Eric Gujer (NZZ) gegen neue Tugendwächter: Deutschland ist abweichende Meinungen nicht gewöhnt

Der Chefredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ), Eric Gujer, hat im Interview mit dem Publizisten Gabor Steingart „neuen Tugendwächtern“ von links und rechts vorgeworfen, die Redefreiheit zu relativieren. Dies führe zu Entfremdung der Mitte und Erstarrung.
Von 20. August 2020

In einem Gespräch mit dem „Morning Briefing“-Podcast von Ex-Handelsblatt-Chef Gabor Steingart ging der Chefredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ), Eric Gujer, auf Distanz zu den „neuen Tugendwächtern“, die sich von links und rechts als „Gesinnungspolizei“ inszenierten und versuchten, Andersdenkende zum Schweigen zu bringen.

Deutschland ist abweichende Meinungen nicht gewöhnt

Meinungsfreiheit habe, wie Steingart voranschickt, einen „immer höheren Preis“. Ausladungen für Künstler wie die als eher konservativ eingestufte Kabarettistin Lisa Eckart auf der Grundlage zweifelhafter Antisemitismus-Vorwürfe illustrierten dies ebenso wie die feindseligen Sprechchöre gegen die eher linksgerichtete Fernsehjournalistin Dunja Hayali auf der jüngsten Kundgebung gegen Corona-Maßnahmen in Berlin.

Eric Gujer, der das Thema auch jüngst in einem Leitartikel für seine Zeitung aufgearbeitet hatte, sieht die Entwicklung auch als Resultat einer einseitigen Konsensdemokratie in Deutschland, die mit Pluralität wenig anfangen könne. Der politische Diskurs und die politische Landschaft in Deutschland seit der Wende und auch nach 2000 seien sehr homogen gewesen: Die Linkspartei im Bundestag wich in Teilbereichen noch ab, aber sonst war der Konsens oberstes Gebot. Es gab schon niemanden mehr, der beispielsweise noch für die Atomkraft eingetreten wäre.

Doch die Dinge seien komplizierter geworden, zudem gebe es etwa in Form der AfD oder von Donald Trump auch Meinungen, mit denen man konfrontiert sei, die so gar nicht den eigenen entsprechen und die man moralisch abqualifizieren und als nicht akzeptabel brandmarken wolle. Das Phänomen der Tugendwächter resultiere aus dem Bestreben, sich davon abzugrenzen.

Tugendwächter sind in der Minderheit, aber laut

Eric Gujer teilt die Einschätzung seines Interviewpartners, wonach sich die Medien mit ihrem Streben nach korrektem, gendergerechtem und auch sonst durchgestylten Diskurs immer mehr von der Normalbevölkerung entfernten, die gerne reden würde, wie ihr „der Schnabel gewachsen“ sei. Dieses Phänomen sei aber nicht neu, es sei einst mit dem Begriff der „Schweigespirale“ umschrieben worden.

„Diejenigen, die laut sind, bestimmen den Diskurs“, schildert Gujer. „Die anderen ziehen sich zurück, sind schnell angewidert und sagen: ,Da mache ich gar nicht mit.’“

Der NZZ-Chefredakteur plädiert dafür, das Prinzip der Meinungsfreiheit als solches zu verteidigen – „unabhängig davon, ob ich die jeweilige Meinung nun teile oder nicht“. Dies versuche er auch selbst in seiner Arbeit zu verwirklichen.

Seine Erfahrung sei jedoch, dass der Raum dafür immer enger werde. Es gäbe immer stärkere Minderheiten, die sich mit einer Position völlig und uneingeschränkt identifizierten und keinen Raum mehr für Zweifel oder Skepsis ließen. Er habe immer wieder erlebt, dass Menschen zwar bereit gewesen seien, sich mit Lisa Eckart zu solidarisieren, gleichzeitig aber nicht mit Dunja Hayali – und umgekehrt. Kaum sei er auf Leute gestoßen, die Meinungsfreiheit für beide gleichermaßen einforderten.

Gujer: „Dem Sprach-Terror folgt der reale – und Kollegen gießen Öl ins Feuer“

Es sei die Aufgabe all jener, die diese Zweifelsfreiheit nicht teilten, sich gerade für die Redefreiheit jener einzusetzen, deren Positionen sie nicht teilten.

Dass es sowohl von extremen Rechten als auch extremen Linken auch eine zunehmende Gewaltbereitschaft gegen die Vertreter der jeweils Andersdenkenden gibt, sei eine logische Folge der Entwicklung. Dem Sprach-Terror folge die „Propaganda der Tat“, wo bestimmten Leuten das, was sie als „Gelaber“ und „Latschdemos“ bezeichnen würden, nicht mehr ausreiche, sondern sie auch bereit seien, mittels physischer Gewalt die Redefreiheit der jeweils „falschen“ Seite zu beseitigen.

Aber auch die Mitte leide unter der Erstarrung, die dadurch entstehe, dass ihr von beiden Rändern ein Reinheitsgebot des politischen Diskurses aufgezwungen werde. Gujer wirft vielen Journalistenkollegen vor, kein Interesse daran zu zeigen, die Erstarrung aufzubrechen, sondern im Gegenteil selbst darauf ausgerichtet seien, die Polarisierung bewusst noch weiter zu verstärken.

NZZ-Chef kritisiert Berichterstattung über Donald Trump

Es sei jedoch gerade in der derzeitigen Situation die Verantwortung von Journalisten, der Mitte, dem Leisen und möglichst vielen Positionen Raum zu geben. Gujer wolle „kein Plädoyer für die Langeweile halten“, aber Gelassenheit sei etwas, was fehle und was Unterstützer brauche – auch gegenüber den Jakobinern von links und rechts.

Wer die Regeln des Handwerks beherrsche und nicht auf maximale Provokation abziele, mache seine Sache als Journalist richtig. Dies falle jedoch immer mehr Kollegen immer schwerer – wie man etwa an der Art der Berichterstattung über US-Präsident Donald Trump erkennen könne.

Zudem, so plädiert Gujer, sei es nicht verboten, dazuzulernen und eigene Positionen zu verändern:

Niemand ist furchtbarer als der, der seit 30 Jahren immer seiner Meinung ist.“

Er selbst, so der NZZ-Chef, habe aus heutiger Sicht Dinge falsch eingeschätzt, etwa die Politik Boris Jelzins in Russland als zu positiv und die Agenda 2010 Gerhard Schröders als zu kritisch. Er sei unterm Strich trotz allem optimistisch, dass diejenigen, die keine Polarisierung wünschen, in der Mehrheit sind und dass kritischer Journalismus positive Veränderungen bewirken könne.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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