Olaf Scholz auf der Abschussliste: Finanzminister könnte erstes Opfer des SPD-Linksrucks werden

Die SPD strebt offenbar den geordneten Ausstieg aus der Großen Koalition an. Stetig neue Forderungen nach „Nachverhandlung“ der Koalitionsvereinbarungen sind ein Anzeichen dafür. Nun soll, so die „Bild“, auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz aus dem Amt gemobbt werden.
Von 3. Dezember 2019

Wenige Tage nach dem Mitgliederentscheid der SPD mehren sich die Anzeichen dafür, dass Olaf Scholz nicht nur kein Bundesvorsitzender wird, sondern auch zeitnah aus dem Amt des Bundesfinanzministers gedrängt werden soll. Die „Bild“-Zeitung berichtet, dass die Forderungen der im Mitgliederentscheid erfolgreichen designierten SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken, die „schwarze Null“ infrage zu stellen, bereits auf positive Resonanz in der Bundestagsfraktion stoßen.

Bundestags-Vizepräsident Thomas Oppermann erklärte am Montag (2.12.) gegenüber der Zeitung: „Die schwarze Null ist eine Schimäre, ein Thema für Ideologen. In der Realpolitik gilt: In guten Zeiten schwarze Null, in schlechten Zeiten voll dagegenhalten, auch mit kreditfinanzierten Investitionen. Das ist Keynesianismus pur!“

Vom Retter zum Buhmann

Keynesianismus ist in der SPD kein Schimpfwort, sondern wird traditionell als legitimer wirtschaftspolitischer Ansatz betrachtet. Auch in der derzeitigen Lage, denn das Land brauche, so Oppermann, „ein weiterhin hohes Investitionsniveau, das über die nächsten zehn Jahre konstant 45 bis 50 Mrd. Euro pro Jahr umfasst. Das würde Deutschland fit machen.“

Nicht dass Olaf Scholz diesem Ansatz grundsätzlich abgeneigt wäre. Dennoch hat er als Bundesfinanzminister deutlich gemacht, einer weiteren Neuverschuldung des Bundes seine Zustimmung zu versagen. Ein Infragestellen der „schwarzen Null“ wäre zudem für die Union eine rote Linie und hätte mit größter Wahrscheinlichkeit ein Ende des Regierungsbündnisses zur Folge. Genau das scheint eine Mehrheit innerhalb der SPD nun in Kauf zu nehmen – notfalls auch unter Opferung des eigenen Finanzministers.

Erst im Vorjahr hatte die SPD Olaf Scholz aus Hamburg, wo er seit 2011 unangefochten das Bürgermeisteramt innehatte, nach Berlin geholt. Nach dem Fiasko von Martin Schulz bei der Bundestagswahl 2017 sollte der als pragmatischer Realpolitiker geltende Hanseat die Partei stabilisieren und seine Führungsqualitäten von der Bundesregierung aus unter Beweis stellen. Perspektivisch, so dachten viele, würde er auch bereit sein, die SPD als Bundesvorsitzender zu übernehmen.

Linksruck begann schon nach Schröder-Abgang

Das war er am Ende auch – aber da wollte die Partei ihn schon nicht mehr. Mit nur 45,3 Prozent der Stimmen beim Mitgliederentscheid, an dem zudem nur 54 Prozent der Stimmberechtigten teilgenommen hatten, scheiterte er zusammen mit Klara Geywitz in der Stichwahl gegen das Linksaußen-Duo aus Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken.

Deren Erfolg scheint kein bloßes Zufallsprodukt zu sein. Er ist vielmehr der Endpunkt eines Linksrucks der Partei, der bereits in den Jahren nach dem Ende der Schröder-Ära seinen Ausgang nahm. Die SPD hatte den Arbeitsmarkt reformiert und auf diese Weise dazu beigetragen, dass Deutschland eine lange Wirtschaftskrise überwinden konnte.

Nutzen konnte sie daraus jedoch keinen ziehen. Die Aufsteiger, die auch dank der Hartz-Reformen aus der Arbeitslosigkeit fanden, identifizierten sich nicht mit der SPD, zumal Angela Merkel deren Inhalte übernahm und auf diese Weise die Hemmschwelle zum Wechsel senkte. Wer von den Hartz-Reformen jedoch nicht profitierte oder dieses Projekt als Verrat sozialdemokratischer Ideale an den „Neoliberalismus“ betrachtete, wandte sich der „Linken“ zu. Später verlor die SPD auch „klimabewegte“ Wähler an die Grünen und ob der Einwanderung besorgte Bürger an die AfD.

Ob ein Politiker wie Gerhard Schröder die Entwicklung verhindern hätte können oder sich einfach nur im richtigen Moment zurückzog, ist nicht zu klären. Olaf Scholz jedoch ist mittlerweile drauf und dran, den Altkanzler als obersten Buhmann der Parteilinken zu ersetzen. Vor allem Juso-Chef Kevin Kühnert ist er ein Dorn im Auge.

Innerparteiliche Dolchstoßlegende und Sarrazin als Fürsprecher

Gänzlich unbeteiligt an dieser Entwicklung ist er auch selbst nicht, wie die „Bild“ analysiert. Sein Wechsel nach Berlin hat nicht nur den weiteren Niedergang der Partei nicht aufhalten können. Zudem wird ihm vorgeworfen, Sigmar Gabriel, Martin Schulz und Andrea Nahles durch Intrigen aus ihren Ämtern befördert zu haben. Außenstehende mögen darin zwar eine Dolchstoßlegende erblicken, denn alle drei der Genannten hatten als Spitzenpolitiker schwere Wahlniederlagen für die SPD eingefahren. In der Binnenperspektive der Partei stellt sich die Erklärung dafür jedoch anders dar.

Zudem habe Scholz seinen Stab im Finanzministerium offenbar als Vorbereitung auf eine Kanzlerkandidatur deutlich ausgeweitet und er habe sich im Vorfeld des Mitgliederentscheids auch noch bitten lassen, das Amt zu übernehmen – immerhin hatte er im Juni diesbezüglich noch abgewunken.

Mittlerweile hat er kaum noch offene Unterstützer in der Partei – und wenn, dann solche, die ihm wenig helfen dürften. Einer davon ist der mittlerweile 76-jährige Ex-Sozialminister Walter Riester, der mit einem baldigen Rücktritt des Ministers rechnet: „Er müsste seine haushaltspolitischen Überzeugungen verraten – das kann er nicht.“

Der andere, den auch „Bild“ nennt, ist Thilo Sarrazin. Dieser nennt den Ausgang des Mitgliedervotums den „Einstieg in die Selbst-Abschaffung der SPD“.



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