Endlich bewiesen: Berlin ist ein Bildungswunderland

Früher pilgerte man, ehe sogar dieses Land in PISA zurückfiel, ins Bildungssuperland Finnland. Jetzt kann man nach Berlin pilgern. Eine analytischer Kommentar von Gastautor Joseph Kraus
Titelbild
Leerer Klassenraum.Foto: Sven Hoppe/dpa/dpa
Von 13. Februar 2021

Es gibt doch noch wirklich schöne Überraschungen in dem Land, das irgendwann einmal eine Bildungsnation war. Ja, Berlin ist drauf und dran, die Bildungsnation wieder zum Leben zu erwecken. Das dortige Schulsystem ist so unglaublich differenziert, individuell, fördernd, nicht-selektiv, ganzheitlich, progressiv, zukunftsorientiert, dass dort fast kein Schüler mehr sitzenbleibt.

Das hat das Statistische Bundesamt mitgeteilt. Konkret: In der Bundeshauptstadt sind im Sommer 2019 nur noch rund 3.200 Jungen und Mädchen nicht in die höhere Klassenstufe versetzt worden, oder aber sie haben sich freiwillig für eine Wiederholung entschieden. Das entspricht einem Anteil von 1,1 Prozent. 2008 hatte die Quote noch bei 3,6 gelegen.

Nirgendwo ist der Anteil der Sitzenbleiber an den allgemeinbildenden Schulen im bundesweiten Vergleich damit so niedrig wie in Berlin. Den höchsten Anteil an „Ehrenrundlern“ gab es in Bayern mit 3,8 Prozent, den niedrigsten eben in Berlin mit 1,1 Prozent. Bundesweit war die „Durchfaller“-Quote bei 2,3 Prozent, vor 20 Jahren waren es noch 2,8 Prozent.

Was „lernt“ uns das? Klar: Unsere Jugend, vor allem die in Berlin, wird immer klüger und fleißiger, und unsere Lehrer werden immer besser und motivierender. Also, es geht doch! Früher pilgerte man, ehe sogar dieses Land in PISA zurückfiel, ins Bildungssuperland Finnland. Jetzt kann man nach Berlin pilgern. Und spart dabei eine Menge Reisekosten und Dolmetscher. Letztere aber nur, wenn man keine Berliner Schule mit 80 oder 90 Prozent Kindern mit Migrationshintergrund besucht.

Aber ernsthaft: Irgendetwas stimmt nicht. Wir kramen in jüngeren und älteren Datensätzen und Statistiken und stellen fest: In so ziemlich allen Schulleistungstests nahm Berlin in den letzten 20 Jahren einen Platz unter den drei bis vier Kellerkindern auf den Tabellen des innerdeutschen Rankings ein – zumeist mit Bremen zusammen. Und zwar

  • beim IQB-Bildungstrend 2018 für 9. Klassen im Bereich „Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen“ am Ende der 10. Klasse (IQB = Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen);
  • im VERA-Test für 3. und 8. Klassen (VERA = Vergleichsarbeiten in der Schule);
  • im IGLU-Test für 4. Klassen (IGLU = Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung).
  • Als die Auswertung des PISA-Tests noch ehrlich war und nach Bundesländern ausgewertet wurde (zuletzt 2006), wechselte sich Berlin beim Tragen der „roten Laterne“ auch regelmäßig vor allem mit Bremen ab.

Noch ein paar Details

  • Zum Beispiel erreichten beim Test VERA 2015 Berliner Achtklass-Oberschüler mit einem Anteil von 39 Prozent und Berliner Achtklass-Gesamtschüler mit einem Anteil von 25 Prozent beim Schreiben nicht den Mindeststandard.
    Die Abschlussprüfungen etwa zum Erwerb des Mittleren Schulabschlusses nach der 10. Klasse befanden sich 2016 zum Teil auf dem Niveau der 8. oder der 7. Klasse, zum Teil sogar auf dem Niveau der Grundschule. Eine Mathematikaufgabe beispielsweise lautete: „Drei Ziffern sind gegeben: 2, 3, 6. Welche ist die größte dreistellige Zahl, die aus diesen Ziffern gebildet werden kann?“
  • Oder nehmen wir aus der 2016er Mathematikprüfung für den mittleren Schulabschluss in Berlin und Brandenburg eine andere Teilaufgabe: „Im Filmpark Babelsberg wird in jedem Jahr die Anzahl der Besucher gezählt. Geben Sie ein Jahr an, in dem die Besucherzahl niedriger als 300.000 war.“ Flankiert wird die Aufgabenstellung von einem Säulendiagramm für die Jahre 2007 bis 2015. Der Prüfling musste nur die kürzeste Säule aussuchen und die darunter stehende Jahreszahl abschreiben. Er hat damit die „Allgemeine Kompetenz K3“ (Mathematisch Modellieren) nachgewiesen. Die FAZ vom 11. August 2016 schreibt dazu: Die Schulmathematik sei zur „reinen Vortäuschung des Rechnens geworden.“
  • In Berlin hat sich die Zahl der 1,0-Abiturzeugnisse von 17 im Jahr 2002 auf 234 im Jahr 2012 erhöht (das ist das Vierzehnfache).
    All das „zahlt“ sich jetzt aus – in Form von Sitzenbleiberquoten, die gegen NULL gehen.

Aber: Man lügt sich damit in die Tasche, und man händigt den jungen Leuten Zeugnisse aus, die ungedeckte Schecks und für die „Abnehmer“ der jungen Leute (Berufsschulen, Hochschulen) ohne Wert sind.

Womit wieder einmal bewiesen wäre: Quote und Qualität verhalten sich reziprok. Ob man das in Berlin versteht? Macht nix! Früher meinte ein Berliner „Regierender“ mal: „Berlin – arm, aber sexy!“. Heute müsste er hinzufügen: „Berlin – doof aber sexy!“

Aber Bosheit beiseite: Die anderen deutschen Länder werden Berlin nacheifern. Wetten, auch Söder wird mitmachen! In Zeiten von „Corona“ darf man den Kinderchen doch bitte nicht zu viel abverlangen.

Erstveröffentlichung auf  TICHYS EINBLICK

Gastautor Josef Kraus (*1949), Oberstudiendirektor a.D., Dipl.-Psychologe, 1987 bis 2017 ehrenamtlicher Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, 1991 bis 2013 Mitglied im Beirat für Fragen der Inneren Führung beim Bundesminister der Verteidigung; Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (2009), Träger des Deutschen Sprachpreises 2018; Buchautor, Publizist.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


Unsere Buchempfehlung

Moderne Pädagogik konzentriert sich nicht auf die Vermittlung der moralischen Standards, der Kultur und des Wissens der Menschheit, wie allgemein vermutet. Ihr Ziel ist die „Erziehung und Bildung als Therapie“: Gefühle und Einstellungen der Schüler sollen bestimmten politischen Vorgaben entsprechen.

Der Ökonom Thomas Sowell analysierte, dass heutiger Unterricht zur Vermittlung der Werte die gleichen Maßnahmen verwendet, die in totalitären Ländern zur Gehirnwäsche von Menschen im Einsatz sind. Dazu zählt, emotionalen Stress hervorzurufen, "um sowohl den intellektuellen als auch den emotionalen Widerstand zu brechen".

Ein anderes Mittel ist die Isolation der Kinder (ob physisch oder emotional) von vertrauten Quellen emotionaler Unterstützung. Sie stehen stetig im Kreuzverhör und müssen ihre Werte darlegen - oft unter Manipulation des Gruppenzwangs.

Normale Abwehrmaßnahmen wie "Reserviertheit, Würde, ein Gefühl der Privatsphäre oder die Möglichkeit, die Teilnahme abzulehnen" werden unterbunden. Die erwünschten Einstellungen, Werte und Überzeugungen hingegen massiv belohnt.

Das Kapitel 12 des Buches "Wie der Teufel die Welt beherrscht" untersucht die Sabotage an der Bildung. Es heißt: "Das Bildungswesen sabotieren: Wie Studenten zu dummen Radikalen umerzogen werden". Hier mehr zum Buch.

Jetzt bestellen - Das dreibändige Buch ist sofort erhältlich zum Sonderpreis von 50,50 Euro im Epoch Times Online Shop

Das dreibändige Buch „Wie der Teufel die Welt beherrscht“ untersucht auf insgesamt 1008 Seiten historische Trends und die Entwicklung von Jahrhunderten aus einer neuen Perspektive. Es analysiert, wie der Teufel unsere Welt in verschiedenen Masken und mit raffinierten Mitteln besetzt und manipuliert hat.

Gebundenes Buch: Alle 3 Bände für 50,50 Euro (kostenloser Versand innerhalb Deutschlands); Hörbuch und E-Book: 43,- Euro.

Weitere Bestellmöglichkeiten: Bei Amazon oder direkt beim Verlag der Epoch Times – Tel.: +49 (0)30 26395312, E-Mail: [email protected]

Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion