch überhaupt noch in der Lage, die Hochgeschwindigkeit dieser „high frequency transfers“ zu beeinflussen und zu kontrollieren? Sind wir bereits Sklaven von nicht mehr beherrschbaren „Casinospielen“ geworden?

Weik: Rein mathematisch gesehen wird unser System zweifellos zusammenbrechen, da kein auf Zinseszins und somit auf exponentiellem Wachstum basierendes Finanzsystem auf Dauer funktionieren kann, da ewiges Wachstum auf Grund limitierter Ressourcen auf unserer Erde schlichtweg ausgeschlossen ist.

Friedrich: Wir werden gerade Zeitzeugen eines epochalen Wandels. Seit 2008 hat sich der globale Finanzmarkt verselbständigt. Heute weiß keiner mehr, wer wie viel und wo investiert hat. Selbst die Finanzjongleure haben den Überblick verloren, denn der Finanzmarkt ist ihnen schon längst aus den Händen geglitten. Deshalb steigen auch die Fehlbeträge bei den Banken immer mehr an. Mittlerweile misstrauen sich die Banken gegenseitig, weil sie die getätigten Investitionen nicht mehr beziffern können. Heute bestimmen computergesteuerte Programme den Finanzmarkt. Ein konkretes Beispiel ist der Flash Crash der Wallstreet im Mai 2012. Innerhalb von sechs Minuten ist damals der Dow Jones um 1000 Punkte gefallen und es wurden über 1.3 Milliarden Wertpapiere gehandelt. Dabei verloren Aktien 99 Prozent ihres ursprünglichen Wertes.

Epoch Times: Haben die Finanzmagier und die sie unterstützenden Politiker sämtliche Wertmaßstäbe von Ethik und Verantwortung verloren?

Weik: Wenn man die Geschehnisse der letzten 20 Jahre betrachtet, könnte dies durchaus den Eindruck erwecken.

Friedrich: Persönlich sehe ich das eindeutig so. Der Markt wird von rücksichtsloser Gier beherrscht. Die Politik hat dafür den Weg geebnet und hält schützend die Hand darüber. Ethik? Moral? Verantwortung? Das scheint hier nicht gefragt zu sein. Was zählt, ist der schnelle Profit. Es gibt genügend Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit, bei denen der Steuerzahler die gesamte Rechnung zu tragen hatte. Die verantwortlichen Bankmanager allerdings konnten sich jeglicher Haftung entziehen.

Epoch Times: Haben die Politiker überhaupt noch einen Durchblick oder hatten sie ihn je? Oder spielen sie nur strategisch auf Zeit?

Weik: Ob die Politiker noch einen Überblick haben oder je hatten, kann ich generell nicht beantworten. Einige sind sich bestimmt ihres Handelns bewusst, während andere mir mehr als ahnungslos erscheinen – ansonsten kann ich mir viele politische Entscheidungen nicht erklären.

Einige wenige Politiker spielen bestimmt auf Zeit, da sie genau wissen, was uns erwartet, während dem Rest die gesamte Tragweite wahrscheinlich gar nicht bewusst ist.

Friedrich: Das ist zweifelsohne ein Spiel auf Zeit, bei dem man sich von jedem Rettungspaket oder jedem Krisengipfel Aufschub erhofft. Die Politik überdeckt die Probleme seit nunmehr fünf Jahren damit, die Finanzwelt mit unvorstellbar hohen Beträgen am Leben zu halten. Doch das Problem ist nicht gelöst, nur verschoben.

Die Finanzbranche ist heute „Berater“ der Politik. So ist es einfach, die eigene Agenda voranzubringen. Damit hat sich die Politik in eine gefährliche Abhängigkeit bringen lassen. Der EnBW-Rückkauf durch Stefan Mappus ist nur ein Beispiel dafür. Betrachtet man sich die E-Mails von Dirk Notheis, zur Zeit des Deals war er Chef von Morgan Stanley Deutschland, wird deutlich, wer die Fäden in der Hand hält.

Epoch Times: Es sieht so aus, als wolle keiner den „Schwarzen Peter“ haben. Man wartet ab, bis ein Eckstein – vielleicht durch Zufall – gezogen wird und das ganze Gebäude zusammenbricht.

Weik: Ich glaube nicht, dass es Zufälle gibt

Epoch Times: Wer wird den Eckstein ziehen, der Markt oder die Politiker?

Weik & Friedrich: Der Markt!

Epoch Times: Warum gibt es keinen Aufschrei, wenn ganz offen über Gelddrucken gesprochen wird? Das ist nicht einmal bei Monopoly erlaubt.

Weik: Die Frage habe ich mir schon mehrfach gestellt. Wahrscheinlich ist den Menschen die Tragweite dieses Irrsinns noch nicht bewusst. Leider wird nicht nur über das Gelddrucken gesprochen – es wird bereits Geld gedruckt. Zu was dies führt ist uns hinlänglich bekannt – leider lernt der Mensch nicht aus der Geschichte.

Friedrich: Obwohl das Vertrauen in die Politik bereits Schaden erlitten hat, scheint der Vertrauensbonus noch nicht aufgebraucht. Nur so kann ich mir erklären, warum die Mehrheit der Bevölkerung politische Entscheidungen nicht stärker hinterfragt.

Epoch Times: Warum werden die Hochschulprofessoren an den Universitäten (Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, Informatik u.a.) nicht verpflichtet, ihre Studenten so auszubilden, dass sie nicht zu „kriminellen“ Finanzhandwerkern werden, die bereits in jungen Jahren Multimillionäre werden wollen und auch können?

Weik: Dies ist eine gute Frage. Ich habe an der Uni gelernt: Am wichtigsten ist „maximise shareholder value“. Solange dieser Ansatz nicht geändert wird, sehe ich schwarz.

Friedrich: Das würde meiner Ansicht nach voraussetzen, dass Universitäten ihren Lehrplan ändern und Wertediskussionen als festen Bestandteil der Ausbildung zulassen. Mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen könnte dies durchaus empfehlenswert sein.

Epoch Times: Ist das System-Chaos überhaupt noch zu retten, das in unvorstellbare Dimensionen auszuufern scheint? Wäre nicht ein radikaler Neubeginn sinnvoll? Wie könnte dieser aussehen?

Friedrich: Die Lösung wird der Crash sein. Was 60 Jahre funktioniert hat und wir als richtig empfunden haben, wird keinen Bestand mehr haben. Politiker und Verantwortliche werden dann gezwungen, sich mit dem Thema wirklich auseinanderzusetzen. Einfach weil sie es müssen.

Weik: Ein radikaler Neubeginn ist mehr als sinnvoll und ich hoffe, dass dann ein faireres Finanzsystem entsteht und nicht eines, von dem nur ein kleiner Prozentsatz profitiert.

Epoch Times: Wie ist es möglich, dass unsere Regierungen Spekulationen auf Armut und Elend anderer Menschen zugelassen haben? Wo auf der einen Seite viel gewonnen wird, müssen auf der anderen Seite enorme Verluste entstehen – und dies ständig in Milliardenbeträgen. Wer kann dieses mörderisch anmutende Spiel überhaupt noch steuern?

Weik: Diese Frage sollten Sie der Politik stellen. Meiner Ansicht nach sind die globalen Finanzmärkte nicht mehr steuerbar.

Epoch Times: Kriege sind ein „beliebtes“ Ablenkungsmanöver bei inneren Krisen. Könnten die USA in Versuchung geraten gegen den Iran vorzugehen aus innenpolitischen bzw. finanzpolitischen Gründen? Mit den Säbeln wird schon gerasselt.

Weik: Wenn ich einen Blick in die Vergangenheit werfe kann ich mir durchaus vorstellen, dass die USA noch den einen oder anderen Krieg führen werden.

Epoch Times: Welche Kriterien für eine gesunde Gesellschaft, in der das Geld „dient“ und nicht „arbeitet“, könnten Sie sich vorstellen?

Weik & Friedrich: Geld arbeitet nicht! Dies tun nur Menschen. Wir haben noch nie einen Geldschein am Band arbeiten oder beim Umgraben im Garten gesehen. Spaß beiseite.

Unser momentanes, nachweislich gescheitertes Wirtschaftssystem ist gegen den Menschen gerichtet und dient nur einer kleinen Minderheit. Es ist ungerecht. Wir brauchen ein Wirtschaftssystem, das allen Menschen dient und nicht nur einzelnen. Der Zinseszins gehört abgeschafft und alle, egal ob Politiker als auch Wirtschaftsentscheider, müssen mit allem haften was sie besitzen. Dann wird die Barriere deutlich größer, unvernünftige Risiken einzugehen. Eine weitere Überlegung ist die Begrenzung des Maximaleinkommens. Im Gegenzug sollte man über ein Grundeinkommen nachdenken.

Die Fragen stellten Roland R. Ropers und Renate Lilge-Stodieck


Matthias Weik

Matthias Weik befasst sich seit über einem Jahrzehnt eingehend mit der globalen Wirtschaft und ihren Finanzmärkten. Jahrelange Arbeits- und Studienaufenthalte in Deutschland, Südamerika, Asien und Australien sowie die Absolvierung seines Studiums in Australien ermöglichten ihm tiefe Einblicke in das Wirtschaftsleben fremder Nationen. In Deutschland absolvierte er einen berufsbegleitenden Masterstudiengang (MBA). Gemeinsam mit Marc Friedrich hält Matthias Weik seit mehreren Jahren Seminare und Fachvorträge an Universitäten, Fach- und Volkshochschulen.

Marc Friedrich

Marc Friedrich studierte den renommierten Studiengang „Internationale Betriebswirtschaftslehre”. Während des Studiums beschäftige er sich intensiv mit der Wirtschaft und den Finanzmärkten. Durch seine Tätigkeit bei einer schweizerischen Firma Venture Capital Firma hatte er frühzeitig Kontakt zu den Themen Risikokapital, Kapitalanlage und Vermögensberatung. Mit Stationen in Argentinien, Großbritannien, Schweiz und den USA sammelte er zahlreiche und wertvolle Arbeitserfahrungen. Während eines Aufenthalts in Argentinien hat er 2001 einen Staatsbankrott und dessen verheerende Folgen selbst miterlebt. Zusammen mit seinem Partner und Kindergartenfreund Matthias Weik hat er bereits über 100 Fachvorträge an Volkshochschulen, Universitäten, Hochschulen und in Unternehmen gehalten.

 



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