„Katastrophenveranstaltung“ – Frust im Aufsichtsrat über Lage bei der Bahn

Aufsichtsratsmitglied Hommel fasste die Lage so zusammen: "Wenn die Deutsche Bahn ein Autohersteller wäre, wären die Lenkräder hinten montiert und die Räder oben."
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Alexander Kirchner, Vorsitzender der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) : "Auch die Politik ist verantwortlich für den desolaten Zustand, den wir jetzt haben", sagte er. Sie habe es "über Jahre" versäumt, das notwendige Geld für die Modernisierung der Infrastruktur bereitzustellen. Foto:Foto: Christoph Soeder/dpa
Epoch Times23. Dezember 2018

Bei der Deutschen Bahn wächst die Unzufriedenheit über die Lage des Konzerns. „Das ist hier inzwischen eine einzige Katastrophenveranstaltung“, sagte Aufsichtsratsmitglied Klaus-Dieter Hommel der „Welt am Sonntag“. Aufsichtsratschef Michael Odenwald forderte schnelle Lösungsvorschläge vom Konzernvorstand. Laut der Gewerkschaft EVG sind viele Mitarbeiter frustriert und haben die Hoffnung auf Besserung aufgegeben.

Die Deutsche Bahn hatte zuletzt ihre selbst gesetzten Ziele bei der Pünktlichkeit klar verfehlt; Kunden klagen auch häufig über Probleme wie kaputte Toiletten oder geschlossene Bord-Restaurants. Bei der Infrastruktur und der Digitalisierung gibt es viel zu tun, dies ist allerdings auch sehr teuer.

Aufsichtsratsmitglied Hommel fasste die Lage so zusammen: „Wenn die Deutsche Bahn ein Autohersteller wäre, wären die Lenkräder hinten montiert und die Räder oben.“ Aufsichtsratschef Odenwald sagte der „Welt am Sonntag“, der Vorstand müsse „mit dem Eigentümer Bund einen gangbaren Weg erarbeiten und dem Aufsichtsrat in der Sitzung im März ein entsprechendes Konzept vorlegen“. Er erwarte, dass der Vorstand „nachvollziehbar erklärt, wie der finanzielle Mehrbedarf gedeckt werden soll“.

Der Kapitalbedarf der Bahn sei deutlich höher als die häufig genannten rund vier Milliarden Euro, berichtete die „WamS“.

Wenn die Maßnahmen zur Stärkung des Schienenverkehrs umgesetzt werden, die im Koalitionsvertrag stehen, dann müssen in den kommenden vier Jahren alles in allem acht bis zehn Milliarden Euro zusätzlich aufgebracht werden“,

zitierte die Zeitung ein nicht namentlich genanntes Aufsichtsratsmitglied. Niemand habe einen Plan, wer für diese Summe aufkommen solle.

Die Aufsichtsrätin und SPD-Politikerin Kerstin Lühmann wandte sich in diesem Zusammenhang gegen Überlegungen, die Bahn-Tochter Arriva zu veräußern, bei der die Aktivitäten im Personenverkehr im Ausland gebündelt sind.

Bei einem Verkauf Arrivas ist es fraglich, ob man dafür vor dem Hintergrund des Brexits einen akzeptablen Preis bekommt und ob man damit nicht einem massiv gestärkten Wettbewerber den Weg bereitet“, sagte Lühmann der „Welt am Sonntag.

Unterdessen ist die Stimmung in der Bahn-Belegschaft nach Gewerkschaftsangaben stark eingetrübt. „Die Lage ist katastrophal. Es herrscht Frust“, sagte der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), Alexander Kirchner, den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Nicht wenige denken: Es wird eh nicht besser. Viele Kollegen haben die Hoffnung verloren.“

Zur Lage bei der Bahn sagte Kirchner, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender ist, es fehlten Kapazitäten bei der Infrastruktur, bei den Zügen und beim Personal. „Das führt dazu, dass das System allmählich kippt.“ Genervten Kunden machte Kirchner keine Hoffnung auf schnelle Besserung: „Mit kurzfristigen Maßnahmen im nächsten Jahr wieder auf 80 Prozent Pünktlichkeit zu kommen, ist eine Illusion.“

Die Probleme haben sich nach Kirchners Darstellung über viele Jahre aufgebaut. Konzernchef Richard Lutz trage ebenso Verantwortung wie die übrigen Vorstandsmitglieder und die früheren Führungskräfte. „Auch die Politik ist verantwortlich für den desolaten Zustand, den wir jetzt haben“, sagte er. Sie habe es „über Jahre“ versäumt, das notwendige Geld für die Modernisierung der Infrastruktur bereitzustellen.  (asp)

 



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