BGH stärkt Mieterrechte bei extrem hohen Strom- und Nebenkostenabrechnungen

Mieter müssen im Streit mit Energieversorgern deutlich überhöhte Abrechnungen nicht bezahlen, wenn die "ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers" des Energieanbieters besteht. Das entschied heute der Bundesgerichtshof.
Titelbild
Ein Stromzähler zeigt in einem Mietshaus die verbrauchten Kilowattstunden an.Foto: Jan Woitas/dpa
Epoch Times7. Februar 2018

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Mieterrechte bei extrem hohen Strom- oder Nebenkostenabrechnungen gestärkt. Demnach müssen Mieter im Streit mit Energieversorgern deutlich überhöhte Abrechnungen nicht bezahlen, wenn die „ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers“ des Energieanbieters besteht, entschied das Gericht in einem am Mittwoch verkündeten Urteil.

Bei Nachzahlungsforderungen im üblichen Rahmen von einigen hundert Euro müssen Verbraucher aber weiterhin zunächst zahlen und können dann ein Rückforderungsverfahren anstrengen. (Az. VIII ZR 148/17 und VIII ZR 189/17)

Senioren sollten 9.000 Euro an Strom nachzahlen

Im Ausgangsfall forderte der Oldenburger Stromanbieter EWE von einem Rentnerpaar über 9.000 Euro an Stromnachzahlungen, weil es innerhalb eines Jahres um über 1.000 Prozent mehr Strom verbraucht haben sollte als im Jahr zuvor.

Der BGH bestätigte nun die Abweisung der EWE-Klage: Der bescheidene Lebenszuschnitt der Senioren spreche nicht für solch einen Stromverbrauch. Weil damit die „ernsthafte Möglichkeit eines offensichtlichen Fehlers“ des Stromanbieters bestehe, hätte dieser beweisen müssen, dass die Senioren tatsächlich so viel Energie verbraucht hatten.

Der BGH betonte zugleich, dass diese Regelung im Stromversorgungsgesetz nur auf extreme Fälle bezogen werden dürfe. Bei Nachforderungen in Höhe von ein- bis zweihundert Euro, wie sie die Regel seien, müssten die Verbraucher diese Rechnungen wegen ansonsten drohender „Liquiditätsengpässe“ beim Stromversorger zunächst bezahlen. Bei einem Rückforderungsprozess liege die Beweislast dann beim Kunden.

Mieter sollten 5.000 Euro an Heizkosten für zwei Jahre nachzahlen

Im zweiten Fall sollten Mieter einer Drei-Zimmerwohnung mehr als 5.000 Euro an Heizkosten für zwei Jahre nachzahlen. Die Fläche ihrer Wohnung in dem Mehrfamilienhaus entsprach zwar nur etwa zwölf Prozent der Gesamtwohnfläche, gleichwohl sollten sie über 40 Prozent der gesamten Heizkosten zahlen.

Obwohl der klagende Vermieter den Mietern dann die Einsicht in die Nebenkostenabrechnung verweigerte, bekam er vom Landgericht Darmstadt zunächst Recht.

Vermieter dürfen Einsicht in Abrechnungen nicht verweigern

Der BGH hob diese Entscheidung auf und sparte nicht mit heftiger Kritik an den hessischen Richtern. Deren Urteil habe sie „sprachlos gemacht“, sagte die Vorsitzende Karin Milger.

Der größte Rechtsfehler: Der klagende Vermieter hätte seine Forderungen beweisen müssen. Weil er das in der Vorinstanz nicht getan habe, hätte das Landgericht dessen Klage abweisen müssen.

Zudem hätte der Vermieter die Einsicht in die Abrechnungen nicht verweigern dürfen. Vermieter hätten grundsätzlich ein umfassendes Einsichtsrecht in Nebenkostenabrechnungen. (afp)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion