„Zentralbanken sind sozialistische Einrichtungen“

"Zentralbanken haben potenziell ungeheure Machtmittel. Wenn man sie nur lässt, können sie Wirtschaft und Gesellschaft von zentraler Stelle aus lenken. Und sie sind planwirtschaftliche Einrichtungen", verdeutlicht Jörg Guido Hülsmann, Professor für Ökonomie an der Universität Angers.
Die EZB berät über die Zinswende
Euro-Skulptur vor dem Sitz der EZB in Frankfurt am Main.Foto: iStock
Von 28. Oktober 2021

Sozialistische Wirtschaft ist bekannt als Mangelwirtschaft. Es ist die Wirtschaftsform der Ineffizienz und Korruption, der antriebslosen Arbeiter und der Bonzen, der fehlenden Ersatzteile, der leeren Kassen, der Pleitewirtschaft, der ewigen Reformbedürftigkeit und der ständig erfolglosen Reformen.

Das betrifft natürlich insbesondere den gesamtwirtschaftlichen Sozialismus, wie er in der Sowjetunion oder im Nationalsozialismus verwirklicht war. Aber es zeigt sich auch in den zahlreichen Teilsozialismen, die uns aus dem real existierenden Wohlfahrtsstaat bekannt sind, in seinen zahlreichen staatlichen „Systemen“.

Jahr um Jahr leere Kassen trotz hoher Beitragszahlungen – das ist die Realität im staatlichen Rentensystem und im staatlichen Gesundheitssystem. Ähnlich das staatliche Bildungssystem: sinkende Leistungen der Schüler und wachsendes Analphabetentum trotz steigender Dotierung der öffentlichen Bildungshaushalte.

Kein privater Unternehmer könnte es sich leisten, die Kosten derart aus dem Ruder laufen zu lassen. Wer im Wettbewerb steht, muss seine Leistungen immer weiter verbessern. Nur wer ein gesetzliches Monopol hat und sich zur Not auch aus Steuergeldern bedienen kann, braucht das nicht.

Ein Teilsozialismus hebt sich ab

Nun gibt es einen Teilsozialismus, der aus der üblichen Pleitewirtschaft heraussticht. Hier gibt es Gewinne statt Verluste. Hier findet man häufig auch alle anderen Anzeichen eines erfolgreich geführten Unternehmens, von der privatwirtschaftlichen Rechtsform bis hin zu den Nadelstreifen der Vorstandsetage.

Die Rede ist vom Zentralbankwesen. Der Ausdruck „Zentralbank“ verweist eigentlich recht deutlich auf eine Zentralplanwirtschaft. Doch wenn heute von der Bundesbank, der EZB oder anderen Zentralbanken die Rede ist, denkt kaum einer, dass hier von Ausgeburten des sozialistischen Geistes die Rede sein könnte. Ganz im Gegenteil werden Zentralbanken typischerweise als besonders „kapitalistisch“ angesehen. Was wäre schließlich kapitalistischer als Geld? Und was wäre enger mit Geld verbunden als eine Bank?

Wer genauer hinsieht, erkennt hingegen leicht, dass diese Vorstellung nicht ganz richtig sein kann. In der ungezügelten Marktwirtschaft herrschen Privateigentum und Wettbewerb.

Zentralbanken sind hingegen in der Regel staatliche Institutionen. Selbst jene Zentralbanken, die Organisationen privaten Rechts sind (wie in den USA, in Japan und in der Schweiz), unterliegen besonderen Gesetzen, und ihre Direktoren werden von den nationalen Regierungen ernannt. Zudem besitzen Zentralbanken stets eine gesetzlich verbürgte Monopolstellung.

Ihre Banknoten und ihr Giralgeld sind dem freien Wettbewerb weitgehend entzogen. Die Marktteilnehmer sind genötigt, das Geld der Zentralbanken zu verwenden.

Geld aus dem Nichts

Dieses Geld hat es in sich. Denn es kann in grundsätzlich unbegrenzter Menge hergestellt werden. Die Geldschöpfung der privaten Geschäftsbanken ist durch ihr Eigenkapital und auch durch die Bareinlagen ihrer Kunden begrenzt. Aber Zentralbanken brauchen weder Eigenkapital noch Bareinlagen. Denn sie können Bargeld aus dem Nichts und praktisch zum Nulltarif erzeugen.

Zwar sind ihnen dabei gewisse rechtliche Grenzen gesetzt, aber in Krisenzeiten wie 2008/09 und 2020/21 können diese Grenzen schnell und dramatisch gelockert werden. Sie können zur Not auch ganz abgeschafft werden.

Zentralbanken haben daher potenziell ungeheure Machtmittel. Wenn man sie nur lässt, können sie Wirtschaft und Gesellschaft von zentraler Stelle aus lenken. Sie können neue Kredite in nahezu unbegrenztem Umfang erteilen. Sie können diese Kredite einigen gewähren und anderen verweigern. Und daher können sie auch die Verwendung aller verfügbaren Ressourcen steuern. Arbeit wird schließlich i.d.R. dort geleistet, wo sie am besten bezahlt wird. Rohmaterialien und Kapitalgüter werden typischerweise an jene verkauft, die die höchsten Preise bieten.

Wer somit die Notenpresse kontrolliert, kann auch die realen Ressourcen genau dorthin fließen lassen, wo er es für richtig hält. Ob diese Mittelverwendung auch rentabel ist, spielt für Zentralbanken (anders als für Geschäftsbanken) eine eher untergeordnete Rolle. Um Verluste zu decken, müssen sie nicht hart arbeiten und gut investieren. Ein Knopfdruck genügt!

Zentralbanken sind daher wie gemacht für Menschheitsbeglücker. Wer eine Zentralbank leitet, braucht keine mühsame Aufklärungsarbeit zu leisten, um irgendwelche gesellschaftlichen Veränderungen voranzubringen. Der Humanist mit der Notenpresse kann alle Veränderungen, die er wünscht, per Knopfdruck finanzieren. Er kann andere Menschen dafür bezahlen, dass sie das tun, was er wünscht. Dazu braucht er keine Ersparnisse und kein Kapital. Er braucht auch keine demokratische Mehrheit. Solange er die Notenpresse im Griff hat, kann er auf die Zustimmung anderer Leute letztlich pfeifen.

Milliardenkredite für Lenin, Stalin, Hitler

Das ist den sozialistischen Theoretikern nicht entgangen. Die Saint-Simonisten in Frankreich hatten schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts begriffen, dass sich die Wirtschaft eines Landes mithilfe der Notenpresse besonders leicht und sicher steuern ließe.

Daher findet sich die Forderung einer „Zentralisierung des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol“ auch an prominenter Stelle im 1848er Kommunistischen Manifest von Marx und Engels.

Ebenso folgerichtig wurden die ungeheuren Möglichkeiten der Geldschöpfung aus dem Nichts auch immer wieder zur Finanzierung von staatlicher Industriepolitik und von sozialistischen Experimenten genutzt.

In den 1970er-Jahren belegte der britische Historiker Antony Sutton, dass einige Geschäftsbanken der New Yorker Wall Street den radikalen Umbau der traditionellen europäischen Gesellschaften finanziert hatten. Mit Milliardenkrediten unterstützten sie sowohl Lenin und Stalin als auch Adolf Hitler. Ohne die Refinanzierung bei der amerikanischen Zentralbank wäre ihnen das nicht möglich gewesen.

Neue Humanisten beherrschen die Notenpresse

Auch in unseren Tagen wird die historische Verbindung zwischen dem Zentralbankwesen und utopischen Plänen wieder zu neuem Leben erweckt. Diesmal geht es um die „grüne“ und egalitäre Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft. Diese haben sich die Direktoren der EZB und der Fed bereits ganz offiziell auf die Fahnen geschrieben.

Die neuen Humanisten mit der Notenpresse sind ohne Zweifel eine große Gefahr für die Menschheit. Sie bedrohen den Wohlstand aller, indem sie knappe Ressourcen in unrentable Verwendungen lenken. Aber sie bedrohen auch die freiheitliche Gesellschaftsordnung insgesamt, indem sie sich anschicken, den offenen Wettbewerb aller gesellschaftlichen Kräfte zu entmachten. An die Stelle dieses Wettbewerbs wollen sie die Herrschaft einer nicht gewählten Führerkaste setzen.

Die grüne Zentralbankpolitik ist jedoch nicht in erster Linie deshalb zu verurteilen, weil sie vermeintlich ökologische Ziele verfolgt, sondern weil hier eine Zentralbank zur Geltung kommt. Zentralbanken sind von ihrem ganzen Wesen her zerstörerisch. Auch wenn sie gerade einmal nicht von selbsterklärten Ökologen und Sozialisten geleitet werden, begünstigen sie die Vettern-, Günstlings- und Bonzenwirtschaft.

Die Ökonomen der Wiener Schule haben unter anderem gezeigt, dass Zentralbanken immer und überall das Wirtschaftswachstum schwächen, indem sie die Sparneigung der Bevölkerung untergraben; dass sie die Wirtschaft destabilisieren, indem sie einer Schuldenwirtschaft Vorschub leisten; dass sie Gier und Geiz anstacheln; und dass sie himmelschreiende Ungleichheiten von Einkommen und Vermögen hervorbringen. Zentralbanken können nicht reformiert, sie müssen abgeschafft werden.

Guido Hülsmann ist Professor für Ökonomie an der Universität Angers (Universités Faculté de Droit, d’Economie et de Gestion) in Frankreich. Er ist Mitglied der Europäischen Akademie für Wissenschaften und Künste sowie Senior Fellow des Ludwig von Mises Instituts in Auburn, Alabama. Er forscht im Bereich der Geld-, Kapital- und Wachstumstheorie und veröffentlichte mehrere Bücher wie „Ethik und Geldproduktion“ oder „Krise der Inflationskultur“. Weitere Informationen unter guidohulsmann.com

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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