Nach 482 Tagen in Hamas-Gefangenschaft: Die bewegende Geschichte der Geisel Gadi Moses

Nach 482 Tagen Gefangenschaft hat die Hamas den 80-jährigen Deutsch-Israeli Gadi Moses freigelassen.
Auf dem veröffentlichten Videomaterial ist die Gestalt eines grauhaarigen Mannes inmitten einer schreienden Menschenmenge zu sehen. Der alte Mann wird während der Übergabe hin und her geschoben. Dutzende Kameras und Handys sind auf ihn gerichtet. In diesem Moment habe er Angst gehabt, von der Menge gelyncht zu werden, sagte er später.
Im Zuge des Waffenruheabkommens zwischen Israel und der Terrororganisation wurde Moses zusammen mit zwei weiteren israelischen Gefangenen am Donnerstag, 30. Januar, im Gazastreifen an das Rote Kreuz übergeben.
Nun ist er wieder bei seinen Lieben – endlich zu Hause.
Noch wenige Tage zuvor war seine Familie in völliger Ungewissheit. Es war nicht bekannt, ob Moses noch am Leben war. Sicher war nur die positive Einstellung seiner Angehörigen, die sich trotz des schweren Schicksals nicht unterkriegen ließen.
„Wir sollten einfach positiv denken und versuchen, uns selbst davon zu überzeugen, dass das Licht die Dunkelheit besiegen wird“, sagte Efrat Machikawa, die Nichte von Moses, in einem Interview mit Epoch Times.
Moses und die Deutsch-Israelin Arbel Yehud waren die ersten von 30 Geiseln aus dem Kibbuz Nir Oz, die in diesem Jahr lebend nach Hause zurückkehrten.
WATCH: The moment Gadi reunitEs with his family ❤️🩹 pic.twitter.com/Racc7NRJGI
— Hen Mazzig (@HenMazzig) January 30, 2025
Machikawa selbst verbrachte den überwiegenden Teil ihrer Kindheit und die Sommer in dem Kibbuz im Süden Israels. Zu ihrem Glück war sie am Tag des Hamas-Terrorangriffs nicht vor Ort. Aber neun Mitglieder ihrer Familie mussten den 7. Oktober 2023 miterleben. Nun will Machikawa die „unendlich wirkenden 482 Tage“ und die Geschichte von Moses mit der Welt teilen.
Ein unerwarteter Angriff
An diesem Samstag im Oktober 2023 griff die Hamas völlig unerwartet die Heimat von Gadi Moses an. Nir Oz, in dem 400 Menschen lebten, wurde fast vollständig niedergebrannt. Für viele in Israel ist Nir Oz zum Symbol für das Sicherheitsversagen des Landes geworden.
„An diesem Tag überfielen einige Hundert Hamas-Terroristen den Kibbuz in der Nähe des Gazastreifens und besetzten ihn vollständig. Und nicht einmal der Hauch einer Armee, der israelischen Armee kam zu Hilfe. Die Terroristen zerstörten, vergewaltigten und verbrannten, töteten und ermordeten und entführten auf brutale Weise mehr als 100 Menschen“, erinnerte sich Machikawa an die Geschehnisse.
Die nachbarschaftlichen Beziehungen gehen über das Normale hinaus, sagt Machikawa: „Es ist eine große Familie. Es ist eine Gemeinschaft, in der Kinder mit allen zusammen aufwachsen. Und jeder Vierte fehlte auf einmal. […] Das ist so, als ob alle Menschen in einem Einkaufszentrum oder in einem großen Wohnblock, in dem etwa 400 Menschen leben, betroffen wären.“
Wie durch ein Wunder blieben einige verschont
Insgesamt waren an diesem Tag neun Mitglieder von Machikawas Familie im Kibbuz. „Wie durch ein Wunder“ konnten die meisten von ihnen entkommen. Das Nachbarhaus, in dem eine ganze Familie lebte, wurde von Terroristen in Brand gesteckt. „Fünf Menschen verbrannten bei lebendigem Leib. Und ihr Haus war nur fünf bis zehn Meter entfernt.“ Doch das Haus von Machikawas Verwandten wurde nicht zerstört. Das Feuer breitete sich nicht aus, sodass sie entkommen konnten.
Moses und seine Frau, seine ehemalige Frau und seine Tochter mit ihren zwei Kindern – damals zwei und vier Jahre alt – wurden jedoch von den Hamas-Mitgliedern als Geiseln genommen und entführt. Die Tochter von Moses, Doron Katz Asher, und ihre beiden Töchter Raz und Aviv wurden in der ersten Phase des Geiselaustauschs am 22. November 2023 freigelassen, ebenso wie Moses’ Ex-Frau Margalit Moses.
Während einige wie durch ein Wunder verschont blieben, wurde Moses’ Frau Efrat Katz das Opfer eines tragischen Unglücks. Auf dem Weg nach Gaza griff ein israelischer Hubschrauber die Terroristen an. Bei dem Schusswechsel wurde die Frau getroffen.
„Das Drama passierte“, erzählte Machikawa mit zittriger Stimme, „als eine andere Gruppe von Terroristen kam und Doron [die Tochter von Moses] ihre sterbende Mutter zurücklassen musste, um ihren beiden Babys hinterherzulaufen, die ihr weggenommen worden waren. Es ist also eine Lebenssituation, die du dir nicht einmal in deinen schlimmsten Albträumen vorstellen kannst. […] Du wusstest, dass du niemals zulassen konntest, von deinen Babys getrennt zu werden.“
Seit dem Ereignis ist Nir Oz verwaist. Die Bewohner seien auf dem Weg der Heilung. Dieser könne aber erst dann abgeschlossen sein, wenn alle entführten Gefangenen nach Hause zurückgekehrt seien, so Machikawa.

Gadi Moses und seine Nichte Efrat Machikawa treffen sich nach 482 Tagen wieder. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Efrat Machikawa

Gadi Moses mit seinen Kindern nach seiner Freilassung. Foto: Israel Defense Forces Handout/Familie Handout/GPO
Moses glaubte an gute Nachbarschaft und hatte Freunde in Gaza
Moses, einer der Gründer von Nir Oz, war ein wichtiger Dreh- und Angelpunkt der Gemeinschaft. Laut Machikawa hat er ein fröhliches Wesen und ist ein Menschenfreund. Deshalb hofften sie immer, dass er die Strapazen überleben würde.
„Er ist ein wunderbarer, sehr lebensfroher Mensch. Er ist ein Agronom, der sich auf Wassermanagement und Kulturen wie Kartoffeln, Karotten und Erdnüsse spezialisiert hat“, sagte sie. Moses ist um die Welt gereist und „hat das Leben von Hunderten und Tausenden Menschen gerettet“, indem er sie in Landwirtschaft unterrichtete, von Papua-Neuguinea über Georgien bis Peru.
Moses habe auch in arabischen Ländern gearbeitet. Er arbeitete mit Jordaniern, er arbeitete mit Ägyptern und er arbeitete viel mit Palästinensern.

Efrat Machikawa mit ihrem Onkel Gadi Moses auf einem undatierten Foto vor der Geiselhaft. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Efrat Machikawa
Gerade weil er die Palästinenser regelmäßig unterstützt habe, sei das, was ihm passiert sei, eine Tragödie, so Machikawa. „Er glaubte an eine gute Nachbarschaft, an Menschlichkeit und an die Menschen, und er hatte Freunde in Gaza.“
Laut „Channel 12“ sagte Moses zu seinen Entführern, dass er hoffe, nach dem Ende des Krieges nach Gaza zurückkehren zu können, um den Palästinensern beizubringen, wie man Landwirtschaft betreibt.
Solange die Geiseln nicht zu Hause sind, ist stilles Abwarten keine Option
Auch wenn Moses inzwischen wieder zu Hause ist, befinden sich immer noch eine Reihe von Geiseln in Gefangenschaft. Laut Machikawa sind derzeit noch 29 Menschen aus Nir Oz in Gaza. Insgesamt werden noch 79 Geiseln von der Hamas festgehalten.

Das Kibbuz Nir Oz liegt im südlichen Teil Israels, in der westlichen Negev-Wüste, nahe der Grenze zum Gazastreifen. Aufgrund seiner Lage war Nir Oz in der Vergangenheit auch oft von Raketenangriffen betroffen. Der Ort zeigt immer noch Anzeichen schwerer Zerstörung. Foto: Alexi J. Rosenfeld/Getty Images
Für die Angehörigen ist es keine Option, schweigend abzuwarten. „Wir müssen hier in der Gemeinde politisch sehr aktiv sein, mit Kundgebungen, Demonstrationen und Erklärungen gegenüber ausländischen Medien.“ Laut Machikawa ist das die heilige Mission der Angehörigen.
Machikawa hat selbst einen diplomatischen Hintergrund und sagt, dass ihr das in den fast 500 Tagen sehr geholfen habe: „Ich war in den internationalen Medien und habe Hunderte Interviews gegeben. […] Ich war in Japan, Europa, den Vereinigten Staaten, überall, wo wir hingehen und reden konnten.“ Machikawa sprach sogar im US-Kongress im Namen von Moses und anderen Gefangenen.

Efrat Machikawa nutzte jede Gelegenheit, um sich für die Freilassung ihres Onkels und anderer Gefangener einzusetzen. Foto: Mit freundlicher Genehmigung von Efrat Machikawa
Yair Moses, ein Sohn von Moses, hatte geschworen, sich nicht zu rasieren, bis sein Vater nach Hause zurückkehrt. Er hielt sein Versprechen. Gadi selbst nahm nach 482 Tagen die Rasur vor. Er rasierte auch die Haare seines Enkels, die ebenfalls so lange nicht geschnitten worden waren. Ein Neuanfang für die ganze Familie.
Yair Mozes vowed not to shave until his father, Gadi Mozes (80), was freed from captivity.
After 482 days in Gaza, Gadi was finally released yesterday.
In a touching moment, Gadi himself
shaved both his son and grandson. ❤️📷@bringhomenow pic.twitter.com/U2Id8tbEqe
— Israel ישראל (@Israel) January 31, 2025
Moses denkt über die nächsten Schritte nach
Über seine persönlichen Erfahrungen in der Gefangenschaft hat er bisher kein Interview gegeben. Sein Neffe berichtete jedoch, dass Moses mit unmenschlichen Bedingungen zu kämpfen hatte. Er verriet, dass Moses am eigenen Leib erfahren musste, wann es in Gaza Lebensmittel gab und wann nicht. Die Hygiene war ein ständiges Problem, da es nur wenige Duschen gab.
Um bei Verstand zu bleiben, entwickelte Moses eine strenge Überlebensroutine: Er ging in seinem Zimmer auf und ab und lief so bis zu 7 Kilometer am Tag in seinem kleinen Raum, er löste Matherätsel im Kopf und führte imaginäre Gespräche mit geliebten Verwandten. Während seiner Haft durfte er manchmal fernsehen oder Radio hören. So erfuhr er, wie seine Angehörigen für seine Befreiung kämpften. Er erfuhr jedoch auch, dass seine Frau die Geiselnahme nicht überlebt hatte.
Trotz all des Schreckens arbeitet die Familie von Moses daran, die anderen Geiseln so schnell wie möglich nach Hause zu bringen. Das hat jetzt oberste Priorität. Doch Moses denkt schon an die nächsten Schritte – er will Nir Oz wieder aufbauen. Doch zunächst müsse er sich erholen, erklärte sein Neffe Shai gegenüber den lokalen Medien.
„Der wahre und einzige Sieg neben der Rückholung unserer Lieben ist der Aufbau des Kibbuz Nir Oz. Von Neuem – stärker, besser und größer“, heißt es in einer Erklärung der Bewohner.
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