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Kirche

„Irrelevanz“: Zahl der Protestanten in Deutschland erstmals unter 20 Millionen

Erstmals in der deutschen Geschichte gibt es weniger als 20 Millionen im Land. Das EKD-eigene Sozialwissenschaftliche Institut diagnostiziert eine „persönliche Irrelevanz“ der Kirche und ihrer Botschaft für Angehörige. Bei den Katholiken droht eine ähnliche Entwicklung.

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Kirchentag in Wittenberg. Symbolbild.

Foto: CHRISTOF STACHE/AFP/Getty Images

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Seit der Wiedervereinigung hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) etwa ein Drittel ihrer Mitglieder verloren. Erstmals ist die Zahl der landeskirchlich organisierten Protestanten auf weniger als 20 Millionen gefallen. Dies berichtete die Nachrichtenagentur CNA am Mittwoch (9.3.) unter Berufung auf Zahlen, die von der EKD selbst gemeldet worden waren.

Nettoverlust von mehr als einer halben Million Mitglieder

Zum Stichtag des 21. Dezember des Vorjahres gehörten noch rund 19.725.000 der EKD und den darin vereinigten Gemeinschaften an. Etwa 280.000 Kirchenaustritten und 360.000 Sterbefällen standen lediglich 115.000 Taufen oder Wiedereintritte gegenüber.
Mit 29.696.000 Mitgliedern bei einer Bevölkerungszahl von 60,6 Millionen hatte die EKD in der alten Bundesrepublik ihren Höchststand im Jahr 1970 erreicht, prozentual gab es dort 1961 mit 51,1 Prozent den höchsten Anteil evangelischer Kirchenmitglieder.
Der deutliche Rückgang der Mitgliederzahlen in den 1980er-Jahren auf knapp 25 Millionen wurde durch die Wiedervereinigung vorübergehend wieder wettgemacht: Im Jahr 1990 gehörten wieder 29.422.000 Menschen der EKD an – dies waren dann allerdings nur noch 36,9 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Nur zwei Drittel der Protestanten in Deutschland glauben an Gott

Mittlerweile ist der Anteil der Protestanten auf weniger als ein Viertel der Bevölkerung abgestürzt, und nur wenig deutet auf eine Trendwende hin. Petra-Angela Ahrens vom Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD diagnostiziert, es sei eine „empfundene persönliche Irrelevanz“ der Kirche und ihrer Botschaft, die im Regelfall der relevante Faktor für einen Kirchenaustritt sei.
Seit Generationen werde der evangelische Glaube zunehmend nicht mehr ernst genommen und entsprechend auch nicht an die Kinder weitergegeben. Der Effekt sei eine abnehmende Verbundenheit mit der Kirche – und die wachsende Bereitschaft, beispielsweise die Kirchensteuer als entscheidenden Auslöser für den Austritt zu betrachten.
Diese sei etwa für 71 Prozent der Befragten ein konkreter Anlass für einen solchen Schritt gewesen, andere nannten sexualisierte Gewalt oder die wahrgenommene Verschwendung finanzieller Mittel durch die Kirche.
Einer „Spiegel“-Umfrage aus dem Jahr 2019 zufolge glauben nur 67 Prozent der EKD-Mitglieder überhaupt an Gott – das sind 13 Prozent weniger als 2005. Unter den Katholiken waren es immerhin noch 75 Prozent, was jedoch ebenfalls einem Rückgang von zehn Prozent in 14 Jahren gleichkam.

Ukrainische Flüchtlinge könnten katholischen Anteil stabilisieren

Der Katholischen Kirche droht ein ähnliches Schicksal. Eine offizielle Mitgliederzahl zum Ende des Vorjahres wurde dort noch nicht kommuniziert. Allerdings war bereits von 2019 auf 2020 die Zahl der Angehörigen um mehr als 400.000 auf 22.193.000 gesunken.
Zwischenberichte einzelner Diözesen über Austrittswellen infolge von Berichten über Missbrauchsskandale lassen auch bezüglich der Katholischen Kirche in Deutschland davon ausgehen, dass der Sturz unter die 20-Millionen-Marke auch dort nur eine Frage der Zeit ist. Allenfalls der Zustrom ukrainischer Kriegsflüchtlinge könnte eine gewisse vorübergehende Stabilisierung bei den Katholiken mit sich bringen. Im Jahr der Wiedervereinigung zählte die Katholische Kirche noch 28.525.000 Mitglieder.
Die Katholische Kirche versucht, ihrem Absturz in die Bedeutungslosigkeit mit einem sogenannten Reformprozess unter dem Banner des „Synodalen Weges“ zu begegnen. Dieser ist vor allem durch eine Distanzierung der Kirche in Deutschland von Lehrinhalten gekennzeichnet, die in der Öffentlichkeit als kontrovers wahrgenommen werden.

„Synodaler Weg“ führt in die Sackgasse

In Summe wird dabei – notfalls unter Inkaufnahme von Konflikten mit der Weltkirche und den ökumenisch verbundenen Ostkirchen – eine Annäherung an protestantische Realitäten herbeigeführt.
Die Erfolgsaussichten dieser Strategie sind fraglich. Während die Katholische Kirche mit dem „Synodalen Weg“ vor allem bei traditionell orientierten Gläubigen mit hoher Kirchenbindung für Entfremdung sorgt, bleibt der erhoffte Zuwachs an Interesse innerhalb der Mehrheitsgesellschaft aus.
Bereits 2020 berichtete CNA, dass sich 63 Prozent der Bevölkerung für den „Synodalen Weg“ schlichtweg nicht interessieren. Nur elf Prozent der Befragten bekundeten Interesse, selbst unter den Katholiken waren es lediglich 19 Prozent.
Seit dieser Zeit sind weitere Hunderttausende Katholiken aus ihrer Kirche ausgetreten, nur wenige, die dieser zuvor nicht oder nicht mehr angehört hatten, nutzten das niedrigschwellige Angebot, das ihnen in Gestalt des „Synodalen Weges“ gemacht wurde.
Orthodoxen Kirchen gehörten in Deutschland Ende 2020 mehr als 1,5 Millionen Menschen an, auf andere christliche Gemeinschaften entfielen in Summe insgesamt knapp 900.000 Mitglieder, darunter etwa ein Drittel auf evangelikale Freikirchen.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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