„Da ist der Marcell – der grätscht, der rennt, der kämpft“

Marcell Jansen: „Ich hab meine Familie, meine Freunde und mein Selbstbewusstsein“
Titelbild
Marcell Jansen (links) beim Zweikampf mit dem portugiesischem Stürmerstar Cristiano Ronaldo beim Spiel um Platz drei der WM in Stuttgart.Foto: Nicolas Asfouri/AFP/Getty Images
Von 8. November 2006

Marcell Jansen, jüngster Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, geb. am 4. November 1985, gilt als herausragendes Talent auf der linken Seite. Zweikampf, Spielverständnis und taktische Disziplin gelten als seine Stärken. Mannschaften wie Arsenal London, Real Madrid und der FC Porto versuchten schon vergeblich den gebürtigen Mönchengladbacher zu verpflichten. Aber auch der HSV bot schon Summen in zweistelliger Millionenhöhe für den jüngsten Spieler im WM-Aufgebot.

Die Epoch Times sprach mit Marcell, der im Moment verletzt ist, über die WM, die Stimmung und vieles mehr:

Epoch Times: Marcell, du bist der jüngste Spieler der deutschen Nationalmannschaft bei dieser WM gewesen – wie wurdest du in der Mannschaft vor allem von den älteren Spielern aufgenommen?

Marcell Jansen: Es gab überhaupt keine Probleme, es waren ja auch schon viele andere jüngere da und die älteren waren total locker im Umgang mit uns. Durch den Umschwung unter Klinsmann kannten die das ja auch schon, dass öfter mal jüngere Spieler kommen. Alle sind total locker und sitzen genauso mit uns am Tisch und erzählen lustige Sachen – es macht total Spaß mit denen.

Epoch Times: Wie erklärst du dir den Erfolg der Nationalmannschaft?

Jansen: Es wurde eine super Mannschaft gefunden und geformt, und es ist eine gute Mischung aus jungen und erfahrenen Spielern. Vor allem aber haben auch alle einen guten Charakter. Das war sehr, sehr wichtig, und ich habe diesen Teamgeist von Anfang an auch gespürt – ich hab mich direkt gleich wohl gefühlt. Im Prinzip bin ich ja auch erst dazu gekommen als es schon am Wachsen war, als es schon gute Zeiten gab. Jetzt ist der Erfolg halt da, weil es mittlerweile eine eingespielte Mannschaft ist; es ist ein Kern da. Es ist fast wie in einer Vereinsmannschaft, die schon über Jahre zusammenspielt. Allerdings fand ich auch nie, dass das deutsche Team vorher so schlecht war, ich fand es war immer schon relativ erfolgreich, unter Völler 2002 war Deutschland ja schließlich auch im WM-Finale.

Epoch Times: Aber trotzdem scheint sich ja etwas verändert zu haben, denn es gab einen Aufschwung und eine bis dahin nicht gekannte Euphorie im ganzen Land.

Jansen: Ich denke, vor allem durch den Confedcup und durch die WM im eigenen Land hat sich das geändert. Außerdem wurden auch neue Wege erfolgreich beschritten, und wir wurden von allen Verantwortlichen gezielt und supergut vorbereitet. Und dann kam ja auch noch dazu, dass die Mannschaft ein gutes Turnier gespielt hat. Das alles hat letztendlich diese Euphorie entfacht und hält ja auch jetzt noch an.

Epoch Times: Hast du denn während der WM von der Stimmung draußen im Land überhaupt etwas mitbekommen? Ihr wart doch immer in den Hotels und habt euch auf das nächste Spiel vorbereiten müssen?

Jansen: Wir haben sehr viel mitbekommen, weil wir ja auch immer die schönen Bilder im Fernsehen gesehen haben. Es wurde ja auch immer gezeigt, wie die Stimmung im Land ist. Vor allem aber, wenn wir auf dem Weg zu den Spielen waren, egal wo wir hinkamen, egal wo wir gespielt haben: das war ja der blanke Wahnsinn … die Leute – das ganze Land war ja eine einzige Party … so was hab ich überhaupt noch nie gesehen … auch als in Stuttgart 15.000 Leute vor dem Hotel standen und gefeiert haben … Wahnsinn – und das ging bis 4 Uhr morgens … … und dann noch einmal in Berlin vor einer Million Menschen auf der Bühne stehen … Das war ein Super-Abschluss.

Die Mannschaft hatte sich auch dafür entschieden, nach dem Stuttgartspiel noch einmal nach Berlin zu fahren, um sich dort zu verabschieden. Es war gut, dass wir das dann doch noch gemacht haben. Es war noch einmal ein Riesenerlebnis und der krönende Abschluss für alle, da noch einmal aufzulaufen und sich für die super Unterstützung bei den Menschen zu bedanken.

Epoch Times: Ihr habt viel Lob gekriegt – macht das jetzt Druck?

Jansen: Das schönste am Druck ist, wenn man ihn sich selber macht. Auch wenn es gut läuft sich selber zu sagen „du willst aber wieder gut sein, du willst dich nicht damit zufrieden geben“. Für mich gehört aber auch dazu, dass ich mir das Negative oder Positive, was von außen ständig an mich herangetragen wird, nicht so sehr zu Herzen nehme. Ich kann mich zwar auch einmal für den Moment darüber freuen, wenn etwas positiv ist, aber ich weiß ja mittlerweile auch wie es ist, wenn es mal nicht mehr so läuft.

Deshalb ist es gut, immer so eine Mischung zu finden – das war ja auch so sensationell bei der Nationalmannschaft. Da haben wir dann auch oft darüber gesprochen und gesagt: „So, wir haben jetzt ein gutes Spiel gemacht und gewonnen, aber wir lassen uns jetzt hiervon nicht blenden.“ Wir haben dann auch nicht mehr großartig nachgelesen unter dem Motto: „Oh, hier bin ich gut erwähnt.“ Man kann wirklich erst nach einem erfolgreichen Turnier sagen: „Das und das war schön.“ Während eines Turniers sollte man versuchen sich nicht beeinflussen zu lassen, erst dann ist man auf dem richtigen Weg.

Epoch Times: Wie schaffst du es, dich nicht zu sehr von diesen äußeren Einflüssen lenken zu lassen?

Jansen: Das ist für mich überhaupt kein Problem. Ich hab meine Familie, meine Freunde und mein Selbstbewusstsein. Außerdem versuche ich ja sowieso immer alles zu geben. Dazu kommt, dass ich zu allen Menschen immer gleich bleibe, egal wer es ist. Ich bin immer nett und fair zu allen. Von daher mache ich mir da keine Gedanken, wenn mal etwas Negatives in der Zeitung steht – wenn ich immer zu allen nett bin und immer mein Bestes gebe, muss ich mir auch nichts vorwerfen lassen.

Epoch Times: Was ist von der WM am meisten in Erinnerung geblieben, was wirst du später mal deinen Enkeln erzählen?

Jansen: Die gesamte WM ist eine Erinnerung fürs Leben, gerade weil sie auch im eigenen Land war.
Ich bin wirklich sehr dankbar, dass ich sie miterleben konnte.

Epoch Times: Was denkst du, wenn Real Madrid, Arsenal oder der HSV um dich buhlen?

Jansen: Das ist für mich eine Bestätigung und eine Anerkennung, weil ich daran sehen kann, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Aber ich habe ja in Gladbach noch einen Vertrag und es ist ja auch nicht so, dass ich hier auf Biegen und Brechen weg will. Gladbach ist nun mal mein Traumverein. Natürlich muss man sehen, wie meine Entwicklung hier weitergeht und auch die weitere Entwicklung von Borussia. Aber auf jeden Fall sind solche Anfragen von diesen Clubs eine Riesenehre und freuen mich.

Epoch Times: Wäre Real Madrid ein Traumverein für dich?

Jansen: Für mich wäre es ein Traum, mit den besten Spielern der Welt zusammen zu spielen und dass ich später mal sagen kann: mit dem und dem hab ich zusammen gespielt. Noch schöner wäre es jedoch, wenn wir mit Gladbach eines Tages in die Champions League kommen würden und die besten Spieler kämen dann alle hierher … da brauch ich dann nicht wegzugehen. Aber die Frage ist doch, ob ich das überhaupt schaffe. Das hat ja auch alles mit meiner persönlichen Entwicklung zu tun; es kann gut laufen oder es kann nicht so gut laufen … ich kann nur hart an mir arbeiten.

Epoch Times: Was ist dir wichtig, was hast du für Werte?

Jansen: Ich bin sehr bodenständig, ich weiß wo ich herkomme, ich gönne jedem was und kenne keinen Neid. Für mich ist sowieso der Charakter eines Menschen wichtig. Natürlich verändert sich der Lebensstandard als Fußballprofi, aber ich bleib doch immer noch der gleiche Mensch.

Leider wird jetzt auch manchmal von einigen gesagt: „Jetzt hat er das und das; guck mal: Jetzt hat er auch noch das und jetzt hat er sogar noch ein Tattoo.“ Dann denke ich mir, was wollen die eigentlich von mir? Vorher war ich der Junge, der gerade aus der Jugendmannschaft kam „Ah, guck mal, da ist der Marcell – der grätscht, der rennt, der kämpft.“ Alles war super. Dann werd ich Nationalspieler und auf einmal kommen solche komischen Nebengeräusche.

Wenn es jetzt mal nicht so gut läuft sagen manche nicht: „Der hat heute schlecht gespielt oder im Moment läuft es gerade nicht – nee, da heißt es: „Jetzt wo der Nationalspieler ist, hat er’s nicht mehr nötig.“

Aber ich bin doch immer noch der Gleiche, ich sag doch immer noch zu allen Hallo, ich bin zu jedem nett und freundlich; ich renne und kämpfe genau wie vorher und dann werden mal eben solche Dinge von einigen Leuten in den Raum geworfen – da werd ich wirklich sauer, das ist das einzige was mich richtig sauer macht. Zum Glück aber weiß ich für mich: so schön oder so schlecht es auch läuft – ich bin immer noch der Gleiche geblieben. Manche haben vielleicht gehofft, dass ich irgendwie durchdreh – aber keine Chance bei mir. Dafür habe ich immer noch meine Eltern und den Rückhalt in meiner Familie. Mein Vater steht jeden Morgen um 4 Uhr und meine Mutter um 5 Uhr auf und dann gehen sie zur Arbeit. Das ist doch auch was ganz Normales und hat nichts damit zu tun, dass ihr Sohn jetzt Fußballprofi ist. Wir bleiben doch als Menschen gleich.

Aber mit solchen Nebengeräuschen muss ja nun leider jeder Profi fertig werden.

Epoch Times: Du wurdest einmal mit den Worten zitiert: „Ich brauche den ganzen Luxus nicht.“ Was wäre denn für dich Luxus?

Jansen: Gesundheit, die Gesundheit der Familie und gute und feste Freundschaften. Luxus ist aber auch, dass man mit dem was man macht gut durchs Leben kommt. Ich meine das jobmäßig, egal in welchem Bereich; den Luxus zu haben jeden Morgen aufzustehen und zu wissen, es läuft so wie man es sich erwünscht und erarbeitet hat. Für mich ist kein Luxus, wer weiß wie viele Millionen auf dem Konto zu haben und mir dann alles zu kaufen – das ist nur materiell, aber für mich in dem Sinne kein Luxus. Ich sehe Luxus anders als andere Menschen.

Vielen Dank für das Interview und gute Besserung, Marcell!

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