Berliner Verkehrsbetriebe als Weltkulturerbe? Werbekampagne sorgt für Kopfschütteln bei UNESCO
Ein öffentliches Versorgungsunternehmen als UNESCO-Welterbe? Die Berliner Verkehrsbetriebe halten sich selbst, wie ein Promotion-Video verrät, jedenfalls für ein Gebilde von ausreichend „außergewöhnlichem universellem Wert“ – und wollen mit auf die Liste. Und es scheint keine Satire zu sein.

Die S-Bahn-Station Brandenburger Tor in Berlin. Im Jahr 2013 hatten die Berliner S-Bahnen rund 440 Millionen Passagiere.
Foto: iStock
Die Werbeagentur Jung von Matt, mit der die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) zusammenarbeiten, hält diese für ein Denkmal, ein Ensemble oder eine Stätte – Naturgebilde oder geologische Erscheinungsform dann wohl doch nicht – von „außergewöhnlichem universellem Wert“.
Als solches wären die BVG nämlich der UNESCO-Liste zugänglich, und genau dort will die Werbeagentur diese auch sehen. Denn auch wenn sich Berlin als Stadt im stetigen Wandel sieht, in der es keine Gewissheiten mehr gibt, stehen die Verkehrsmittel der BVG wie ein Fels in der Brandung und bewahren das an Berlin Urtümliche.
Beim belgischen Bier ging’s auch
Das zumindest ist das Hauptargument, das im Erklärungsvideo auf der Seite des Unternehmens für die Ambitionen bemüht wird. Wer davon überzeugt ist, dass die BVG eine „feste und unerschütterliche Konstante“ sind, die „euch seit Jahrzehnten Halt gibt“ und deshalb einen besonderen Schutzstatus genießen sollte, kann auf der Webseite sogar darauf abstimmen. Bis dato haben das mehr als 35 000 Personen gemacht.
Während sich die BVG selbst schon in einer Reihe mit dem Taj Mahal und Machu Picchu sehen, verweist man in der deutschen UNESCO-Pressestelle gegenüber der FAZ darauf, dass es bis dato kein Unternehmen geschafft habe, zum Weltkulturerbe erklärt zu werden. Allerdings hat es immerhin bereits belgisches Bier dorthin geschafft – und das wird auch im Regelfall von Unternehmen gebraut.
Zudem dürfte es den Optimismus der Berliner stärken, dass im Juli dieses Jahres das Augsburger Wassermanagement-System in die Liste aufgenommen wurde. Dies lässt immerhin den Schluss zu, dass Einrichtungen zur öffentlichen Versorgung grundsätzlich den Status erlangen können. Allerdings stammt dieses bereits aus dem 13. Jahrhundert, während die ersten Fahrzeuge der BVG erst sechs Jahrhunderte später dokumentiert sind.
Potenzielle Ausrede für ausbleibende Investitionen?
Ob ein Welterbe-Status, sollten die BVG einen solchen tatsächlich erlangen können, überhaupt auf Dauer aufrechtbleiben könnte, wäre möglicherweise das nächste Problem. Denn mit einer Listung ist innerstaatlich wie international auch ein Denkmalstatus verbunden, der Veränderungen und Umbauten nur dann zulässt, wenn „Aussagekraft und Struktur gewahrt“ blieben.
Der Bau eines neuen Bahnhofs oder eine Veränderung der Streckenführung könnte da erhebliche Unwägbarkeiten mit sich bringen. Die Kulturlandschaft Dresdner Elbtal, einst ebenfalls auf der Liste, wurde 2006 wegen der Planungen zum Bau der Waldschlößchenbrücke auf die Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt.
Im Jahr 2009 wurde ihr der Titel infolge des Baubeginns tatsächlich aberkannt. Andererseits könnte die Stadt Berlin diese Problematik jederzeit in eigener Sache nutzen – als Erklärung für das Unterbleiben dringlicher Investitionen, für die aber gerade das Geld fehlt.
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