Logo Epoch Times
EU-Digitalstrategie im Realitätscheck

Europa im digitalen Rückwärtsgang: EU-Kommission warnt vor Abhängigkeiten

Trotz Fortschritten beim Ausbau schneller Internetverbindungen bleibt die Europäische Union bei zentralen Aspekten der Digitalisierung deutlich hinter den eigenen Ambitionen zurück. Das zeigt der neue „Digital Decade 2025 Report“ der EU-Kommission. Besonders kritisch ist die Lage bei Künstlicher Intelligenz, digitalen Kompetenzen und der Ausstattung kleiner und mittlerer Unternehmen.

top-article-image

In zahlreichen digitalen Segmenten hat die EU nach wie vor erheblichen Aufholbedarf.

Foto: Peter Steffen/dpa

author-image
Artikel teilen

Lesedauer: 5 Min.

Die EU-Kommission veröffentlichte am Montag, 16. Juni, ihren „Digital Decade 2025 Report“. Dieser befasst sich mit dem Stand der Zielerreichung im Bereich der digitalen Infrastruktur für die einzelnen Mitgliedstaaten. Ein wesentlicher Teil des Berichts besteht in der Zusammenfassung der Entwicklungen der Jahre 2023 und 2024 in den einzelnen Mitgliedstaaten.
Zufrieden zeigt man sich mit Blick auf die flächendeckende Versorgung mit schnellen Internetverbindungen. Im Bereich der Digitalisierung hinkt Europa jedoch noch in vielen Bereichen hinterher. Was digitale Kompetenzen anbelangt, herrscht ein erheblicher Mangel an Fachkräften. Vor allem aber bezüglich der Künstlichen Intelligenz ist die EU deutlich im Hintertreffen.

Dezentrale digitale Netzwerke bleiben ein Sorgenkind

Bei der digitalen Infrastruktur erreicht man dem Bericht zufolge eine 5G-Abdeckung von 89 Prozent. Das ist nur noch unwesentlich unter dem Ziel von 100 Prozent bis zum Jahr 2030. Bei den sogenannten Very High Capacity Networks hält man EU-weit immerhin 79 Prozent. Auch hier strebt man eine 100-prozentige Abdeckung an. Bei FTTP, der Glasfaser-Technologie bis in die Räumlichkeiten, weist der Bericht eine Zielerreichung von 64 Prozent aus.
Im Bereich von 3,4 Gigahertz bis 3,8 Gigahertz ist die 5G-Abdeckung immerhin noch bei 51 Prozent. Bei den Halbleitern strebt Brüssel an, bis 2030 über etwa 20 Prozent des weltweiten Produktionswerts zu verfügen. Diese Vorgabe habe man zu 55 Prozent erreicht.
Bei den sogenannten Edge Nodes ist die EU hingegen deutlich im Hintertreffen. Dabei handelt es sich um zentrale Komponenten innerhalb eines dezentralen Netzwerks. Diese dienen als Vermittler, um Daten näher an ihrer Quelle verarbeiten zu können. Brüssel peilt 10.000 dieser Komponenten bis Ende des Jahrzehnts an. Bislang hat man erst 11 Prozent davon zu seiner Verfügung – und bleibt entsprechend von externen Quellen abhängig.

EU hofft auf Zielerreichung bei 5G und Glasfaser

Bei der digitalen Transformation der Geschäftswelt zeigt Europa ebenfalls noch Schwächen. Das Ziel bis 2030 lautet, mindestens 90 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs) sollten zumindest über vier von zwölf ausgewählten digitalen Technologien verfügen. Derzeit sind es 64 Prozent.
Cloud-Technologien nutzen derzeit 52 Prozent der Unternehmen in der EU, auf Big-Data-Anwendung greifen 44 Prozent zurück. Im Bereich der KI sind es hingegen nur 11. In all diesen drei Segmenten strebt Brüssel eine Abdeckung von 75 Prozent an. An sogenannten Unicorn-Start-Ups soll es nach dem Willen der Kommission in der EU bis 2030 etwa 500 geben. Als Unicorns gelten Start-up-Unternehmen, die einen Wert von mindestens einer Milliarde US-Dollar erreichen. Derzeit seien es 263.
Als positiv bewertet Brüssel, dass die Abdeckung im Bereich 5G zwischen 2023 und 2024 um 5,6 Prozent und die mit Glasfaser-Internet um 8,1 Prozent gestiegen sei. Im leistungsstärkeren Frequenzband von 3,4 Gigahertz bis 3,8 Gigahertz sei sogar ein Ausbau um 33 Prozent gelungen. Lasse sich diese Dynamik aufrechterhalten, sei das Ziel der vollständigen 5G-Abdeckung voraussichtlich bis 2027 zu erreichen. Auch der Glasfaserausbau verlaufe planmäßig.

Digitale Stärke nicht immer deckungsgleich mit wirtschaftlicher Bedeutung

In den Bereichen Infrastruktur, digitale Kompetenz und Schlüsseltechnologien bleiben dennoch erhebliche Herausforderungen bestehen. Auch gibt es teils beträchtliche Unterschiede bezüglich der digitalen Infrastruktur und Digitalisierung zwischen den Mitgliedstaaten selbst.
Überraschenderweise ist das nicht zwingend eine Sache der wirtschaftlichen oder politischen Bedeutung insgesamt. Während in Österreich 27 Prozent der Unternehmen und in Deutschland immerhin 26 Prozent KI nutzen, sind es in Frankreich nur 13 Prozent. In Bulgarien sind es sogar nur 9 Prozent.
Demgegenüber liegt die FTTP-Abdeckung in Frankreich bei 88 Prozent – gegenüber 37 Prozent in Deutschland. Im Bereich e-Health ist Bulgarien mit 88 Prozent ein High Performer und bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung (DPS) sind sogar 94 Prozent der Zielvorgaben erreicht. In Deutschland sind es nur 79 Prozent. Rumänien gehört mit 4 Prozent KI-Nutzung, 63 Prozent digitale Verwaltung, 75 Prozent e-Health und 47 Prozent 5G-Abdeckung zu den Ländern mit dem größten Optimierungspotenzial.

Externe Abhängigkeiten als strategische Herausforderung für EU

Insgesamt setzen zwar zunehmend mehr Menschen auf Cloud, KI und Big Data. Allerdings ist der Fortschritt zu langsam, um die EU-Ziele bis 2030 zu erreichen. Zudem verfügen nur 55,6 Prozent der Europäer über grundlegende digitale Kompetenzen. Es mangele an Fachkräften im IT-Bereich, insbesondere mit Blick auf Cybersicherheit und KI. Außerdem sei der Gender-Gap in diesen Segmenten erheblich.
Die Abhängigkeit von externen Anbietern bleibt in vielen Bereichen ein strategisches Risiko – unter anderem bei der öffentlichen Verwaltung. Die Kommission fordert deshalb gezielte Investitionen, regulatorische Vereinfachungen und eine stärkere europäische Zusammenarbeit.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

Aktuelle Artikel des Autors

Kommentare

Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.