Totalitarismus, Angst, Corona-Aufarbeitung: Entschuldigen ist ein Anfang

Medien, Politik und Justiz werden für den Umgang mit der Corona-Pandemie kritisiert. Das Thema „Aufarbeitung“ gewinnt immer mehr an Aufmerksamkeit. Wurde aus den Fehlern gelernt?
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Geschlossen-Schild wegen Lockdown: Wären Schilder wie diese nötig gewesen?Foto: Animaflora/iStock
Von 7. Dezember 2022

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Es ist ein Wandel zu erkennen: Die Ausgangsbeschränkungen für Bayern wurden für unverhältnismäßig erklärt, die einrichtungsbezogene Impfpflicht soll Ende des Jahres auslaufen. Es wird über ein Ende der Maskenpflicht in Bus und Bahn diskutiert, der ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn bittet zumindest um Verzeihung für Fehler, die begangen wurden. Und Gesundheitsminister Karl Lauterbach gab sogar zu, dass es ein Fehler war, Ungeimpften einen großen Teil der Pandemie zuzuschreiben.

Die Aufarbeitung kommt ins Rollen. Beim näheren Betrachten lässt sich allerdings feststellen: Allein das Eingeständnis von eigenen Fehlern behebt die tiefen Missstände nicht.

Der Ethikrat ist seiner Aufgabe nicht nachgekommen

Wirtschaftsinformatiker und Philosoph Christoph Lütge, früheres Mitglied im bayerischen Ethikrat, forderte 2021, Lockdowns auszusetzen und verwies auf Schäden für Kinder. Daraufhin musste er den Ethikrat im Februar 2021 verlassen. Ein Grund: Er würde durch seine Äußerungen den Tod alter Menschen relativieren.

In einem Interview mit der „Welt“ äußerte Lütge, dass der Ethikrat auf falsche Abwägungen der Politik hinweisen müsse. „Ein Ethikrat hätte auch, und gerade in einer Krise, die Aufgabe gehabt, gegenüber der Politik – neben Verhältnismäßigkeit und Risikoabwägung – andere wesentliche Elemente der Demokratie wie die Einhaltung von Meinungsfreiheit und Pluralismus einzufordern.“ Das sei nicht geschehen.

Als Beispiel nennt er die Debatte um Kinder, die zeitweise als die „Treiber der Pandemie“ betitelt wurden. Spätestens Anfang 2021 habe es genügend Hinweise gegeben, dass die Corona-Politik negative Folgen für Kinder und Jugendliche habe. Der Ethikrat hätte diskutieren müssen, ob eine Isolation von Kindern unethisch wäre, selbst wenn sie Verbreiter des Virus wären.

„Hier hat der Ethikrat – wie übrigens auch die Kirchen – versagt und Schuld auf sich geladen“, so der Wirtschaftsinformatiker und Philosoph.

Zero-COVID wie in China

Lütge betont in dem Interview, dass in Deutschland Ansätze eines totalitären Staatssystems zu erkennen seien und äußert:

Das Ausschließen von Ungeimpften aus dem öffentlichen Leben geht ganz klar in eine totalitäre Richtung.“

Außerdem kritisiert er die zeitweise bestehenden Einschränkungen der Mobilität.

Reisen war teilweise verboten, auch innerhalb der Bundesländer. Anfang 2021 wurde darüber diskutiert, in Deutschland und Europa coronafreie grüne Zonen einzurichten und es war verboten, seinen Wohnort mehr als 15 Kilometer zu verlassen. Spielplätze wurden abgeriegelt und teilweise durften Personen nur mit einem triftigen Grund die Wohnung verlassen – zum Spazieren gehen mit dem Hund, einkaufen oder Sport treiben. Es wurde zusätzlich 2G und später 2G-Plus eingeführt, Ungeimpften war der Zugang zu Sportstätten, Restaurants, Kinos, Bekleidungsgeschäften und vielem mehr untersagt.

Einige Parallelen lassen sich zu China erkennen. Dort gibt es derzeit eine enorme Protestwelle gegen die Zero-COVID-Politik und gegen das kommunistische Regime.

Auch in Deutschland forderten Ärzte und Wissenschaftler eine Zero-COVID- und Null-COVID-Strategie, durch welche das Virus ausgerottet werden sollte. „Rückblickend scheint es vielen Menschen, als sei das, was in China passierte, die Kontrolle von Menschen und die Fixierung auf das Virus, in Deutschland nie beabsichtigt worden. Wenn man sich aber die damaligen Stellungnahmen ansieht, so hätte dies durchaus in Teilen Realität werden können“, meint Lütge.

Kritiker mundtot machen

Medien, Politiker und Wissenschaftler forderten eine Art kollektivistisches Denken, so Lütge. Jene Menschen, die dieser Linie widersprachen, wurden in die rechte Ecke gestellt und versucht mundtot zu machen.

Ich kann mir dies darum nur mit einer rein politischen Sicht auf die Krise erklären, diese nicht beenden zu wollen, sondern den Zustand der Angst aufrechtzuerhalten.“

Die Maßnahmen seinen zum größten Teil überflüssig gewesen und hätten gleichzeitig Schaden erzeugt. „Mein Eindruck ist, dass man sich dazu entschied, weiterzumachen, um sich nicht für Fehler rechtfertigen zu müssen.“

Spätestens jetzt, wenn deutlich werde, dass Kritiker in vielem recht hatten, habe sich zum Beispiel das Gremium „Ethikrat“ unglaubwürdig gemacht.

Als Beispiel nennt Lütge, dass man sich vor allem an anderen Ländern mit einer lockeren Corona-Politik hätte orientieren können, beispielsweise Dänemark, England, Schweden und Florida. Anhand dieser Länder hätte erkannt und einbezogen werden müssen, dass Lockdowns keinen Erfolg haben und „dass der Effekt einer Maskenpflicht massiv überschätzt wird“. Statistiken und Studien bestätigten die Beobachtungen stets, so Lütge.

„Die Ratio für politische Entscheidungen wurde ausgeschaltet“

Insgesamt betont Lütge in dem Interview, dass die Vernunft für politische Entscheidungen nicht mehr bestünde und nennt das gefährlich. „Wenn wir Dinge ohne rationale Begründung und Verhältnismäßigkeit durchsetzen, ist es nicht ausgeschlossen, dass wir dies auch in Zukunft tun“, fügt er hinzu.

„Wenn eine Regel am Ende nur noch damit begründet wird, dass es sie nun mal gebe, dann kann man im Grunde in Zukunft regieren, wie es einem beliebt.“ Gerade in einer Pandemie müsse eine rationale und verhältnismäßige Begründung für das Handeln vorliegen. „Fehlt diese, dann können jegliche autoritäre Maßnahmen gerechtfertigt werden.“

Aufgrund von Klagen entschied das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit von Corona-Verordnungen. Das Bundesverwaltungsgericht beurteilte die im März 2020 in Bayern verhängte Ausgangssperre als unverhältnismäßig. Die Schutzmaßnahmen in Sachsen wurden dafür als rechtens erachtet.

Politik, Medien und Justiz in der Verantwortung

Um die Fehler für die Zukunft zu vermeiden, fordert Lütge: „Es braucht ein Eingeständnis, dass Fehler gemacht wurden. Die rückwärtsgewandte Diskussion dient dazu, zu verhindern, dass wir in einer ähnlichen Situation beim nächsten Mal dieselben Fehler machen.“ Auch Medien und Justiz müssten sich ihre Fehler eingestehen.

Der MDR beispielsweise entgeht einem Schuldeingeständnis. Am 19.11.2021 strahlte die ARD in den „Tagesthemen“ einen Kommentar der MDR-Reporterin Sarah Frühauf aus. In diesem gab sie den Ungeimpften Schuld für einen nächsten drohenden Lockdown.

Der Epoch Times antwortete eine Sprecherin des MDR auf die Frage, ob sie den Kommentar nach heutigem Kenntnisstand gleichermaßen veröffentlichen würden: „Der Kommentar basierte auf den damals bekannten Fakten. Die Frage, ob der Kommentar nach heutigem Kenntnisstand ebenfalls veröffentlicht werden würde, erübrigt sich damit.“

Wurde aus den Fehlern gelernt?

Der Großteil der Regelungen besteht nicht mehr. Der Wirtschaftsinformatiker und Philosoph meint allerdings, dass immer noch nach Rechtfertigungen dafür gesucht werde, warum gewisse Maßnahmen beibehalten werden sollen. So spricht Lauterbach weiterhin von einer Gefahr durch das Virus. Auch besteht noch eine Maskenpflicht im öffentlichen Nah- und Fernverkehr.

In Bayern gibt es mit dem Urteil über Ausgangsbeschränkungen einen erheblichen Wandel: Es soll zumindest ein Teil der Bußgelder zurückgezahlt werden. Wegen Verstößen gegen die Ausgangsbeschränkung verhängte Bayern vom 1. bis zum 19. April mehr als 22.000 Bußgelder. Justizminister Georg Eisenreich und Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) unterstützen die Rückzahlungen.

Medien berichten zunehmend über Impfschäden und geben kritischen Menschen eine Stimme. Der MDR teilt der Epoch Times beispielsweise mit, dass sie in ihren aktuellen Formaten ausführlich über neue wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema COVID-19 berichten würden. Dennoch halten sie eine nachträgliche Aufarbeitung ihres umstrittenen Meinungsbeitrags nicht für notwendig.

Einen großen Fehler verordnet Lütge bei der Organisation des Ethikrates. „Der größte Fehler ist aus meiner Sicht, dass man sich unbesehen an die politische Linie angeschlossen hat, das war im bayerischen Ethikrat genauso der Fall wie im deutschen Ethikrat.“

Parteien oder Regierungen schlagen die Mitglieder für einen Ethikrat vor. Die Verflechtungen von Ethikrat und Politik hält der Wirtschaftsinformatiker für zu eng. Ebenso zweifelt er die Gewaltenteilung in der Justiz an. Die Gewalten sollten einander kontrollieren, meint Lütge. Mit dem derzeitigen Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes geschehe das nicht. Sowohl unverhältnismäßige und ethisch fragwürdige Regeln als auch verfassungswidrige Eingriffe würden legitimiert werden.



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