Prof. Fritz Vahrenholt: Unerwünschte Wahrheiten der Klima- und Energiepolitik

Beim „menschengemachten“ Klimawandel, werden nicht nur natürliche Faktoren wie Sonne, Ozeane und Pflanzen oft ausgeblendet, sondern auch die maximalen Emissionen überschätzt. Stattdessen schreibt die Politik im Reich der Klima-Märchen vor, wer wann wie viel CO₂ ausstoßen darf. Bevor wir die vom IPCC prognostizierten Werte erreichen, gehen uns jedoch Kohle, Öl und Gas aus. Eine zahlenreiche Analyse des früheren Umweltsenators von Hamburg.
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Kühlturm eines Kernkraftwerkes.Foto: iStock
Von 6. November 2021

Der jüngste Klimabericht des Weltklimarats IPCC vom August 2021 hat die energiepolitische Debatte in Deutschland im Wahlkampf 2021 maßgeblich beeinflusst. Viele der Feststellungen des IPCC sind unbestritten: Es ist seit 1860 um 1,1 Grad wärmer geworden, CO₂ ist ein atmosphärisches Spurengas, das zur Erwärmung beiträgt und die erreichte Konzentration von 0,04 Prozent in der Luft ist vom Menschen verursacht.

Betrachtet man die Berichterstattung der Medien über die Ergebnisse, so ergeben sich eine Reihe von Fragestellungen. Ist die jüngste Erwärmung wirklich einzigartig in der Menschheitsgeschichte? Warum verschwindet die mittelalterliche Warmzeit im IPCC-Bericht, die in vielen wissenschaftlichen Untersuchungen ebenso warm wie heute war? Ist die Erwärmung wirklich zu 100 Prozent vom Menschen gemacht? Warum macht man uns Angst mit irrealen Szenarien von einer Erwärmung von bis zu 5 Grad Celsius? Wieso soll CO₂, das von Ozeanen und Pflanzen verhältnismäßig gut aufgenommen wird, Zehntausende von Jahren in der Luft verbleiben?

Die Mittelalterliche Warmzeit

Die Mittelalterliche Warmzeit ist in der Literatur gut beschrieben. Der Paläontologe Ulf Büntgen beispielsweise hat die Temperaturentwicklung der letzten 2.000 Jahre aus Baumringveränderungen rekonstruiert.

Temperaturentwicklung der letzten 2.000 Jahre nach Baumringanalysen. Foto: Prof. Dr. Fritz Vahrenholt

Man sieht Warmzeiten in Grün, in denen es in Europa ebenso warm war wie heute. Überraschenderweise hat der IPCC in seinem jüngsten Bericht von 2021 die mittelalterliche Wärmeperiode von 900 bis 1200 aus dem Klimabericht und somit aus dem Klimagedächtnis der Menschheit gestrichen. Die erste Grafik des Berichts gibt den Temperaturverlauf der letzten 2.000 Jahre wieder. Vom Jahre 1 an zeigt die Kurve einen ständig leicht abfallenden Trend bis 1850, um dann die Temperatur bis heute stark ansteigen zu lassen.

Laut IPCC gab es seit 2.000 Jahren keine Warmphasen.

Rekonstruierter Temperaturverlauf der letzten 2.000 Jahre. Foto: Bildschirmfoto / IPCC-Bericht, Seite 8 (SPM-7)

Ein neuer Hockeystick ist erschaffen. So kann der Weltklimarat behaupten, dass es seit 125.000 Jahren noch nie so warm war wie heute. Die klimatisch angeblich ereignislose vorindustrielle Zeit bildet den geradlinigen Schaft, und an dessen Ende kommt mit der rapiden modernen Erwärmung die Kelle des Hockeyschlägers. Warum ist das wichtig? Die vorindustrielle Temperaturentwicklung ist für die Aufteilung des modernen Klimawandels einerseits in menschengemachte und anderseits in natürliche Faktoren von höchster Relevanz.

Da die Klimamodelle lediglich vernachlässigbar geringe natürliche Klimaantriebe besitzen, können sie lediglich Hockeyschläger-Muster generieren. Jede real festgestellte vorindustrielle natürliche Warm- oder Kaltphase bereitet den Modellen daher Probleme, denn sie können sie nicht reproduzieren.

Dies wirft unbequeme Fragen bezüglich ihrer Tauglichkeit und Verwendbarkeit für die zukünftige Klimaentwicklung auf. Wenn ein Klimamodell auf die Frage, wie die Temperatur der Vergangenheit sich entwickelte, Antworten liefert, die von der Realität nicht gedeckt sind, ist es als Prognose-Werkzeug eher nicht zu gebrauchen.

Die irrealen Szenarien durch den IPCC

Der IPCC-Bericht unterscheidet fünf verschiedene CO₂-Entwicklungsszenarien. Drei davon kann man sehr schnell in das Reich der Märchen verweisen. Im Szenario 8.5 (die Zahl steht für die von CO₂ erzeugte Erwärmungswirkung) würde sich die jährliche CO₂-Emission bis 2080 auf die dreifache Menge erhöhen. Ein absurdes Szenario, da uns dann bald Kohle, Öl und Gas ausgehen würden.

Das Szenario 7.0 ist ähnlich irreal, denn danach verdoppelt sich der CO₂-Ausstoß bis 2100. Das dritte Szenario, das man füglich ausschließen kann, ist die Absenkung der CO₂-Emissionen ab 2020 (!) und Verminderung auf die Hälfte in 2035, einem Zeitpunkt, zu dem China und Indien noch einmal 30 Prozent an CO₂ Emissionen draufgelegt haben werden.

Die vom IPCC angesetzten Emissionen übersteigen die weltweiten Vorräte an Kohle, Öl und Gas teilweise deutlich.

Einige Szenarien des IPCC sind irreal. Sowohl eine rückwirkende Reduzierung der Emission als auch ein Verbrauch über die natürlichen Ressourcen hinaus sind hinfällig. Foto: Prof. Dr. Fritz Vahrenholt

Wie realistisch ist das zu großen Temperaturveränderungen führende Szenario 8.5? Die Bundesanstalt für Geowissenschaften hat in ihrer letzten Energiestudie 2019 die weltweiten Reserven an Gas, Öl und Kohle aufgeführt, wonach beim Verbrennen aller Reserven 3.402 Milliarden Tonnen CO₂ ausgestoßen werden (Öl: 843 Gt, Gas: 431 Gt, Kohle: 2.127 Gt). Summiert man die Emission des 8.5-Szenarios bis 2100, ergibt sich eine Summe von 6.100 Milliarden Tonnen CO₂. Danach würden uns in diesem Szenario etwa 2080 die Kohlenstoffreserven ausgehen.

Aber nur mit einem völlig irrealen Szenario 8.5 kann der IPCC mit seinen fragwürdigen Modellen auf eine Temperaturerhöhung von 3,3 bis 5,7 Grad Celsius im Jahr 2100 kommen. Diese Angabe schaffte es dann in die Zusammenfassung des IPCC-Berichts für Entscheidungsträger, der „Summary for Policymakers“, und es findet sich dann als eine der Hauptbotschaften in den Medien. Die Tagesschau berichtete, „ohne entschiedenen Klimaschutz sind bis zu 5,7 Grad Erwärmung zu erwarten“.

In der FAZ schrieb Joachim Müller-Jung unter dem Untertitel „Erwärmung bis zu 5,7 Grad?“: „Im schlimmsten Fall jedoch, dem weiteren ungebremsten Ansteigen der Emissionen, könne es zu einer Erwärmung von 3,3 bis 5,7 Grad bis 2100 kommen.“ Diese irrealen Szenarien werden gebraucht, um Angst zu erzeugen, denn die wahrscheinlichen Entwicklungen – selbst mit den viel zu heiß laufenden Klimamodellen des IPCC – werden sich bis 2040 wenig spektakulär mit 1,5 Grad entwickeln.

Der IPCC sagt, der Mensch hat die Erwärmung verursacht, natürliche Ursachen ohne Einfluss

Die durchschnittliche globale Temperatur ist seit 1860 bis heute um 1,09 Grad Celsius gestiegen. Der Weltklimarat behauptet, dass 1,07° C , also nahezu 100 Prozent, durch den Menschen verursacht worden ist. Dabei mehren sich die Anzeichen, dass natürliche Einflüsse nicht zu vernachlässigen sind. Wir kennen die 50-70 Jahre dauernden zyklischen atlantischen und pazifischen Temperaturschwankungen, die sich von +0,3° C in den Warmphasen (1860 bis 1900, 1926 bis 1956, 1986 bis heute) auf -0,3° C in den dazwischenliegenden Kältephasen abkühlen.

Wir stellen fest, dass seit 2000 weltweit eine beeindruckende Ausdünnung der Wolken stattgefunden hat, die mehr Sonnenstrahlung auf die Erdoberfläche zuließ. Dieser Effekt ist in den letzten 20 Jahren größer als die Erwärmung durch den CO₂-bedingten Treibhauseffekt gewesen. Die Daten der Sonnenscheindauer in Europa sind beeindruckend. Sie kommen aber in der „Summary for Policymakers“ nicht vor und somit kommt das auch nicht in deutschen Medien vor und die Politik nimmt es auch nicht zur Kenntnis.

Die Veränderung der Sonnenscheinstunden wird weder vom IPCC, den Medien, noch der Politik thematisiert.

Absolute Veränderung der durchschnittlichen Sonnenscheindauer in Europa. Foto: https://climate.copernicus.eu/esotc/2020/clouds-and-sunshine-duration

Der IPCC behauptet, CO₂ bleibt Tausende von Jahren in der Atmosphäre

Der IPCC behauptet, dass etwa 50 Prozent des CO₂ von Pflanzen und Ozeanen relativ schnell mit einer Halbwertszeit von etwa 50 Jahren aufgenommen wird, ein weiterer Teil brauche mehr als tausend Jahre, um in den Tiefen des Meeres aufgenommen zu werden und 20 Prozent brauchen Zehntausende von Jahren, um von Silikatgestein aufgenommen zu werden. Die Senken von Ozeanen und Pflanzen wirkt aber auf die gesamten 100 Prozent. Erst wenn diese Pfade verstopft wären, müsste man sich Sorgen machen und sich mit Tausenden von Jahren dauernden Verwitterungsprozessen beschäftigen.

Doch Pflanzen und Ozeane nehmen nach wie vor steigende Mengen CO₂ auf. Wie das international anerkannte Global carbon project (GCP, 2020:51) ermittelte, wurden 2019 31 Prozent des emittierten CO₂ durch vornehmlich Pflanzen aufgenommen und 24 Prozent durch die Ozeane – zusammen also 55 Prozent.

Die zusätzliche Aufnahme des CO₂ durch Ozeane und Pflanzen verläuft proportional zur Konzentrationszunahme des CO₂ in der Atmosphäre gegenüber dem Gleichgewichtszustand von 1860 und nicht proportional zur jährlichen Emission. Die Aufnahme steigt seit einigen Jahrzehnten stärker als die Emissionen, sodass heute schon 55 Prozent der jährlichen Emissionen von Ozeanen und Pflanzen aufgenommen werden. Anders ausgedrückt: Etwa 5 ppm werden vom Menschen jährlich ausgestoßen, 2,7 ppm werden insgesamt aufgenommen. 2,3 ppm verbleiben in der Atmosphäre. Bei nur leicht weiter steigender Emission nimmt die Aufnahme von Ozeanen und Pflanzen weiter zu und immer weniger CO₂ verbleibt in der Luft.

Würde es der Weltgemeinschaft bis 2050 bei einer dann vorliegenden Konzentration von 450 ppm gelingen, die Emission im Verlaufe der nächsten Jahrzehnte zu halbieren auf etwa 2,5 ppm, so wäre demnach ein unmittelbarer Rückgang der CO2-Konzentration in der Atmosphäre die Folge. Die Katastrophenszenarien könnten ad acta gelegt werden. Und wir wären im Einklang mit dem Pariser Abkommen, das ja fordert, dass Quellen und Senken von CO₂ ins Gleichgewicht zu bringen seien. Eine Nullemission – die ohnehin nicht erreicht wird, solange China und die sich entwickelnde Welt wachsende CO₂-Emissionen ausstoßen – ist nicht erforderlich.

Auch der IPCC räumt in seinem 2021-Bericht auf Seite 5-184 ein, dass die reale Aufnahme der Meere in zunehmendem Maße die Modellrechnungen übertrifft. Aber es kommt noch besser. Der IPCC stellt weiter fest (S. 5-120): „Falls die Emission und die Aufnahme von CO₂ gleich sind, stabilisiert sich die CO₂-Konzentration. Falls die CO₂-Entfernung größer ist als die Emission, würde die Konzentration sinken.“ Warum erschienen solche Aussagen nicht in der Kurzfassung, warum nicht in den Medien, warum nicht in der politischen Debatte?

Der IPCC gibt sich selbst die Antwort: Er befürchtet aufgrund ominöser Modellberechnungen, dass ab 2050 die Senken Ozeane und Pflanzen verstopfen. Dafür gibt es keine Anzeichen, keine naturwissenschaftliche Begründung. Jahr für Jahr stürzen in arktischen und antarktischen Breiten Millionen von Kubikkilometern sehr salzhaltigen Wassers mit 100 Milliarden Tonnen CO₂ in die Tiefe, um in 400 bis 1.000 Jahren wieder aufzutauchen. Da ist keine Sättigung in Sicht.

Und die Pflanzen? Die Erde wird grüner, die Erträge von Weizen und Reis haben aufgrund der gestiegenen CO₂-Konzentration in den letzten 40 Jahren um 15 Prozent zugenommen.

Man wagt es ja kaum auszusprechen: Ohne die gestiegenen CO₂-Konzentrationen wäre die Menschheit mit 15 Prozent weniger pflanzlichen Nahrungsmitteln sehr viel größeren Hungerkatastrophen ausgesetzt gewesen.

Die Erde wird grüner. Foto: Prof. Dr. Fritz Vahrenholt

Was folgt aus dem Pariser Abkommen?

Verfolgt man die aktuelle klimapolitische Debatte in Deutschland, dann gewinnt man den Eindruck, die Rettung der Welt vor steigenden CO₂-Emissionen liegt allein in deutscher Hand. Und tatsächlich nannte Greta Thunberg drei Tage vor der Bundestagswahl Deutschland einen der größten Klima-Schurken.

In den letzten 50 Jahren – das vorher emittierte CO₂ ist längst verschwunden – haben die USA 250 Milliarden Tonnen CO₂ emittiert, China 225 Milliarden Tonnen. Erst an sechster Stelle kommt Deutschland mit 45 Milliarden Tonnen. Aber darin sind enthalten die Emissionen der DDR, einem Staat mit den höchsten Emissionen pro Kopf weltweit. Und so wäre im Wahlkampf die richtige Antwort gewesen, mit Stolz darauf zu verweisen, dass kein anderes Land der Welt seine Emissionen in den letzten 30 Jahren um 40 Prozent reduziert hat. Nur Großbritannien kann da mithalten – und hat dies mit einem massiven Ausbau der Kernenergie geschafft.

Wie sehen die tatsächlichen Entwicklungen aus? Die folgende Grafik zeigt, dass die USA dank Schiefergas seit 20 Jahren den Anteil und die Höhe der CO₂-Emissionen reduziert, ebenso die EU. Deutschland hat nur noch einen Anteil von 2,1 Prozent. Man sieht auch, dass Corona zu einem Rückgang in allen Ländern geführt hat, nicht so in China. Das Wachstum Chinas, Indiens und der Entwicklungsländer beruht auf vermehrtem Einsatz von Kohle, Öl und Gas.

Entwicklung der CO₂-Emissionen fünf ausgewählter Regionen. Foto: Global Carbon Project (Creative Commons CC BY 4.0)

Es stellt sich die Frage, was die richtige Bezugsgröße ist, um die CO₂-Emissionen einer Volkswirtschaft zu beurteilen. Von Klimaaktivisten wird der Verbrauch pro Kopf als entscheidendes Kriterium angeführt. China emittiert pro Kopf 7,1 Tonnen CO₂, Deutschland 8,8 Tonnen, die Entwicklungsländer deutlich weniger.

Aber ist das der richtige Vergleich? Deutschland produziert Maschinen, Luftverkehrszeuge, Produkte für die Welt und kann doch nicht mit einem agrarisch strukturierten Entwicklungsland verglichen werden. Vor uns wären im Pro-Kopf-Vergleich Länder wie Saudi-Arabien, Australien, USA, Kanada, Südkorea, Russland, Iran, und die Niederlande.

Nein, Sinn macht nur die Bezugsgröße des Bruttoinlandsprodukts (BIP), das man mit der CO₂-Emission ins Verhältnis setzen muss. Die Güte einer Volkswirtschaft im Hinblick auf die CO₂-Vermeidung zeigt die CO₂-Emission pro 1.000 Dollar BIP. Und da steht Deutschland ganz vorne mit 0,15 Tonnen/1.000 Dollar BIP. Nur Frankreich, Schweden, Großbritannien und die Schweiz stehen besser da, weil sie alle ihre Stromversorgung maßgeblich auf Kernenergie (und teilweise Wasserkraft) fußen lassen.

China benötigt 0,5 Tonnen CO₂, um 1.000 Dollar an Gütern und Dienstleistungen zu erzeugen, der Weltdurchschnitt liegt bei 0,29 Tonnen.

Das bedeutet, dass deutsche und europäische Politik, die mit immer größeren Abgaben auf CO₂ die Produktionen von Gütern hierzulande immer schwieriger machen, durch Produktionsverlagerungen nicht nur Arbeitsplätze und Wohlstand aufs Spiel setzen, sondern durch die Verlagerung der Produktion höhere CO₂-Emissionen in Kauf nehmen. Wenn Daimler seine Motorenfabrik nach China verlagert, wenn die BASF anstatt in Ludwigshafen in Nanjing investiert, verdreifacht sich die CO₂-Emission bei der jeweiligen Produktion. Jeder Industriearbeitsplatz, der in Deutschland erhalten wird, leistet einen größeren Beitrag zur CO₂-Vermeidung.

China, die größte Exportnation der Welt, darf aber als „Entwicklungsland“ ohnehin bis 2030 etwa 40 Prozent mehr CO₂ ausstoßen. Denn das Pariser Abkommen verlangt nur von den Industriestaaten freiwillige Zusagen über einen Emissionsminderungsplan.

Das Klimaabkommen von Paris erlaubt dem „Entwicklungsland“ China eine Steigerung der Eimissionen, die alle Einsparungen von USA und Europa mehr als aufwiegen. Foto: Prof. Dr. Fritz Vahrenholt

Wie will die Bundesregierung ihre CO₂-Ziele erreichen?

Dazu hilft ein Blick in das Klimaschutzgesetz vom 26. Juni 2021, eine Folge des fatalen und wissenschaftlich unhaltbaren Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts. Ich habe selten ein so planwirtschaftliches Gesetz wie dieses gesehen. Minutiös wird – bis auf die letzte Tonne für jeden Sektor – Jahr für Jahr die maximal zulässige CO₂-Emission festgelegt. Was macht der Gebäudesektor im Jahre 2030, wenn es einen strengen Winter gibt? Die Heizung drosseln? Was macht die Industrie, wenn es im Jahre 2029 einen unerwarteten Wirtschaftsboom gibt? Aufhören zu produzieren?

Laut Klimaschutzgesetz (KSG) erlaubte Jahresemissionen nach Industriesektoren bis 2030. Foto: Bildschirmfoto / Bundesministerium der Justiz

Jährliche Minderungsziele laut Klimaschutzgesetz (KSG) bis 2040. Foto: Bildschirmfoto / Bundesministerium der Justiz

Wie unrealistisch diese Planung ist, die an die bekannten 5-Jahrespläne kommunistischer Staaten erinnert, zeigt die Berücksichtigung von Nordstream 2. Allein das Erdgas von Nordstream 2 wird eine zusätzliche Emission von 100 Millionen Tonnen CO₂ mit sich bringen. Der neuen Bundesregierung dämmert auch mittlerweile, dass die Stromversorgung Deutschlands ohne Kernenergie und ohne Kohlekraftwerke nicht aufrechterhalten werden kann und macht sich mit einem geplanten Gaskraftwerksprogramm ehrlicher.

Da aber auch Gaskraftwerke CO₂ emittieren, verlangt man seitens der Koalitionsverhandler Gaskraftwerke, die „hydrogen ready“ seien. Wasserstoffkraftwerke gibt es aber noch nicht. Siemens hofft, bis 2030 so weit zu sein, solche Gasturbinenkraftwerke anbieten zu können. Unehrlichere Energiepolitik ist kaum vorstellbar.

Dabei haben wir heute bereits die höchsten Strompreise der Welt.

Aber niemand thematisierte im Wahlkampf die massiv steigenden Energiepreise, niemand thematisierte, dass ein Großteil der Ursachen in der europäischen Energiewende selbst zu suchen ist: in einer Politik, die den CO₂-Preis auf 60 Euro pro Tonne CO₂ hochschraubte, die in Spanien, England, Holland und Deutschland Kohlekraftwerke stilllegte und sich nach der wirtschaftlichen Erholung wunderte, warum Gas in die Lücke der Stromversorgung drang und damit auch die Strompreise nach oben katapultierte. Dies alles zusammen mit einem schwachen Windjahr und der CO₂-Brennstoffabgabe ließ den Gas- und den Strompreis verdreifachen.

Das Scheitern der Energiewende wird allerdings auf der Seite der Versorgungssicherheit entschieden. Selbst eine Verdreifachung, selbst eine Versechsfachung der Wind- und Solarkapazität wird das Problem der Dunkelflauten und der Tatsache, dass nachts die Solarenergie null Strom liefert, nicht aus der Welt schaffen. Sechs Mal Null ist Null. Mit anderen Worten, bei Dunkelflaute ist es egal, wie viele Windkraftwerke oder Solaranlagen keinen Strom liefern. Allerdings führen sie bei Starkwind zu extremen kurzfristigen Überschüssen, die nicht anders zu bewältigen sind, als dass man die Produktion zeitweise abschaltet.

Wir brauchen Speicher

Mittlerweile ist allen Akteuren klar: Ohne gewaltige Speicherkapazitäten ist die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet. Doch wie groß diese Herausforderung ist, hört man selten. Deutschland braucht in einer Welt, in der auch Wärme und Verkehr und sogar die Industrie elektrifiziert werden soll, 2,4 Terawattstunden (TWh) Strom am Tag. Eine 10-tägige Flaute erfordert also eine Speicherung von 24 TWh Strom. Das entspricht einem Drittel der jährlichen Stromerzeugung Österreichs.

Die Akademie der Technikwissenschaften hat sehr klar erklärt, dass eine Batterielösung unbezahlbar wäre, Pumpspeicher (heute 0,040 TWh Speicherleistung) auch nur annähernd die Elektrizität für einen Tag bereitstellen könnte. So bleibt als einzig technische Lösung der Wasserstoff.

Doch in der Kette Strom zu Wasserstoff (-30 Prozent), Speicherung und Transport (-10 Prozent) und Rückverstromung (- 60 Prozent) bleiben 25 Prozent der Primärenergie übrig. Zusammen mit den Kapital- und Betriebskosten dieser Kette kommt man auf einen Strompreis von 50 Cent pro Kilowattstunde, das 5 bis 10-fache des heutigen Niveaus. Damit wird eine Industriegesellschaft ihr eigenes Aus beschließen. Keine Nation, die die mit der Deindustrialisierung verbundenen Wohlstandsverluste zur Kenntnis nimmt, wird diesem Beispiel folgen.

Am Frankfurter Flughafen wurden in der Vor-Corona-Zeit die Flugzeuge mit 5,4 Millionen Kubikmeter Kerosin betankt. Der Energiegehalt entspricht 50 TWh. Man benötigt mindestens 100 TWh Strom, um den synthetischen Kraftstoff herzustellen – so viel wie alle Windkraftanlagen an Land liefern (105 TWh).

Der jährliche Energieverbrauch Deutschlands beträgt 2.500 TWh, Wind- und Sonnenenergie leisteten einen Beitrag von 172 TWh, das sind 7 Prozent. Rechnet man den Windenergieanteil auf eine 100-prozentige Energieversorgung durch Wind und Solar hoch, so müsste 15-mal so viel Windenergie erzeugt werden. Wie absurd diese Zielvorstellung der Bundesregierung ist, zeigt eine theoretische Flächenbetrachtung.

Würde man im Abstand von 1 Kilometer die größten Windkraftanlagen mit 5 Megawatt errichten, würden etwa zwei Drittel der Landesfläche – egal ob Stadt, Land, Fluss – mit Windkraftanlagen beaufschlagt werden. Da erscheint die von den verhandelnden Koalitionspartnern ausgegebene Forderung von zwei Prozent der Landesfläche als Ziel verharmlosend falsch. Denn schon heute wird das Zwei-Prozent-Ziel für Windkraft überschritten, wenn man statt der Bauplanflächen einen Abstand von 500 bis 1.000 Metern zu den nächsten Siedlungen berücksichtigen würde.

Welche Alternativen gibt es?

Die wichtigste Alternative bestünde darin, in Deutschland die Abtrennung und Ablagerung des CO₂ in Tiefensedimenten, etwa unter der Nordsee, wieder zu ermöglichen. In Deutschland ist diese sogenannte CCS-Technologie für Kohle- und Gaskraftwerke verboten. Dieses Verbot hatte seinen Ursprung in Schleswig-Holstein, wo 2009 die Grünen Unterschriften gegen die Endlagerung von CO₂ in den Tiefengesteinen Schleswig-Holsteins sammelten.

Ganz vorneweg war der damalige Landesvorsitzende der Grünen, Robert Habeck, mit den Worten: „Schleswig-Holstein ist das Land der Erneuerbaren Energien und keine Müllhalde für CO₂“. Die Landesregierung stellte einen Antrag im Bundesrat zum Verbot der CCS-Technik und 2012 war es endlich so weit: CCS wurde bundesweit verboten. Das einzige deutsche Pilotkraftwerk mit CCS in Schwarze Pumpe wurde 2014 stillgelegt und die Anlage anschließend nach Kanada verkauft.

Heute gibt es weltweit Initiativen, um auf diese Weise CO₂-Freiheit von Kraftwerken und Industrieanlagen zu erreichen. Man stelle sich vor, man hätte diesen Weg in Deutschland weiter beschritten. Mit welchem Fug und Recht könnten wir von China, Indien, USA und anderen Kohleländern verlangen, eine solche Abscheidung einzuführen!

Ein Beitrag, der ohne Investition möglich wäre, ist die Laufzeitverlängerung der noch am Netz befindlichen sechs deutschen Kernkraftwerke. Sie produzieren immerhin 64 TWh zuverlässigen, kostengünstigen und CO₂-freien Strom. Der Bundestag könnte mit einem Vorschaltgesetz noch vor dem 31.12.2021 die entsprechenden Regelungen zur Abschaltung im Atomgesetz außer Kraft setzen und einen Beitrag gegen die weitere massive Verteuerung und zu befürchtende Strommangelwirtschaft leisten.

Um die 64 TWh der sechs Kernkraftwerke zu ersetzen – das entspricht rein rechnerisch der Hälfte des deutschen Windstroms an Land – benötigt man 30.000 Megawatt Windkraftanlagen. Bei einer Verdoppelung des jährlichen Zubaus an Windkraftanlagen auf 5.000 MW braucht man 8 Jahre um diesen Verlust an Strommenge auszugleichen. Dann ist bis 2030 nicht eine einzige Kilowattstunde Windstrom für ein zusätzliches E-Auto oder eine Wärmepumpe erzeugt worden.

Darüber hinaus müsste das in Deutschland geltende Forschungsverbot von Kerntechnik zur Energieerzeugung abgeschafft werden, damit zukunftsfähige Kerntechnologien wieder in Deutschland erforscht werden können. Kleine modulare Kernkraftwerke oder der Dual-Fluid-Reaktor, die in der Lage sind, aus abgebrannten Brennelementen auf inhärent sichere Weise Strom zu erzeugen, ohne langlebige Rückstände zu produzieren, wären denkbar.

Ob SPD, Grüne und FDP sich an den Empfehlungen des Weltklimarats IPCC orientieren, ist fraglich. Der IPCC empfiehlt auf Seite 569 seines letzten Berichts: „Es wird die intensivere Nutzung von Technologien wie erneuerbare Energien, Kernenergie und CCS benötigt.“

Über den Autor

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt ist promovierter Chemiker, SPD-Politiker, Manager, Wissenschaftler und Buchautor. Seit 1976 arbeitete er unter anderem im Umweltbundesamt, als Staatsrat bei der Umweltbehörde und als Umweltsenator in Hamburg. Er war Vorstand für Erneuerbare Energien der Deutschen Shell AG sowie Gründer und Vorstand des Windenergie-Anlagenbauers REpower Systems.

Seit 1999 ist er Honorarprofessor im Fachbereich Chemie der Universität Hamburg. Sein Bestseller „Seveso ist überall“ (1978) war eines der wirkmächtigsten Bücher in den Anfangsjahren der Umweltbewegung. 2020 erschien sein Bestseller „Unerwünschte Wahrheiten“, 2021 folgte „Unanfechtbar – Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes zum Klimaschutz im Faktencheck“. www.vahrenholt.net

Hat sich umfassend mit dem IPCC-Bericht und der Klimapolitik beschäftigt: Prof. Dr. Fritz Vahrenholt

Prof. Dr. Fritz Vahrenholt. Foto: privat

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 17, vom 6. November 2021.



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