Politisch korrekte Ansprache bei Berliner Polizei: Nicht nur „Südländer“ und „illegale Migranten“ tabu

Das Landeskriminalamt Berlin hat einen Empfehlungskatalog mit Begriffen herausgegeben, die Polizisten nach Möglichkeit nicht mehr benutzen sollen. Welche Worte müssen in Quarantäne? Welche dürfen den Mund verlassen, ohne von der Sprach- und Gesinnungspolizei abgestraft zu werden?
In der Silvesternacht wurden in mehreren deutschen Städten Polizisten und Feuerwehrleute im Einsatz angegriffen - besonders heftig fielen diese in Berlin aus.
Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei. Und zwar politisch korrekt! Einsatz von Polizisten und Feuerwehrleuten in Berlin an Silvester.Foto: Julius-Christian Schreiner/TNN/dpa
Von 23. Mai 2023

Ende 2022 hatte das Landeskriminalamt Berlin einen Empfehlungskatalog herausgegeben, mit Begriffen, die Polizisten nach Möglichkeit nicht mehr benutzen sollen. Die reichen über „Kopftuchträgerin“ und „Fremdenfeindlichkeit“ bis hin zu einer Anleitung der politisch korrekten Ansprache für jede mögliche Geschlechtsidentität, mit dem sich das Gegenüber identifiziert. Der Neuspeech-Katalog ist eine lange Liste korrigierter, politisch korrekter Begriffe inklusive Begründungen für die offizielle Ansprache im Dienst.

Der Begriff „Political Correctness“ wurde seit Anfang der 1990er-Jahre in den USA geprägt. Die akademische Kultur der „alten weißen Männer“ sollte abgelöst werden durch die sprachliche Einbeziehung der Perspektiven der Unterdrückten wie Frauen und Schwarze, um einen Kontrapunkt zu Rassismus, Kolonialismus und Sexismus zu setzen. Dem liegt die Idee zugrunde, dass aus der Änderung der Sprache ein gesellschaftliches Umdenken entstehen könnte. Seitdem hat die Political Correctness inklusive Sprach-Tabus ihren Streifzug durch die Welt gemacht: Von den Unis aus durch die Bildungseinrichtungen, dann durch die Institutionen bis in die Gesellschaft hinein. Auch in Deutschland.

Mittlerweile sind MohrenapothekeNegerkuss und Zigeunerschnitzel auf der No-go- beziehungsweise No-say-Liste gelandet. Doch damit ist es nicht getan, das zeigt das Beispiel der Berliner Polizei. Auch Begriffe wie „dunkelhäutig“, „Flüchtlinge“, „illegale Migranten“ sollen nicht mehr verwendet werden. Die Beamten werden in einem 29-seitigen Leitfaden angehalten, „besonders im Umgang mit vorurteilsbehafteten Themen“ eine Sprache zu wählen, „die nicht von der Mehrheitsbevölkerung vorgegeben wird, sondern von den Betroffenen selbst“.

Schwarz ist nicht schwarz und weiß ist nicht weiß

Auch die Begriffe „Weiß“ und „Weißsein“ sind jetzt tabu: Denn diese würden „ebenso wie Schwarzsein keine biologische Eigenschaft und keine reelle Hautfarbe, sondern eine politische und soziale Konstruktion“ bezeichnen. Mit Weißsein sei „die dominante und privilegierte Position innerhalb des Machtverhältnisses Rassismus gemeint“. Stattdessen soll die Berliner Polizei besser schreiben: heller Hauttyp, Phänotypus: westeuropäisch. Aber auch „Biodeutscher“ soll nicht verwendet werden, da hier die Problematik insbesondere in einer möglicherweise gewollten Zuordnung in ‚echte‘ und ‚nicht echte‘ Deutsche stecke. Die Alternative: „Deutsche/Deutscher ohne Migrationsgeschichte“.

Sprachgestolper durch die Fettnäpfe der politischen Correctness

Auch Schwarze sollen nicht mehr so genannt werden. Für alle „Menschen mit Migrationsgeschichte“, oft mit dunklerer Hautfarbe als „Deutsche ohne Migrationsgeschichte“, gibts gleich mehrere Sprachtipps. Vorab wird klargemacht, es gehe nicht um „biologische“ Eigenschaften, sondern gesellschaftspolitische Zugehörigkeiten.

Es handele sich nicht um die Beschreibung einer Hautfarbe, sondern um „eine politische Selbstbezeichnung für Menschen, die Rassismuserfahrungen machen“. Dafür steht das große “S“ bei Schwarze Person, jetzt zu benutzen statt schwarze Person. Als weiteres Erkennungsmerkmal kann die Formulierung mit hellerer oder mit dunklerer Hautfarbe ergänzt werden. Begriffe oder Zuschreibungen wie ‚Farbige‘ oder ‚Dunkelhäutige‘ oder gar ‚Schwarzer‘ hingegen sind aufgrund ihrer kolonialistischen und diskriminierenden Bedeutungen passé.

Südländisches Aussehen jetzt Phänotyp westasiatisch

Auch die Begriffe „Südländer“ und „südländisches Aussehen“ sind fortan zu vermeiden. Bei Personenbeschreibungen soll die Polizei künftig Formulierungen wie „dunklerer Hauttyp, Phänotypus: westasiatisch“ nutzen. Die Begründung hierfür: Geografisch sei der Begriff unspezifisch und verortet Menschen außerhalb von Deutschland, obwohl sie hier geboren und aufgewachsen sein können.

Es wird empfohlen, den Begriff „Rasse“ überhaupt nicht mehr zu verwenden. Stattdessen sollten Begriffe wie Herkunft oder Ethnizität gewählt werden. Sogar „Fremdenfeindlichkeit“ darf nicht mehr gesagt werden, Problem sei hier der Präfix „fremd“, damit würde man Opfern von rassistischen Straftaten, so sie etwa deutsche Schwarze seien, unnötig die Zugehörigkeit zu Deutschland absprechen.

Statt „illegale Migranten“ soll nun „irregulär eingereiste Personen“ gesagt werden. Auch die Formulierung „ausländische Mitbürger“ sei nicht mehr zu verwenden, besser sei „ausländischer Bürger“. Durch das Präfix „mit“ finde eine unnötige Unterscheidung statt, weil Menschen mit Migrationsgeschichte unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit nur ein eingeschränkter Bürgerstatus eingeräumt wird.

Wer bis jetzt noch dachte, die Formulierung „Menschen mit Migrationshintergrund“ ist doch schon recht korrekt, da von Menschen die Rede ist und in dem Zusammenhang Hintergrund zu sagen klingt wie eine neutrale Würdigung der Herkunftsgeschichte des Gegenübers – nein, das ist jetzt auch nicht mehr politisch korrekt. Das Wort „Hintergrund“ wird ausgetauscht durch „Geschichte“ in „Menschen mit Migrationsgeschichte“: Das soll die Wertschätzung der vielfältigen Biografien ausdrücken. „Menschen aus Einwandererfamilien“ geht in dem Zusammenhang auch.

Verbales Kopftuchverbot

Die Bezeichnung „Kopftuchträgerin“ ist fortan tabu, da Reduzierung auf ein äußeres Merkmal. Besonders problematisch wird auch das Wort „Flüchtling“ gesehen, denn dadurch würden Menschen auf einen Teil ihrer Biografie reduziert. Empfohlen werden Begriffe wie „geflüchtete Menschen“ oder „schutzsuchende Menschen“, um der negativen Besetzung von medialen Wortschöpfungen wie ‚Flüchtlingswelle‘, ‚Flüchtlingskrise‘ entgegenzuwirken.

„Asylbewerber“ sind künftig „asylsuchende Menschen“, denn politische Gruppen würden die Begriffe „Asylbewerberin/Asylbewerber“ und „Asylantin/Asylant“ in einem Kontext nutzen, wo diese „geflüchteten Menschen als Belastung oder Bedrohung“ dargestellt würden.

Behindernde Sprachvolten

Das klingt alles ziemlich den Redefluss behindernd, oder wie vielleicht manch ungehobelter, politisch Unkorrekter umgangssprachlich und sprachlich unsensibel sagen würde: behindert. Aber Stopp! Denn mit „Behinderter“ werde die Person auf ein Merkmal reduziert, das dann alle anderen Eigenschaften dominiert. Wichtig sei deshalb die Kombination mit dem Wort Mensch, also „behinderter Mensch“ oder „Mensch mit Behinderung oder Beeinträchtigung“. Und weil wir gleich dabei sind, sprachliche Abkürzungen wie „geistig behindert“ sind tabu, stattdessen bitte „Mensch mit Lernschwierigkeiten“, „psychisch beeinträchtigt “ statt „psychisch krank“ oder „psychisch gestört“.

Verbaler Geschlechterkampf: Extrawurst für jed:_*Innen

Zu höchster Sensibilitätsalarmstufe wird auch beim Thema Geschlecht, genauer gesagt geschlechtliche Identität aufgerufen: „Die fehlende oder falsche Ansprache, insbesondere für Betroffene/Opfer von Hasskriminalität im Kontext LSBTI, kann eine weitere Form der Diskriminierung darstellen“, sagt das LKA und empfiehlt Genderdoppelpunkt und „alle Geschlechter inkludierende Schreibweise mit Genderdoppelpunkt (z. B. Bürger:innen)“. Bei diversen Personen sei auf das Pronomen zu verzichten und „eine neutrale Ansprache zu wählen (z. B. ‚Guten Tag Max Mustermann‘).“

Bei männlich geborenen Personen, die wie Frauen empfinden (Transfrau) und weiblich geborenen Personen, die wie Männer empfinden (Transmann) wird geraten: „Im polizeilichen Kontext sollte dem jeweiligen Empfinden der Trans*person, unabhängig von dem im Ausweis angegebenen Geschlecht, durch die entsprechende Nutzung von Anrede und Pronomen Rechnung getragen werden (Transfrau = Frau, sie bzw. Transmann = Herr, er).“

Antirassistische Sprachpolizei: „Was ich nicht nenne, ist auch nicht da“

Während in den Medien die neuen Wortwahlregeln der Berliner Polizei kaum widerhallten, gab es nach der Vorstellung des Korrekt-Sprech-Kataloges von der Union heftige Kritik an „links-grünem Sprachkodex“, es wurde vor einer „Verschleierung der Realität“ gewarnt. Der Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries (CDU)
mahnte: „Es wird nichts besser, wenn man die Dinge nicht beim Namen nennt.“

Vor zehn Jahren erschien in der „taz“ ein Kommentar über antirassistische Sprache mit dem Titel „Es gibt keine Sprachpolizei“, mit der These, dass die Angst vor einer politisch korrekten Sprachlosigkeit übertrieben sei. Der Artikel nimmt Bezug auf einen anderen „taz“-Artikel „Infantile Sprachmagie“, in dem Autor Arno Frank fragte:

„Seit wann genau darf ich warum genau nicht mehr über die Genealogie, also die ‚Wurzeln‘ eines Menschen sprechen? Haben wir denn nicht alle welche? Was wäre damit gewonnen, sie zu leugnen?“ Sprache sei Unterscheidung zwischen rechts und links, gut und böse, Schwarz und Weiß. Jeder Versuch, die Differenz aus ihr zu verbannen, führe notwendigerweise in die Sprachlosigkeit. Nicht die Differenz sei der Feind. „Wer glaubt, durch die beflissene Behandlung symptomatischer Sprache ließe sich die Krankheit des Rassismus beheben, erliegt infantiler Sprachmagie. Was ich nicht nenne, ist auch nicht da.“

Wer nur die Symptome bekämpft, lässt die Krankheit fortschreiten.



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