SPD will neue Hilfen für strukturschwache Kommunen – Ungeklärt wo das Geld herkommt

Die Bundesregierung nimmt einen neuen Anlauf, um möglichst gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland zu erreichen. Aus Sicht der SPD ist klar: Die Postleitzahl darf nicht darüber entscheiden, wie leicht ein Arzt zu erreichen ist.
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«Wir müssen die Kommunen auch in strukturschwachen Regionen wieder handlungsfähig machen», fordert Thorsten Schäfer-Gümbel.Foto: Kay Nietfeld/dpa
Epoch Times10. Juli 2019

Die SPD will Kommunen in abgehängten Regionen mit einem neuen Fördersystem unterstützen.

Überall in Deutschland müssten die Menschen gleichermaßen die Chance auf Bildung, Kultur, Sport, bezahlbare Wohnungen, schnelles Internet und ärztliche Versorgung haben, sagte der kommissarische Parteichef Thorsten Schäfer-Gümbel der Deutschen Presse-Agentur.

„Die Kommunen müssen jedoch auch in der Lage sein, diese Leistungen zur Verfügung zu stellen. Das ist leider derzeit nicht überall der Fall“, betonte er mit Blick auf den Bericht der Bundesregierung zu gleichwertigen Lebensverhältnissen.

Kein großer Wurf aber gute Ansätze

„Wir müssen die Kommunen auch in strukturschwachen Regionen wieder handlungsfähig machen.“ Der Deutsche Städtetag sieht in den Vorschlägen der Bundesregierung zwar keinen großen Wurf, aber immerhin gute Ansätze.

Innenminister Horst Seehofer (CSU), Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) wollen die Ergebnisse der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ und den dazugehörigen „Deutschlandatlas“ heute in Berlin vorstellen – allerdings nur aus Sicht des Bundes.

Einen gemeinsamen Weg, wie man strukturschwachen Regionen helfen kann, haben Bund, Länder und Kommunen noch nicht gefunden. Auch wo das Geld herkommen soll, bleibt vielfach offen.

Mit den Ländern und Kommunen will die Bundesregierung im Herbst in einer weiteren Gesprächsrunde besprechen, welche Maßnahmen von den Handlungsempfehlungen des Bundes verwirklicht werden. Das Kabinett hatte die Kommission von Bund, Ländern und Kommunen im Juli 2018 eingesetzt.

Wo der Schuh drückt, ist schon lange bekannt: So kommt in manchen Dörfern nur zwei Mal pro Tag der Bus, der nächste Arzt ist viele Kilometer entfernt.

Ruhrgebiet ächzt unter Schuldenberg

Im Ruhrgebiet – aber nicht nur dort – ächzen Kommunen unter der Last ihrer alten Schuldenberge. Seehofer, der dafür im Innenministerium eigens eine Abteilung „Heimat“ gegründet hat, will die Misere beenden. Zum Beispiel durch die Ansiedlung von Bundesbehörden und Forschungsinstituten in „abgehängten“ Regionen.

„Das Konzept des Bundes wird sicher keine Wunder bewirken. Was jetzt auf dem Tisch liegt, kann aber strukturschwachen Kommunen helfen“, sagte Städtetagspräsident Burkhard Jung der dpa.

Dass sich der Bund prinzipiell bereiterklärt habe, an einer Lösung des Altschulden-Problems finanziell mitzuwirken, sei zumindest ein „Hoffnungsschimmer“.

Denn bei Kassenkrediten in Höhe von bundesweit 48 Milliarden Euro seien die verschuldeten Städte trotz aller Anstrengungen der betroffenen Länder nicht in der Lage, das Problem selbst in den Griff zu bekommen.

Schuldenübernahme keine Aufgabe des Bunds

Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) äußerte sich skeptisch hinsichtlich einer möglichen Übernahme der Altschulden der Kommunen. „Das ist nicht Aufgabe des Bundes“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Mittwoch).

Die Bundesländer müssten die Kommunen angemessen ausstatten und am „Steuerkuchen“ beteiligen. Eine Möglichkeit für den Bund wäre Frei zufolge, die Kommunen dort zu entlasten, wo sie selbst keinen Einfluss hätten, etwa bei den Kosten für Hartz IV.

Nach Ansicht der SPD muss sich ein neues Fördersystem generell „von der Stadt-Land- und Ost-West-Denke lösen“. Kriterium solle Strukturschwäche sein – dabei müsse allerdings auch in Zukunft der Osten profitieren.

Die Förderung könne verhindern, dass einzelne Regionen durch den demografischen Wandel praktisch aussterben. „Wir halten an dem Anspruch der gleichwertigen Lebensverhältnisse in Deutschland fest“, betonte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol.

Das Land ist weniger gut versorgt

Auf dem Land gehe es um zusätzliche Bus- und Bahnverbindungen und besseren Mobilfunk, in den Ballungsgebieten vor allem um bezahlbaren Wohnraum. Mobilität, mobiles Telefonieren und eine erreichbare Arztpraxis dürften nicht von der Postleitzahl abhängig sein.

Landwirtschaftsministerin Klöckner sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland, vor allem bei der Anbindung an schnelle Internet- oder Funkverbindungen sei das innerdeutsche Gefälle groß.

Beides gehöre jedoch zur Daseinsvorsorge wie der Wasser- oder Stromanschluss. „Dabei geht es nicht nur um den Anschluss jedes Haushalts – wir brauchen 5G über jedem Acker, jedem Wald und an jeder Milchkanne. Es darf kein Deutschland der zwei Geschwindigkeiten geben.“

Nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) ist die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse auch ein entscheidender Faktor zur Gewinnung von Fachkräften in den Regionen.

„Um ihre Mitarbeiter langfristig zu binden und neue Kollegen zu finden, sind die Firmen auf ein attraktives Umfeld angewiesen“, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer der „Saarbrücker Zeitung“ (Mittwoch).

„Priorität Ost

Thüringens CDU-Vorsitzender Mike Mohring forderte eine „Priorität Ost“ vor den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland im Herbst.

In der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ (Mittwoch) sprach er sich für eine stärkere Forschungsförderung zugunsten Ostdeutschlands aus. (dpa)

Überall in Deutschland müssten die Menschen gleichermaßen die Chance auf ärztliche Versorgung haben. Foto: Holger Hollemann

Auch für den Zugang zu schnellem Internet auf dem Land soll eine Lösung gefunden werden. Foto: Julian Stratenschulte

Städtetagspräsident Burkhard Jung. Foto: Caroline Seidel



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