Bundesregierung will verurteilte Homosexuelle rehabilitieren

Die Bundesregierung plant, homosexuelle Männer, die in der Nachkriegszeit wegen ihrer Homosexualität verurteilt wurden, zu entschädigen. Dafür sollen 30 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Die Grünen beurteilen den Entwurf der Regierung als unzureichend.
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Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP/Getty Images
Epoch Times21. Oktober 2016

Nach langen Debatten sollen die in der Nachkriegszeit verurteilten homosexuellen Männer rehabilitiert werden. Ein der Nachrichtenagentur AFP vorliegender Gesetzentwurf sieht die Aufhebung der strafrechtlichen Urteile vor, die in der Bundesrepublik und der DDR in den Nachkriegsjahrzehnten ergangen waren. Der Referentenentwurf aus dem Justizministerium wurde am Freitag den anderen zuständigen Ressorts übermittelt. Bei den Grünen wurde die Vorlage als unzureichend kritisiert.

Wann sich Bundeskabinett und Bundestag mit dem Entwurf befassen werden, ist noch offen. Der Entwurf sieht eine Entschädigung von insgesamt 30 Millionen Euro vor, wobei von einer Höchstzahl von 5.000 Betroffenen und einer Laufzeit von fünf Jahren ausgegangen wird.

Mit der Aufhebung der Richtersprüche solle den einst Verurteilten der „Strafmakel“ genommen werden, heißt es in dem Entwurf. Das strafrechtliche Verbot einvernehmlicher homosexueller Handlungen sei „nach heutigem Verständnis in besonderem Maße grundrechtswidrig“.

5.000 oder 50.000 Betroffene?

Der Grünen-Abgeordnete Volker Beck sagte der Nachrichtenagentur AFP, er begrüße es zwar, „dass es nun endlich bei der Rehabilitierung und Entschädigung verfolgter Homosexueller vorangeht“. Unrecht dürfe keinen Bestand haben. Bei der Entschädigung springe Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) aber zu kurz, wenn er allein auf Haftentschädigung abstelle. „Schon die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens konnte die Vernichtung der bürgerlichen Existenz und den Verlust des Arbeitsplatzes zur Folge haben.“

Deshalb müssten auch Berufs- und Rentenschäden Berücksichtigung finden, forderte Beck. Es fehle zudem eine kollektive Wiedergutmachung. „Der Paragraf hat mir und vielen meiner Generation auch ein Stück der Jugend geraubt.“

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders, nannte das geplante Gesetz „wichtig und längst überfällig“. Lüders appellierte an die Abgeordneten des Bundestages, rasch die Rehabilitierung der Opfer auf den Weg zu bringen. Viele seien hochbetagt und warteten dringend darauf, dass der Staat sich zu seinen Grundrechtsverstößen bekennt.

„Mehr als 50.000 Männer sind durch Verfolgung und Verurteilung im Kernbestand ihrer Menschenwürde verletzt worden. Viel zu lange mussten sie es ertragen, dass die Urteile gegen sie nicht aufgehoben wurden“, sagte Lüders.

1994 wurde der umstrittene Paragraf 175 abgeschafft

Homosexuelle Handlungen waren bei der Gründung des Deutschen Kaiserreichs 1871 mit dem Paragrafen 175 unter Strafe gestellt worden. In der NS-Zeit wurden die Vorschriften noch einmal verschärft. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bestand der Paragraf in beiden deutschen Staaten fort.

In der DDR wurde das Gesetz 1968 abgeschafft. Dort galt fortan bis Ende der achtziger Jahre ein Strafgesetz, das homosexuelle Handlungen mit männlichen und weiblichen Jugendlichen unter Strafe stellte. 1969 entschärfte die Bundesrepublik den Paragrafen 175. Seither standen nur noch homosexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter Strafe.

1994, nach der Wiedervereinigung, wurde der Paragraf 175 endgültig abgeschafft. In der NS-Zeit ergangene Urteile gegen Homosexuelle wurden 2002 aufgehoben, Urteile aus der Zeit danach jedoch nicht. (AFP)



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