Lateinamerika und die Karibik gehen eigene Wege

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Caracas am 02. Dezember 2011: Ein Journalist verlässt das Presse-Zentrum während der Tagung des Commonwealth der lateinamerikanischen und karibischen Staaten.Foto: Luis Acosta/AFP/Getty Images
Von 16. Januar 2012

Auch wenn die meisten Amerikaner noch nichts davon gehört haben, hat sich vor einigen Wochen ein historischer Schritt ereignet, der ihre Hemisphäre verändern wird. Eine neue Organisation wurde auf ihrer Erdhalbkugel gegründet. Jedes Anliegerland war eingeladen bis auf die USA und Kanada. Diese neue Organisation nennt sich Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (CELAC).

Es gab einen Grund für den Ausschluss der zwei reichsten Länder mit der weltgrößten Wirtschaftskraft. Es gab sogar mehrere Gründe, nur die meisten Medien erwähnten sie nicht. Die bereits existierende regionale Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) wurde zu oft durch das Außenministerium der Vereinigten Staaten und seinen Juniorpartner Kanada kontrolliert.

2009 wurde dem anderen Teil der Hemisphäre die Augen geöffnet; vor allem den Regierungen, die glaubten, dass Präsident Obama mit Traditionen brechen und die Demokratie des Kontinents unterstützen würde. Die demokratische Regierung Honduras wurde im Juni letzten Jahres durch einen Militärputsch gestürzt. Obwohl die Rolle der USA in diesem Putsch unklar ist, gibt es aber keinen Zweifel daran, dass Washington der Opposition beim Umsturz und seiner Etablierung geholfen hat. Die Obama-Regierung blockierte sogar die OAS, gegen die oppositionelle Regierung aktiv zu werden.

Die OAS wurde letztes Jahr ebenfalls von Washington benutzt, um die erste Runde der Präsidentschaftswahlen auf Haiti zu kippen. Ein OAS-Expertenausschuss änderte die Ergebnisse, ohne nachzuzählen oder statistische Berechnungen zu Rate zu ziehen; die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten haben Haitis Regierung so lange eingeschüchtert, bis diese das Ergebnis akzeptierte. Das war eine Fortsetzung der von den USA der OAS zugedachten Rolle, nachdem sie bereits im Jahr 2000 Haitis Wahlen entlegitimierte; das wiederum spielte eine entscheidende Rolle in dem von den USA organisierten Umsturz der demokratischen Regierung im Jahr 2004.

Vor diesem Hintergrund kann man der OAS im Hinblick auf die Belange der Demokratie oder der Aufsicht von Wahlen auf diesem Kontinent nicht vertrauen. Aber es gibt noch viel mehr Gründe, eine neue Organisation für diese Region zu etablieren. In den vergangenen 15 Jahren gab es einen „Lateinamerikanischen Frühling“ mit demokratischen Mitte-Links-Partei-Regierungen, die gewählt wurden, zum Beispiel in Ländern wie Brasilien, Argentinien, Bolivien, Ecuador, Venezuela, Paraguay, Uruguay und anderen Staaten. Es gibt kein Indiz, dass der Wandel in den Wahlurnen einen wirtschaftlichen Aufschwung erreicht hat noch historische Durchbrüche bei der Armutsbekämpfung erzielte oder zu einer Verbesserung des Bildungs- und Gesundheitssystems führte und die Frage der ungleichen Einkommensverteilung löste.

Und es ist kein Zufall, dass Lateinamerika die schlimmsten langfristigen Wachstumseinbußen während der Ära des Washington-Konsensus von 1980 – 2000 erlitt, als die Wirtschaftsregeln der Region sehr stark durch Institutionen beeinflusst wurden, die aus Washington stammten wie dem Internationale Währungsfond. Tatsache ist, dass der Lateinamerikanische Frühling hauptsächlich durch wirtschaftliche Fehlentscheidungen und dem Wunsch nach Alternativen ausgelöst wurde.

Die neue CELAC reflektiert diese neue Realität – Lateinamerika ist von den USA politisch unabhängiger geworden; viele Veränderungen der Wirtschaftspolitik sind ein Ergebnis davon und diese Veränderungen haben einen höheren Lebensstandard geschaffen. CELAC wird damit fortfahren, auf diese positiven Veränderungen hinzuarbeiten, einschließlich der Integration regionaler Wirtschaft, der Koordination der Außenpolitik und Konfliktlösungen. Auch wenn es Zeit braucht, wird die CELAC irgendwann die OAS ersetzen, die für Lateinamerika zunehmend irrelevant wird – wie der durch Washington stark kontrollierte IWF, der vor fünfzehn Jahren noch einen enormen Einfluss in Lateinamerika hatte und für die meisten Regionen dort nun unwichtig geworden ist.

Amerika sollte diese Veränderungen durch die Unabhängigkeitsbewegung positiv bewerten und das Jammern der Experten über den sogenannten „Antiamerikanismus“ ignorieren. Wir haben sehr viel mehr von einem unabhängigen und blühendem Lateinamerika und dabei nichts zu verlieren.

Mark Weisbrot ist Kodirektor des Zentrums für Wirtschaft und Politikwissenschaften in Washington, D.C. Außerdem ist er Vorsitzender der Just Foreign Policy.



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