Kollektiv-Wahlkampf? „Enkelkinderbriefe“ sollen Oma und Opa auf Linie bringen

Offenbar gibt es Sorgen, dass Die Grünen-Partei am 26. September zu wenige Stimmen bekommen könnte. Aktivisten versuchen nun an die rund 38 Prozent Wahlstimmen der über 60-Jährigen zu kommen. So ersann man die „Enkelkinderbriefe“.
Titelbild
Eine Person die ein Wahlkreuz macht.Foto: iStock
Von 17. September 2021

Jeder hat wohl schon einmal vom Enkelkindertrick gehört, jener Masche, mit der sich Kriminelle an das Vermögen von älteren Menschen heranmachen. Kennen Sie aber auch schon die „Enkelkinderbriefe“? Die „Welt“ berichtet von einer Aktion von Aktivisten, die unter anderem auch grüne Politiker im Vorfeld der Bundestagswahlen unterstützen.

Natürlich ist man sich bei der ausgeklügelten Aktion bewusst, dass es alle Großeltern auf emotionaler Ebene anspricht, ihren Enkelkindern eine gute Zukunft zu ermöglichen. Doch gegenüber jungen Menschen besitzt die ältere Generation einen größeren Erfahrungsschatz. Ältere Menschen sind nicht nur Zeitzeugen der Klimaproblematik, sondern auch des SED-Regimes – und einige vielleicht sogar noch der Massenbewegungen von Chinas Kulturrevolutionären oder des NS-Regimes.

Nun soll offenbar bei dem einen oder anderen älteren Familienmitglied durch diese „Enkelkinderbriefe“ das rationale Denken durch das emotionale beeinflusst werden.

Wahlbeeinflussung durch subtile Manipulation?

In den Wahlumfragen stagnieren die Grünen zwischen 15 und 17 Prozent, immerhin deutlich besser als noch zur Bundestagswahl 2017, bei der sie lediglich 8,9 Prozent der Stimmen erreichten. Auch die Kanzlerschaftsaussichten der grünen Kandidatin Annalena Baerbock werden allgemein als nicht hoch eingeschätzt, FDP-Vize Wolfgang Kubicki nannte sie gar gegen null tendierend. Er wunderte sich, warum Baerbock überhaupt zum TV-Triell eingeladen werde, das eigentlich ein Duell zwischen den tatsächlich aussichtsreichen Kandidaten Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU) sein müsste.

Da plötzlich tauchen die „Enkelkinderbriefe“ auf, jene vorformulierten Textbausteine in einem Briefgenerator, die in ihrer Summe als Brief dann die älteren Familienangehörigen in ihrem Wahlrecht beeinflussen sollen. Es dauere nur drei Minuten, den Brief zu verfassen, wird versprochen. Hier ein Beispiel:

Liebe Oma, ich wollte dir mal wieder schreiben, weil ich mir Sorgen um die Zukunft mache. Bitte wähle im September eine Partei, die Klimaschutz ernst nimmt. Denn damit schenkst du mir und anderen jungen Menschen eine Zukunft.“

Wie die „Welt“ berichtet, werde die Aktion von Prominenten, B-Promis und grüner Parteiprominenz verbreitet. In den Textbausteinen können die Absender zwischen verschiedenen Ängsten wählen, die laut dem Zeitungsbericht einer „monothematisch-apokalyptischen Welt“ angehören. Hitzesommer, Extremwetter, Waldsterben – sieben der neun Wahlmöglichkeiten beziehen sich auf Klima und Umwelt.

Am Ende werde ein Text generiert, den man nur noch in Schönschrift abschreiben müsse, „schön persönlich“, erklärt die Autorin Franziska Zimmerer, Ressortleiterin der „Welt“ für Community und Social. Tipps, wie man die Senioren noch besser dazu bewegen kann, ihre Wahlentscheidung aufgrund emotionaler Gründe zu überdenken, gibt es gleich mit. „Auf bunten Schaubildchen wird erklärt, das Anliegen könne am besten bei einem ruhigen Spaziergang oder in einem emotionalen Brief vorgetragen werden“, merkte Franziska Zimmerer an.

Im Interview zu dem Thema sagte Zimmerer, dass sie vor allem sehr problematisch finde, dass alle jungen Menschen als Kollektiv verstanden würden und als ob diese alle eine politische Ansicht hätten. „Genauso die ältere Generation, als wäre das eine politische homogene Masse“, das sei aber nicht so.

Der große Aufbruch: „Oma und Opa retten die Welt“

Auf der Website der Aktion, die stark mit grünen-typischen Motiven und Logos arbeitet, ohne diese direkt wiederzugeben, werden auch die „Enkelkinder“ mit derselben Methode psychologisch auf Vordermann gebracht: „Weißt du, dass deine Oma und Opa die Klimakrise stoppen können? Und du die einzige Hoffnung bist, dass sie es auch wirklich tun?“

Kurz vor der Wahl aufgetaucht: „Enkelkinderbriefe“. Foto: Screenshot/enkelkinderbriefe.de

Der jüngeren Zielgruppe wird von den Machern der Aktion kollektiv klargemacht, dass die Bundestagswahl am 26. September „unsere Chance“ sei, die Klimakrise aufzuhalten: „Schreib deinen Großeltern einen Brief und bitte sie darum, deiner Zukunft ihre Stimme zu schenken.“

Damit die jungen Leser dann auch nicht mehr allzu lange über das Ansinnen der Macher nachdenken, wird gefordert: „Jetzt Brief schreiben“ und die Großeltern auf ihre globale Mission zu schicken: „Oma und Opa retten die Welt“. Denn man weiß genau und kommuniziert das auch auf der Website, dass die „unter 30-Jährigen nur 15% der Wahlberechtigten sind“ und die „über 60-Jährigen 38%“ der Stimmen ausmachen. Dadurch, so die Aussage, entscheiden Oma und Opa darüber, ob es eine Politik des „weiter so” gebe oder „eine Politik des klimagerechten Aufbruchs“. Zur weiteren Bestärkung heißt es: „Aber du kannst das ändern“

Der formulierte und mit Video begleitete Brief-Aufbau: Faktengrundlage schaffen – Gefühle teilen – Bedürfnis äußern – Empathie zeigen – Argumente liefern – Bitte formulieren. Wer am Ende immer noch Fragen haben sollte, welche Partei denn nun zu wählen sei, den verweist man in den FAQ auf einen „Partner“: „Die Wahlentscheidung ist deine ganz persönliche Angelegenheit und wir rufen ganz bewusst nicht zur Wahl einer bestimmten Partei auf. Unsere Partner von GermanZero haben einen Klimawahlcheck erstellt, mit dem du dich informieren kannst, welche Pläne die einzelnen Parteien verfolgen. Den Klimawahlcheck findest du hier.“

Und wem das immer noch nicht reicht: „Unsere Partner von wir-stimmen-zusammen haben eine tolle Plattform erstellt, auf der sie viele weitere Argumente und Tipps gesammelt haben, wie du noch besser mit Oma und Opa über die Klimakrise sprechen kannst.“

Ruf mal wieder an und hol dir seine Stimme

Auch die einflussreiche Influencerin Diana zur Löwen (1 Million Instagram-Follower) empfiehlt seit Wochen, die eigenen Großeltern zu kontaktieren, um ihnen zu erklären, dass die Zukunft ihrer Enkel nur gesichert sei, wenn die Großeltern ihre Wahlstimme einer Klimaschutzpartei gäben. In einem Instagram-Posting erinnert sie daran, „mal wieder seine Großeltern anzurufen“. Sie selbst fordert dazu auf: „Opa, schenk mir deine Stimme!“

 

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In den Kommentaren kommt das Posting nicht gut an. Von „moralischer und emotionaler Erpressung“ ist die Rede und die Aktion wird als „undemokratisch“ bezeichnet. Eine junge Frau erinnert daran: „Warum sollte man den Älteren absprechen, mit ihrer eigenen Erfahrung und ihrer Intelligenz die ‚richtige‘ Partei zu wählen!?“

Ein anderer User verweist auf eine gefährliche Tendenz in den Briefen im Gesamten hin: „Die typische Hybris von Menschen, die mit den tagtäglichen Problemen nichts zu tun haben, die aus einer überheblichen, moralisierenden Position Dinge fordern, die sie selbst nicht erfüllen und obendrein ein Verständnis von gesellschaftlichem Zusammenhalt haben, das ganz harte Anklänge an Systeme hat, deren Gleichmacherei Deinem elitären Anspruch ganz schnell ein Ende setzen würde.“

Kindliche „Bauchredner“ für aktivistische Erwachsene

„Welt“-Ressortleiterin Zimmerer erkennt hinter der Aktion eine Denkweise im Zusammenhang mit „Bevormunden“ und findet das Ganze „plump antidemokratisch“. Sie verweist auf die Kernaussage, dass junge Menschen länger lebten und dadurch ihre Stimmen mehr wert sein sollten. Das klinge aber nicht super, so gehe man „über zur emotionalen Erpressung“.

„Naturkatastrophen, wie die Überschwemmungen in Westdeutschland, kommen immer häufiger und immer näher zu uns. An einigen Orten, auch in Deutschland, werden die Menschen in Zukunft nicht mehr leben können. Das macht mir wirklich große Sorgen“, heißt es beispielsweise in einem der Textbausteine.

Und sollten es die Grünen dann trotzdem nicht in die Regierung schaffen, hat Franziska Zimmerer schon eine Idee, wie die neuen und etwas deutlicheren „Enkelkinderbriefe“ in vier Jahren aussehen könnten: „Liebe Oma, du hast ja nicht mehr so lang. Lass mich entscheiden, was gut für uns ist, die wir noch ein bisschen länger auf dieser Erde bleiben. Ich habe deinen Rollator versteckt, damit du zur Vernunft kommst. Es ist eine erste Warnung. Ich werde dir dein Gebiss nehmen und deine Krücken. Du hast die Welt nur von deinen Enkeln geborgt.“

Die „Neue Züricher Zeitung“ findet übrigens, dass man die Website der Aktion zielgerichtet suchen kann und dann auch findet: „Sucht man jedoch nach einem toxischen Cocktail aus Sendungsbewusstsein, Apokalyptik und gefährlichem Halbwissen, landet man bei dieser Aktion“, bei der, so die NZZ, „Fridays For Future“ als Partner firmiere. Den „Sound“ kenne man von der „Endzeitbewegung Extinction Rebellion“ und der „Briefgenerator“ sei ein einziger „großer Angstverstärker“. Kinder und Jugendliche würden zum politischen Wahlhelfer instrumentalisiert. Die junge Generation werde von „aktivistischen Erwachsenen in Stellung gebracht“. Optimismus dürfe sie sich nicht leisten, auch nicht Realismus, nur die Angst, dass die Welt untergehe, wenn die Grünen nicht stark genug im nächsten Bundestag vertreten seien. Die Klimabewegung schwanke mittlerweile zwischen Paranoia und Panik auf dem Weg zur Religion.

Redakteur Alexander Kissler erinnerte in diesem Zusammenhang auch an die Oma-Umweltsau-Aktion des WDR vor eineinhalb Jahren, nach der Armin Laschet vor einem konstruierten Generationskonflikt im Namen des Klimaschutzes warnte, an dem die Gesellschaft zerbrechen könne. Maß und Mitte seien bereits verloren gegangen, so Laschet. Doch den Kanzlerkandidaten ereilte kürzlich eine ebensolche Inszenierung, wie NZZ-Kissler schreibt. Bei einem Treffen mit Kindern, die Fragen an den Kandidaten stellten, wurde deutlich, dass nicht die Kinder fragten, sondern die Kleinen als Bauchredner für die Erwachsenen herhalten mussten.

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