Der lange Weg zum Meer

Titelbild
Landscape in Abkhazia with the Caucasian ridge and river
Von 25. Juli 2021

Ein kleiner Bach träumte davon, das sagenumwobene Meer zu sehen, die Wellen zu spüren und rauschen zu hören.

„Der Weg dahin ist aber sehr lang. Werde ich es schaffen?“ Fragte er sich. 

Nach langem Zögern schöpfte er Mut und begab sich auf eine lange Reise.

Auf seinem Weg durchquerte er Dörfer, schneebedeckte Berge und grüne Täler, Höhen und Tiefen, überwand Stock und Stein. 

Plötzlich hielt er inne. Sonnenflimmernd lag vor ihm eine große, weite Wüste. „Wie soll ich denn diese Gluthitze überwinden? Würde ich auch nur ein kleines Tröpfchen weit hineingehen, würde es sofort verdunsten. So viele Hindernisse habe ich schon überwunden, ich darf doch jetzt nicht aufgeben“, dachte der kleine Bach. 

Wagemutig beschloss er also, die Wüste zu überqueren, und versank sofort im Sand. Wieder und wieder versuchte er es vergeblich. Ganz traurig und ohne Hoffnung stand der kleine Bach vor seinem größten Hindernis. Sollte sein großer Traum, sein Herzenswunsch, scheitern? War es sein Schicksal?

Da kam eine kühle Brise auf, ganz sanft und leise kitzelte sie den kleinen Bach. Es war der Wind, der zufällig vorbeikam. Erstaunt fragte er den Bach: „So ein kleines Flüsschen vor so einer großen Wüste. Was machst du hier?“ 

Sehnsuchtsvoll antwortete der kleine Bach: „Ich möchte gerne zum Meer. Doch dafür muss ich diese Wüste durchqueren.“ Der Wind entgegnete: „Und warum machst du das nicht? Was hält dich zurück?“ „Aber wie denn? Sobald ich diese Ödnis betrete, werde ich verpuffen und dann ist es aus und vorbei mit mir!“, erwiderte der Bach ganz verdrossen.

Da verstand der Wind und weil er dem Bach helfen wollte, überlegte er eine Weile und hatte schließlich eine Idee. Hoffnungsfroh schaute der kleine Bach zum Wind auf und hörte sich seinen Vorschlag an: „Betrete die Wüste und lass dich in Dampf verwandeln. Dann steigst du auf und ich kann dich über die weite Wüste mitnehmen und zum Meer tragen. An einer kühlen Stelle verwandelst du dich in Regentropfen und fällst vom Himmel auf das Meer hinab.“

Ungläubig schaute der kleine Bach drein. Vieles hatte er auf seiner Reise schon erlebt, aber so etwas noch nie gehört. 

„Aber dann bin ich ja gar kein Bach mehr! Ich muss aufgeben, was ich bin und was ich kenne. Und woher weiß ich überhaupt, dass es funktioniert?“ Dem kleinen Bach fiel es sichtlich schwer, diesen Plan zu akzeptieren.

Der Wind aber fuhr mit seiner tiefen Stimme fort: „Wenn du die Wüste betrittst und zu Dampf wirst, verändert sich nur deine Oberfläche, nicht aber deine innere Natur. Dein großer Wunsch kann in Erfüllung gehen. Vertrau mir!“ 

Als der kleine Bach das hörte, tauchte vage eine ferne Erinnerung in ihm auf. Bevor er zu dem Fluss wurde, der er heute ist, bestand er aus vielen kleinen Regentropfen und wurde auch damals von einer Brise getragen. Da fasste der kleine Bach den Mut und ließ sich in die Wüste treiben.

Und da geschah es tatsächlich so, wie der Wind vorausgesagt hatte. In der Gestalt von Wasserdampf ließ sich der kleine Bach von der Brise über die sonnentrunkene Wüste tragen. 

Alsbald lag zauberschimmernd das Meer unter ihnen und der kleine Bach fiel tröpfchenweise in das imposante Nass hernieder. Vergnügt spielte der kleine Bach im Meer, glücklich und zufrieden, nun ein kleiner Teil von etwas viel Größerem und Mächtigeren zu sein.

Das Leben ist mitunter wie die Reise des kleinen Baches, es gibt Höhen und Tiefen, Wege über Stock und Stein. Um unsere Wünsche und Träume zu verwirklichen, stoßen auch wir manchmal auf Hindernisse und sind gefordert, unbekanntes Terrain zu betreten.



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