„Ein kluger Schachzug“ – Gesundheitsminister begeistert von regionalem Handyverzicht

Ängste, Essstörungen, Selbstmordgedanken. Wenn Kinder und Jugendliche auf verstörende oder gewalttätige Inhalte zugreifen, ist ihre Psyche in Gefahr. Irland bahnt sich einen Weg aus der Misere.
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Kein Smartphone, weniger Sorgen. Eine Initiative aus Irland sucht Nachahmer (Symbolbild).Foto: iStock
Von 7. Juni 2023

Kein TikTok, kein WhatsApp und auch kein Instagram. Nach dem Motto: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen“, haben sich in der irischen Grafschaft Wicklow die Elternverbände aller acht Grundschulen im Einzugsgebiet von Greystones und Delgany zusammengeschlossen und eine Initiative zum Kindeswohl gestartet. Dazu gehört der Verzicht auf Mobiltelefone – auch nach dem Unterricht. Einer der Befürworter ist der irische Gesundheitsminister Stephen Donnelly.

Die Eltern von Greystone und Delgany eint eine Sorge. Sie befürchten, dass Smartphones Ängste schüren und ihre Grundschulkinder mit Materialien in Berührung bringen könnte, die eigentlich für Erwachsene gedacht sind. Um dem Einhalt zu gebieten, haben sie eine Aktion initiiert, die auf einer freiwilligen Vereinbarung beruht. Demnach gilt für alle Kinder ein Smartphone-Verbot, bis sie ihre Grundschulzeit beendet haben. Dies gilt überall, also nicht nur in der Schule, sondern an allen Orten, auch zu Hause und in Freizeiteinrichtungen.

Das kommt auch bei den Schulleitern an. Sie äußerten: „Als Schulleiter aller acht Schulen sind wir fest davon überzeugt, dass diese Initiative für den Schutz der Kinder unserer Gemeinde von entscheidender Bedeutung ist.“

Wie Rachel Harper, Direktorin der St. Patricks NS Greystones, gegenüber dem irischen Sender RTÉ erklärte, liegt der Vorteil einer solchen Vereinbarung klar auf der Hand: Wenn ein Kind in den örtlichen Tennisclub gehe, dann sei es nicht anders gestellt als die anderen Kinder.

Auf diese Weise wird nicht nur der Neid untereinander vermieden, sondern auch möglicher Groll gegen die Eltern gedämpft. Denn schon Neunjährige hätten inzwischen angefangen, ein Smartphone einzufordern, erklärte die Schulleiterin. Die Auswirkungen habe man dann an der Schule zu spüren bekommen.

Zunächst hantierten die Schulen mit Handyverbot auf dem Schulgelände. Die Neugier der Schüler wurde jedoch spätestens geweckt, wenn sie bemerkte, dass Mitschüler in den sozialen Medien unterwegs waren. Eine Richtlinie, die nun für die ganze Stadt gilt, macht es auch den Eltern einfacher. „Sie können einfach den Schulen die Schuld geben“, so Harper.

Eltern, Kinder und Schulen ziehen an einem Strang

Inzwischen hat sich der irische Gesundheitsminister Stephen Donnelly, der in der Nähe von Greystones lebt und selbst dreifacher Vater ist, dafür ausgesprochen, eine solche Regelung landesweit zu übernehmen. In einem Gastbeitrag in der „Irish Times“ schrieb er über das generelle Handyverbot für Grundschüler: „Das war ein kluger Schachzug.“

Die einheitliche Vorgehensweise in Wicklow vermeide letztlich Konflikte. Äußerungen der Schüler wie „aber jeder in meiner Klasse hat eines“ würden schon im Vorfeld im Keim stickt. „Als Elternteil und Gesundheitsminister bin ich der Meinung, dass wir diesen Ansatz auf nationaler Ebene in Betracht ziehen sollten, um die psychische Gesundheit von Jugendlichen zu schützen.“

Auch an den Sekundarschulen von Wicklow gibt es inzwischen ein Handyverbot auf dem Schulgelände. „Die Rückmeldung der Schulen und Eltern war erwartungsgemäß positiv, aber was Sie vielleicht überraschen wird, ist, dass es auch von den Schülern gut mitgetragen wurde.“

Es gebe immer mehr Berichte über den Schaden, der auf die Nutzung von Mobiltelefonen, soziale Medien und Internetinhalten zurückzuführen sei. Auch der starke Anstieg an Überweisungen an psychiatrische Jugenddienste liegt nach Ansicht des Gesundheitsministers darin begründet.

Algorithmen bestimmen über Inhalte

Gemeinsam mit Grund- und Sekundarschülern, Lehrern, Schulleitern, Informatikern und Experten hat Donnelly über die Auswirkungen von Smartphones, uneingeschränkten Internetzugang und soziale Medien auf Kinder und Jugendliche gesprochen. Dabei wurde thematisiert, wie verletzlich die Psyche der betroffenen Schüler ist.

Der Schaden, den Inhalte von sozialen Medien bei Kindern und Jugendlichen hinterlassen, reiche von Angstzuständen über Essstörungen bis zu Selbstmordgedanken. Ein grundlegendes Problem bestehe in den Algorithmen, mit denen der Benutzer von Apps immer wieder mit ähnlichen Inhalten versorgt wird.

Einige Kinder und Jugendliche greifen auf Pornografie zu, darunter extreme Inhalte, mit einer Reihe zutiefst verstörender Auswirkungen“, warnt der Minister.

Als er bei einem Schulbesuch Sechstklässler fragte, wie viele von ihnen einen vollen Internetzugang über ihr Mobiltelefon hätten, holte fast jeder Elf- bis Zwölfjährige ein Smartphone aus der Tasche. „Diese Kinder hatten dann ungehinderten Zugang zum Schlimmsten, was die Menschheit bieten kann.“

Donnelly zieht einen Vergleich: „Stellen Sie sich vor, dass eine Schule ihre Bibliothek mit grafischer, gewalttätiger Pornografie bestücken würde, zu der jeder Schüler ab elf Jahren Zugang hätte.“ Das würde wochenlang für Aufregung sorgen, sodass „Köpfe rollen würden“.  Auch mit strafrechtlichen Schritten gegen die Verantwortlichen sei zu rechnen. „Und genau das bieten Smartphones, wenn sie nicht über eine Kindersicherung verfügen.“

Vom Verbot zum freiwilligen Verzicht

Der Minister berichtete weiter von einem Lehrer, der mit ihm über die jährliche Klassenfahrt gesprochen hatte. Bei der Ankunft im Ferienlager wurden die Smartphones der Kinder eingesammelt. Einige Schüler gerieten in Panik und weinten sogar. In den folgenden zwei Tagen fragten sie wiederholt nach ihren Handys. „Am Ende der Woche wurden die Telefone zurückgeben – viele seiner Schüler wollten sie nicht“, erinnert sich Donnelly.

Er fordert, dass Irland eine führende Rolle einnimmt, damit Kinder und Jugendliche keine Schäden durch die digitale Welt davontragen. Schließlich sei dies kein nationales, sondern ein weltweites Problem.

Eltern müssten sich bewusst sein, wie vergiftend soziale Plattformen und Internetinhalte wirken können. Dadurch zerreiße das nationale Gefüge. Weiter gibt Donnelly zu bedenken, dass Kinder zuschauen, „wenn wir uns online gegenseitig angreifen – auf eine Art und Weise, die es im direkten Kontakt einfach nicht gibt“.

„Vor allem müssen wir den Kindern und Jugendlichen sehr genau zuhören, wenn sie uns von ihren Erfahrungen erzählen“, mahnt der Gesundheitsminister.

 



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