China baut eine neue Große Mauer – im Süden, aus Stacheldraht

Neue Zäune mit Stacheldraht, ein Netzwerk von Überwachungskameras, 24 Stunden Patrouillen – China baut seine bislang grüne, offene Grenze nach Südostasien massiv aus. Proteste des Nachbarlandes Myanmar ignorieren die chinesischen Behörden. Ein Experte erklärt: Die chinesische Opposition soll daran gehindert werden, nach Südostasien zu fliehen.
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So ähnlich sieht der neue chinesische Grenzzaun zu den Nachbarstaaten Myanmar, Vietnam und Laos aus.Foto: iStock
Von 17. August 2021

Als Donald Trump eine Mauer an der US-Grenze zu Mexiko bauen bzw. ausbauen ließ, richteten internationale Medien ihre volle Aufmerksamkeit auf sein Vorhaben, das dazu dienen sollte, illegale Einwanderung aus Südamerika einzudämmen.

Im Vergleich dazu sind nur selten Berichte über den Mauerbau an Chinas Südgrenze zu finden. In der Corona-Zeit haben die chinesischen Behörden begonnen, Mauern entlang der über 2.000 Kilometer langen Grenze zu Myanmar und 1.000 km langen Grenze zu Vietnam zu errichten.

Laut chinesischen Staatsmedien sollen Grenzübertritte von Covid-19-Erkankten sowie Drogen-, Waffen- oder Menschenschmuggel verhindert werden. Zudem sollen die Mauern sogenannte „religiöse Infiltration aus dem Ausland“ unterbinden. Doch es gibt noch zwei weitere, wesentlich wichtigere Gründe.

Die neue Große Mauer ist ein Stacheldrahtzaun

Der neue Eisenzaun zu Myanmar ist laut Bildern zwei bis drei Meter hoch und mit Stacheldraht bestückt.

Ein ehemaliger Jadehändler aus Ruili, der aufgrund des Rückgangs des grenzüberschreitenden Handels gezwungen war, den Job anzunehmen und nun an dem wichtigen Grenzübergang von Ruili zwischen China und Myanmar patrouilliert, erklärt, dass der Zaun keine gewöhnliche Grenzmauer sei.

„Er ist mit Bewegungs- und Geräuschsensoren und einem System der künstlichen Intelligenz ausgestattet, um Bewegungen herauszufiltern, die durch Wind, umgestürzte Bäume oder wilde Tiere verursacht werden“, so der frühere Händler. „Sobald die Sensoren ausgelöst werden, richten sich die hochauflösenden, infrarotfähigen Kameras automatisch auf die Quelle, damit die Kontrollzentren weitere Maßnahmen durchführen können. Wenn illegale Aktivitäten festgestellt werden, wird die Miliz, die örtliche Polizei oder die bewaffnete Polizei benachrichtigt, um eine Suche zu starten.“

Lokale Medien berichteten, dass die chinesischen Behörden begonnen haben, zehntausende Menschen als Wachen für den Patrouillendienst zu rekrutieren. Sie werden von Hunden und Drohnen unterstützt. Zudem errichten sie allein in Kachin in der Präfektur Dehong 136 Kontrollpunkte. Bei Dunkelheit wird der Zaun beleuchtet, um illegale Grenzübertritte zu verhindern.

Flucht aus China

In den chinesischen Medien wird das Bauwerk die „Neue Große Mauer an der Südgrenze“ genannt.

Die alte „Große Mauer“ wurde gebaut, um Chinas Territorium zu schützen und Eindringlinge aus dem Norden auszusperren. Die neue Mauer an Chinas Grenze zu Myanmar dient allerdings nicht nur zum Aussperren von illegalen Einwandern, sondern eher dazu, chinesische Bürger davon abzuhalten, nach Myanmar und Vietnam zu gelangen. 

Viele Menschen haben aufgrund der harten Lockdowns in China ihre Arbeit verloren und wanderten über die chinesische Provinz Yunnan nach Vietnam und Myanmar zur Arbeitssuche aus – wogegen die chinesische Führung im Prinzip auch nichts hat. Problematischer ist für die Pekinger Regierung, dass viele chinesische Bürger über die lange Grenze in die Nachbarstaaten fliehen. Auch viele korrupte Beamte nutzen die Fluchtwege in Yunnan, um aus China zu flüchten.

Dem berühmten chinesischen Schriftsteller Liao Yiwu gelang 2011 erfolgreich die Flucht über die Grenze von Yunnan nach Vietnam. Er lebt nun in Berlin und berichtete, dass er 4.000 Euro an Schleuser bezahlte. Auch viele Dissidenten und Uiguren flohen mit Unterstützung nach Südostasien.

Eine genaue Zahl derer, die flüchten, ist kaum feststellbar. 2020 wurde von 16.000 Chinesen offiziell ein Asylantrag in anderen Staaten gestellt. Allerdings wurden Ende März allein in der Stadt Nansen, die ebenfalls an Myanmar grenzt, mehr als 5.000 Menschen bei illegalen Grenzübertritten aufgegriffen, schreibt die staatstreue „South China Morning Post“. Die Dunkelziffer ist hoch.

Der illegale Grenzübertritt wird streng sanktioniert. Diejenigen, die Menschen beim Grenzübertritt unterstützen oder ihnen Unterschlupf gewähren werden ebenfalls streng bestraft, erklärt Zhai Yulong, Sekretär des Ruili-Ausschusses der Kommunistischen Partei Chinas, auf einer Konferenz am 7. Juli

Eine ungewöhnliche Maßnahme

Seit Februar dieses Jahres versuchen die chinesischen Behörden Bürger, die illegal über die Grenze nach Nord-Myanmar gegangen sind, zurückzuholen. Angeblich sollen grenzüberschreitende Verbrechen einschließlich Telekommunikationsbetrug, die von oder gegen chinesische Staatsangehörige im Ausland begangen werden, bekämpft werden. 

Seit Juni 2021 verschärfen die Behörden den Druck und drohen, Renten und andere Leistungen für Familienmitglieder der Geflüchteten zu streichen.

Die meisten der in Nord-Myanmar lebenden rund 100.000 Chinesen wurden von den Behörden oder der Polizei ihres Heimatortes angerufen und aufgefordert, bis Ende Juni nach China zurückzukehren. Sie müssen ihre Geschäfte aufgeben, Läden und Restaurants schließen. Wer sich der Anweisung widersetze, dem wird die Haushaltsregistrierungserlaubnis entzogen. Das bedeutet der Verlust vieler Rechte: Betroffene erhalten keine medizinische Versorgung, sie können kein Bankkonto eröffnen oder eine Versicherung abschließen.

Ein Landkreis der Provinz Hunan drohte sogar, die Sozialversicherungsgarantien für daheimgebliebene Familienmitglieder aufzuheben und ihre Häuser zu zerstören, weil sie angeblich mit illegalen Mitteln gebaut seien.

Ungewöhnlich ist diese Anweisung, weil die chinesischen Behörden seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie immer versucht haben, im Ausland lebenden Chinesen davon abzuraten, zurückzukehren, damit sie keinen Viren ins Land bringen. Myanmar ist jedoch von COVID-19 stark betroffen. Warum sollen nun alle chinesischen Staatsbürger sofort zurückkehren?

Eine antikommunistische militärische Macht

Im September 2020 veröffentlichte eine militärische Organisation namens „V-Brigade“ eine Videobotschaft. Darin kündigte ein maskierter Kämpfer bewaffneten Widerstand gegen Chinas Tyrannei an. Das Ziel dieser militärischen Organisation sei, das kommunistische Regime Chinas zu zerstören. 

Der Name V-Brigade stammte vermutlich aus dem Film „V wie Vendetta“ (Blutrache) aus dem Jahr 2005. V ist ein maskierter Freiheitskämpfer, der im Kampf gegen den totalitären Staat gleichzeitig persönliche Rache verfolgt und einen gesellschaftlichen sowie politischen Umsturz vorbereitet.

Die V-Brigade ist nicht die einzige antikommunistischen Organisation in Nord-Myanmar. Nach einem geleakten Dokument der chinesischen Regierung gibt es dort zur Zeit elf antikommunistische Organisationen mit etwa 5.000 Mitgliedern, die aus China geflohen sind. 

Sie haben sich in einer losen politischen Allianz zusammengeschlossen und pflegen Kontakt zu lokalen Milizen in Nord-Myanmar. Dadurch ist eine Art Militärbasis entstanden.

Mit dem Mauerbau und der Rückholung der Staatsbürger soll der Nährboden für die Freiheitskämpfer der V-Brigade und andere Organisationen in Nord-Myanmar ausgetrocknet werden. Verbindungen nach China sollen unter Kontrolle gebracht werden. Das Ziel ist, die antikommunistische Basis in Nord-Myanmar im Keim zu ersticken.

Die Gebirge von Nord-Myanmar sind dicht mit Regenwald bedeckt, in Kampfsituationen wären kleine Guerillagruppen trotz Drohnen und Hubschraubern der Gegenseite im Vorteil.

Myanmar wurde nicht informiert

Vor dem Bau der Mauer wurde Myanmar nicht informiert. Die Proteste der myanmarischen Regierung ignorierten die chinesischen Behörden, berichtet „Der Irrawaddy“, eine Nachrichtenseite aus Myanmar. 

Der Streit um die Grenze zwischen Myanmar und China schwelt bereits seit einigen Jahren. 1961 unterzeichneten die Länder ein Grenzprotokoll. Eine der Bestimmungen besagt, dass auf beiden Seiten innerhalb von 10 Metern der Demarkationslinie keine Bauwerke errichtet werden dürfen. Zudem sollten die Staaten sich gegenseitig informieren, wenn sie Zaunarbeiten entlang der Grenze durchführen wollen.

Rund 600 Kilometer des neuen Stacheldrahtzauns zwischen Ruili, Lijiang und den Gaoligong-Bergen in der südwestlichen Provinz Yunnan stehen kurz vor der Fertigstellung. Ein weiterer 800 Kilometer langer Grenzabschnitt wird in der Region Xishuangbanna in Yunnan gebaut.

Große strategische Pläne um Ruili

Die Hochsicherheitszäune sollen nach offizieller Lesart verhindern, dass an Covid-19-Erkrankte nach China einreisen. Über die Grenzstadt Ruili verhängten chinesische Behörden wegen neuer Corona-Fälle Anfang Juli einen Lockdown.

Ruili ist eine wichtige Stadt im Westen der chinesischen Provinz Yunnan mit 210.000 Einwohnern. Auf der anderen Seite der Grenze in Myanmar befindet sich die Stadt Muse. Myanmar ist der wichtigste Außenhandelspartner der chinesischen Provinz Yunnan, der Handel wird zum größten Teil über Ruili abgewickelt – mit 20,63 Millionen Grenzübertritten im Jahr 2019.

In Ruili errichtete der chinesische Staatsrat ab 1992 eine industrielle Sonderzone zur Förderung von Import, Export und der verarbeitenden Industrie. Zu den wichtigsten Exportgütern gehören Faserstoffe, Baumwollgarne, mechanische und landwirtschaftliche Produkte.

China hat große strategische Pläne und ökonomisches Interesse an Myanmar. Peking ist der wichtigste Waffenlieferant des Militärregimes, Handelspartner und Großinvestor. Im Golf von Bengalen möchte China einen Tiefwasserhafen errichten, der China einen Zugang zum Indischen Ozean ermöglichen soll. Neben Öl- und Gaspipelines ist eine Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Myanmar Küsten und der chinesischen Grenze ist geplant.

Peking unterstützte die alte Militärjunta, parallel umwarb die KP Chinas auch die de facto-Präsidentin Aung San Suu Kyi. Myanmar sieht seine Abhängigkeit von China zunehmend kritisch.



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