Einwohnerzahlen kleingerechnet um Geld zu sparen: Volkszählung 2011 auf dem Prüfstand der Verfassungshüter

Tausende Gemeinden in Deutschland werfen der Bundesregierung vor, bei der Volkszählung 2011 die Einwohnerzahlen kleingerechnet zu haben, um ihnen damit Milliarden Euro vorzuenthalten.
Titelbild
Die Bundesregierung hat den Gemeinden offenbar Geld vorenthalten.Foto: Deutsche Bundesbank/dpa
Epoch Times20. Oktober 2017

„Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“, lautet ein Bonmot, das auch Politiker in Berlin, Hamburg und über tausend weiteren Gemeinden gut kennen: Sie werfen der Bundesregierung in ihren am Dienstag vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelten Klagen vor, bei der Volkszählung 2011 – dem sogenannten Zensus – die Einwohnerzahlen ihrer Gemeinden kleingerechnet und ihnen dadurch beim Länder- sowie Kommunalausgleich Milliarden Euro vorzuenthalten.

Anlass der Klage ist eine Änderung des Zählverfahrens der deutschen Bevölkerung: Im Unterschied zu früheren Volkszählungen sieht das Zensusgesetz 2011 vor, dass die Ermittlung der Einwohnerzahlen nicht mehr auf einer Befragung aller Einwohner, sondern im Kern auf einer Auswertung der Melde- und anderer Verwaltungsregister beruht.

Bei dieser ersten Erhebung der Bevölkerung nach der Wiedervereinigung wurden zwar alle Gebäude, aber nur eine Stichprobe von knapp zehn Prozent der Haushalte erfasst. Zur Berechnung der Einwohnerzahlen wurden dann ergänzend die Melderegister herangezogen.

Berlin und Hamburg machen in ihren Klagen geltend, dass durch diese statistische Berechnung große Städte geschrumpft seien – Berlin gegenüber früheren Volkszählungen um rund 180.000 und Hamburg um gut 82.000 Einwohner. Allein für Berlin führte die Korrektur nach unten zu einer Verringerung von Zuteilungen aus dem Länderfinanzausgleich um etwa 470 Millionen Euro pro Jahr, das heißt 4,7 Milliarden Euro für den Zeitraum 2011 bis zum nächsten Zensus im Jahr 2021.

Das Gericht wird deshalb am Dienstag unter anderem prüfen, ob die Regelung der Haushaltsstichprobe präzise genug ist und ob „fachstatistische Grundlagen des Stichprobenverfahrens“ genau genug ermittelt wurden. Die Verhandlung ist aber nicht nur ein Schmankerl für Bevölkerungsmathematiker oder ein drohender Alptraum für den künftigen Bundesfinanzminister.

Womöglich falsch berechnete Einwohnerzahlen wirken sich Karlsruhe zufolge auch auf die Einteilung der Bundestagswahlkreise oder die Anzahl der Stimmen im Bundesrat aus. Wahlkreise vor allem in Stadtstaaten und größeren Städten müssten eventuell neu zugeschnitten werden – möglicherweise zur Freude von SPD und Grünen, die dort häufig stärker vertreten sind als auf dem flachen Land. (afp)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion