Salamitaktik zum Ökosozialismus: Grüne setzen auf Verbote, Erziehung und schrittweise Gewöhnung

Zwischen dem „good cop“, als der sich die Bundesregierung mit ihrem Klimapaket zu präsentieren sucht, und dem „bad cop“ in Form radikal-ökologischer Straßenproteste, die für den „Klimaschutz“ am liebsten gleich die Verfassung suspendieren würden, versuchen die Grünen sich als „fair cop“ zu positionieren. Ihr Vorstandsantrag setzt voll auf die Bereitschaft der Union, die Mitte noch weiter nach links zu verschieben.
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Die Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck und Annalena Baerbock.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 6. Oktober 2019

Die Grünen würden „nicht mehr als Verbotspartei“ wahrgenommen, war sich Parteisprecher Robert Habeck in seinem jüngst veröffentlichten Interview mit dem Portal „Watson“ sicher. Eher im Gegenteil: Die Menschen dürste es im Zeichen der „Klimakrise“ im Zweifel nach noch mehr Verboten als die Grünen unter den Bedingungen einer freiheitlich-demokratischen Verfassung überhaupt leisten könnten.

Demnach seien etwa individuelle CO2-Limits für jeden Bürger aus Habecks Sicht ein Tabu:

Wenn man im privaten Bereich anfängt, zu regulieren und sagt, du hast ein persönliches Budget für Fleisch, Benzinverbrauch oder Wärmekosten, dann hat das eine moralische Impertinenz und nimmt Freiheit.“

„Größer als die Demokratie“

Der Ansatz der Grünen ist ein anderer: Man will auch den nicht ausreichend „aufgeklärten“ Bürgern noch eine freie Wahl in Fragen der eigenen Lebensgestaltung lassen, aber in den Makrobereichen dafür sorgen, dass diese nicht „falsch“ ausfallen kann.

In den Worten Habecks heißt das, die Politik müsse „für die großen Prozesse die Verantwortung übernehmen, damit man sich im Privaten Schuhe kaufen oder in den Städten bewegen kann, ohne ökologische Kollateralschäden anzurichten“.

Dies setzt aber eine stringente Verbotskultur im Großen voraus – und diese zu pflegen, ist die Partei entschlossener denn je.

Auf der einen Seite steht aus diesem Blickwinkel die Große Koalition in Berlin, die einen Klimaplan vorlegte, der zumindest den Eindruck zu erwecken versuchte, man wolle auf die Bedürfnisse arbeitender Normalbürger noch ansatzweise Rücksicht nehmen. Auf der anderen der organisierte Protest auf den Straßen, wie jener von „Extinction Rebellion“, deren Gründer Roger Hallam die Klimafrage für „größer als die Demokratie“ erklärte und diese im Zweifel als verzichtbar betrachtet, um die „Klimaziele“ durchzusetzen.

Die Grünen hingegen scheinen sich damit als der „fair cop“ zu betrachten, der neben dem zu zauderhaften „good cop“ und dem brachialen ökototalitären „bad cop“ die Gangart verschärfen will, ohne die Regeln zu brechen.

Betroffene Branchen „entwickeln meist Alternativen“

Entsprechend hat der Bundesvorstand für den Parteitag im November am Wochenende (5./6.10.) einen Leitantrag vorgelegt, der nach Auffassung der Urheber einen „klugen Mix aus CO2-Preis, Anreizen und Förderung sowie dem Ordnungsrecht“ darstellt, „also auch Verboten“. Der CO2-Preis solle „planbar ansteigen“ – um auf diese Weise keine akut sichtbare Massenarmut auszulösen, soll die Stromsteuer auf das europarechtlich zulässige Minimum sinken und es soll ein Energiegeld für alle zur Schaffung eines sozialen Ausgleichs geben. Ein „unabhängiges Gremium“ solle dies sicherstellen.

Ölheizungen sollen ab sofort und fossile Gasheizungen ab 2025 nicht mehr eingebaut werden. Stattdessen sollten Heizungen mit Sonnenwärme, Wärmepumpen oder Holz gefördert werden.

Branchen, für die mittels der zusätzlichen Vorgaben, Belastungen und Verbote fürs Erste vollendete Tatsachen geschaffen würden, hätten zwar „Vorbehalte“, allerdings – und so weit reicht das Vertrauen der Grünen in moderne Technologie dann offenbar doch – entwickelten diese „dann meist innerhalb kurzer Zeit Alternativen“.

Sollte sich diese auf dem Prinzip Hoffnung fußende Kalkulation nicht erfüllen, dürften sich allerdings die – in einem weiteren enthaltenen – Forderungen nach „Wahlarbeitszeit“, einem gesetzlichen Mindestlohn von 12 Euro und einem Recht auf „Home Office“ vielfach erübrigen. Wo Unternehmen „Alternativen“ nicht im Bereich der Technologie finden, sondern darin, dass sie ihren Betrieb einstellen, wie vielfach derzeit bereits der Fall, und massenhaft Belegschaft freisetzen oder ihre Produktion ins Ausland verlagern, könnten Millionen Erwerbsfähige auch so zu Hause sitzen – allerdings zum geltenden Satz von ALG-1 oder ALG-2.

„Wenn wir jetzt die Mieten deckeln, wird später das Enteignen leichter“

Eine weitere Strategie zur Schaffung vollendeter Tatsachen ist nach dem Konzept der Ökosozialisten auch jene der gezielten Verknappung. Dies betrifft nicht nur die Infrastruktur, wo ab 2025 der Ausbau des Bundesstraßennetzes gestoppt werden soll – immerhin sei „Deutschland mit Straßen ausreichend erschlossen“ –, sondern auch die Ernährungsgewohnheiten.

So soll die Landwirtschaft so lange durch Belastungen und Regulierungen unter Druck gesetzt werden, bis die Fleischproduktion im Land entsprechend sinkt und die Preise für immer mehr Bürger unbezahlbar werden. Parallel dazu will man „über die Konsequenzen des Fleischkonsums aufklären“ und vegetarische oder vegane Ernährung „selbstverständlicher“ machen.

Erziehen und Gewöhnen scheinen die Kernpunkte der neuen Strategie zum Aufbau einer ökologischen sozialistischen Gesellschaft zu sein. Dies wäre zweifellos ein weiterer evolutionärer Schritt gegenüber dem 20. Jahrhundert, wo eher die blutige Revolution und die totalitäre Repression die bevorzugten Ansätze waren, um ein solches Endziel – damals allerdings noch ohne die ökologische Komponente – zu erreichen.

Nun soll der Aufbau schrittweise vonstattengehen – auf dass den Betroffenen ein bestimmter zeitlicher Umgewöhnungsrahmen bleibt. Die Berliner Grünen-Politikerin Canan Bayram hat dies auch in der Debatte um die „Wohnraumwende“ in der Bundeshauptstadt deutlich gemacht. Sie hat, so die „Welt“, die rigide Regelung zur Mietpreisbegrenzung als wichtiges Etappenziel hin zur vollständigen „gesellschaftlichen Kontrolle“ der Wohnungswirtschaft bezeichnet:

Wenn wir jetzt die Mieten deckeln, wird später das Enteignen leichter – unter der Voraussetzung, dass der entsprechende Volksentscheid die notwendige Zustimmung bekommt.“

Brinkhaus deutet Bereitschaft zu weiterem Entgegenkommen an

Die erfolgreiche Strategie der Verschiebung der Mitte nach links infolge der Dämonisierung aller anderen Optionen scheint in Zeiten, in denen es, wie es Vlogger „Rezo“ ausdrückt, „nur eine legitime Einstellung“ gibt, scheint für die angestrebte ökosozialistische Umgestaltung auch ausreichend Spielraum offenzuhalten.

Die Regierung in Berlin, die offenkundig nicht damit gerechnet hatte, dass ihr „Klimapaket“ auf so starken und anhaltenden Gegenwind vonseiten derjenigen stoßen würde, denen es nicht weit genug geht, zeigt auch schon erste Anzeichen für die Bereitschaft, dem Druck von linksaußen noch weiter nachzugeben.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus erklärte gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe, er sei bereit, über weiterreichende Maßnahmen zu reden, denn das Paket müsse in den Grundzügen „unabhängig von den jeweiligen Mehrheitsverhältnissen die nächsten Jahrzehnte Bestand haben, sonst wirkt es nicht“.

Was demgegenüber in jedem Fall zu wirken scheint, ist ideologische Intransigenz. Diese Erfahrung, die Deutschland radikale Linke bereits über Jahrzehnte hinweg mit der bürgerlichen Mitte machen durfte, scheint zumindest sie klug gemacht zu haben.
(Mit Material von dpa und afp)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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