„Toter“ als durch jede Harpune: Risiko Biosonare

Eine ernsthafte Bedrohung für das Überleben der Delfine
Titelbild
Massentod - Ein Mann steht inmitten von Kadavern unzähliger Flaschennasen-Delfine an Zanzibars Küste am 28. April 2006 Foto : Stringer/AFP/GETTY IMAGES
Von 17. Juli 2006

Freitag, der 28. April war ein dunkler Tag an Zanzibars Küste. 400 Delfine wurden innerhalb kurzer Zeit angeschwemmt. Aber was verursachte dieses massenhafte Stranden? Und warum schwammen diese Delfine, die normalerweise in Tiefseegewässern im Indischen Ozean leben und in Zanzibar kaum zu sehen sind, in seichte Gewässer um zu sterben?

Nachdem Wissenschaftler eine Vergiftung ausschließen konnten und mit der Nekropsie (Autopsie bei Tieren) zwecks Aufklärung der Ursache des ökologischen Desasters begannen, tauchten Gerüchte über Seeübungen der US-Marine auf. Gibt es also eine Verbindung zwischen den gestrandeten Delfinen und der US-Marine?

Der Sommer 1987

Um das Stranden von Walen und Delfinen in der letzten Hälfte des Jahrhunderts besser verstehen zu können, geht man am besten zurück zu dem bekannten Vorfall an der Atlantikküste 1987, als dort mehr als 750 Delfine verendeten. Das Ganze zog sich über mehrere Monate hin. Immer wieder wurden einzelne Delfine wie Strandgut angespült und überschatteten die Wanderroute der Großen Tümmler, wie die Tiere mit der „Flaschennase“ genannt werden. Diese folgen dem warmen Golfstrom ab Juli in Richtung Norden. So wurde damals von ersten toten Säugern aus New Jersey berichtet. Die letzten wurden in September in North Carolina und Florida gesichtet.

Einhergehend mit der Nekropsie, die keine Aussagen zur Todesursache der Delfine liefern konnte, zirkulierten einige Theorien wie übermäßiges Algenblühen oder Meeresverschmutzung durch den Menschen. Letztere Vermutung wurde durch die Verseuchung der Küsten New Yorks und New Jerseys mit Medikamentenrückständen im folgenden Jahr noch erhärtet. Trotzdem blieben die Theorien nichts weiter als Vermutungen und Medienspekulationen. Als der Sommerspaß an die Atlantikstrände zurückkehrte und keine weiteren toten Tiere mehr gesichtet wurden, fand die Berichterstattung über die mysteriöse Todesursache von 1987 dann auch ein Ende.

Mitte der 90er Jahre identifizierten Wissenschaftler das Morbillivirus als den Übeltäter bei den Epidemien: „Das Morbillivirus ist ein relativ neues Virus, das das Immunsystem attackiert. Hat es einmal geschafft, in das Immunsystem einzudringen, setzt es sich in der Lymphe und im Atmungstrakt ab.“ (Aus: „Biology of Marine Mammals“ (MSCI 375) November 2, 1998, by Kellie Lewis, Connie Driggers and Michelle Rothenberg.)

Dieses „neue Virus” ist ein Verwandter des Masernvirus beim Menschen und der Staupe bei Hund und Schweinswal. Es wurde auch mit dem Stranden von Delfinen im Mittelmeer und an der spanischen Küste Anfang der 90er Jahre und im letzten Jahr in den Florida-Keys, als über hundert Delfine in dem seichten Wasser auf Grund liefen, in Verbindung gebracht. Aber bei jedem großen Stranden, dem das Morbillivirus zugeordnet wurde, reihten sich die Kadaver der Tiere über Hunderte von Meilen Küstenlinie. Das Spektakel dauerte mehre Tage, ja sogar Wochen an.

Delfin-Stranden von Zanzibar keine Epidemie

Ganz ähnlich der damaligen Beulenpest in Europa, als innerhalb von Tagen und Wochen jeder eines Dorfes oder einer Stadt, der sich infizierte, starb, als die Krankheit sich epidemieartig ausbreitete. Aber das Massenstranden in Zanzibar dieses Frühjahr passierte in einer einzigen Stoßwelle – 400 Delfine liefen innerhalb eines Tages und auf einer Strecke von gerade mal 2,5 Meilen auf Grund auf. Auch wenn die Biologen Lungen-, Blut- und Gewebeproben auf das Morbillivirus und andere Toxine als mögliche Todesquelle testeten, die Umweltforscher haben anderswo nachzuforschen.

„Sound Wave“ wie ein Tsunami

Das Ereignis auf Zanzibar wurde von keiner Epidemie verursacht. Seine Pathologie gleicht mehr der durch einen Tsunami, oder präziser einer Schallwelle verursachten Verletzung, die von Menschen erzeugt wurde.

Der Hergang der Übungen der US-Marine in unmittelbarer Nähe des Strandens auf Zanzibar ist zu untersuchen. Über Jahre schon ist die Marine der Hauptverursacher von Schallimmissionen in den Ozeanen. Ihr Sonar-System, bestehend aus SURTASS (Surveillance Towed Array Sensor System) und LFA (Low-Frequency Active sonar program) wurde schon mit dem Stranden der Wale auf den Bahamas im Jahre 2000 und Delfinen an weiteren Orten in Zusammenhang gebracht.

Mehrere wissenschaftliche Studien haben die Gefährlichkeit der Sonarforschung der Marine für die Delfine belegt. Der Ausgangsschallpegel des LFA von etwas über 200 Dezibel kann sich über hunderte von Meilen im Wasser fortbewegen, ohne an Druck einzubüßen. Und das genau in jenen Tiefen, in denen die Migration der Wale stattfindet und sie mit ihrem eigenen Niedrigfrequenzsonar über den ganzen Ozean hinweg kommunizieren. Wie ein direkter Angriff auf eine Delfinschule oder Herden von Meeressäugetieren, die oftmals zu weit von der Küste entfernt sind, um zu entkommen, stehen ihre Körper dann unter Beschuss ähnlich dem Ultraschall. Aber anstatt Nierensteine zu knacken, verursachen die LFA-Sonare Embolien im Gewebe und den Organen von Delfinen, was zu deren Tod führt.

Zudem stören die Schalltests die Wanderwege, das Aufzucht- und Fütterungsgeschehen und verursachen bei den Tieren Taubheit, die zum Verlust des Orientierungssinns führen. Welches sind also die wirklichen Zahlen von toten Delfinen und Walen, wenn man alle jene hinzurechnet, die es nicht mehr geschafft haben, an Land zu schwimmen, um dort zu sterben?

Freund oder Feind?

Als ich von dem Stranden auf Zanzibar hörte, verursachten zwei Punkte Trauer in meinem Herzen: Der erste ist durchsetzt mit Ironie. Die USA waren die erste Nation, die Delfine einfingen, trainierten und als Teil ihres marinen Meeressäugerprogramms einsetzten. Seit 1960 hat die Navy Delfine zum Schutz gegen Feinde und zur Lokalisierung und Markierung von Unterwasserminen gebraucht. Sie waren in Vietnam im Einsatz, assistierten der Spezialeinheit Navy SEALs beim Abriss iranischer Bohrinseln 1986 und erst jetzt wieder 2003 im Irakkrieg beim Abräumen von Mienen im Ölhafen von Basra.

Auf ihrem Höhepunkt 1980 hatte die Marine 120 trainierte Delfine. Heute sind 70 Delfine in San Diego stationiert. Als Wissenschaftler der Marine sich daran machten, deren einzigartiges Echo-Ortungs-Sonar nachzuahmen, zu analysieren und nutzbar zu machen, hatten sie die vollste Aufmerksamkeit der Medien und „behind the scenes“ zur Gesundheitserhaltung der biologischen Systeme für die Delfine – mit den Worten der Navy gesprochen. Dazu hätte es die Marine aber nötig, zukünftig bessere Stewards der Meere zu werden.

Marine von Meeresschutzgesetz ausgenommen

Zweiter Anlass zu meiner Traurigkeit ist das Wissen, dass dies alles vermieden werden könnte. Präsident Bush nahm die Marine vom Gesetz zum Schutze der Meeressäuger aus, was ihr erlaubt, das SURTASS LFA-Programm zu testen und zu modifizieren, sogar dann, wenn es das Meeresleben in einem schon erschöpften und ungeschützten Meer gefährdet.

Zusätzlich zu den laufenden Schallimmissionen befinden sich die Delfine und Wale durch das immer wieder aufflackernde Morbillivirus und den Einfluss der globalen Erwärmung im härtesten Kampf ums Überleben seit der Glanzperiode von Moby Dick. Und das ohne eine einzige Harpune schwingen zu müssen.

James Ottar Grundvig lebt und arbeitet in New York. In seiner Freizeit schwimmt er mit Delfinen auf den Bahamas, in Mexico, Hawaii und anderen Strandorten.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion