Wir beklagen den Verlust von Kultur und Werten, aber wir tun wenig, um diesem Verlust Kontur entgegenzusetzen. Es braucht eine heitere Entschlossenheit, sichtbar zu bleiben. Denn christliche Werte, die nicht sichtbar sind, sind es nur noch in der Erinnerung.
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Eine Rückgewinnung von Kultur und Werten beginnt mit einem entschiedenen Ja zu einem Weihnachtsfest, das sich nicht schämt, öffentlich zu leuchten.
Foto: Markus Langemann; dolgachov/iStock; Montage: Epoch Times
Es liegt Firnis über unserer erschöpften Gesellschaft. Man spürt ein Ausbluten, ein langsames Versickern der Kräfte – emotional, finanziell, geistig. Ein zerebrales Ermatten, gespeist aus dem Dauerfeuer betrübender Nachrichten, die im Stundentakt auf uns niedergehen wie eine feine, aber unaufhörliche Asche. Der Mensch des frühen 21. Jahrhunderts steht nicht mehr im Sturm, er steht im Staub. Und der Staub hat eine merkwürdige Eigenschaft: Er macht die Konturen der Welt stumpf.
Weihnachtsdekorationsmutlosigkeit
Gerade in diesen Wochen fällt mir ein Symptom besonders auf – ein scheinbar banales und doch bezeichnendes: die Weihnachtsdekorationsmutlosigkeit. Innenstädte, die sich einst in ein glänzendes Festkleid warfen, wirken jetzt wie Passagen aus einer späteren, fahlen Moderne. Lichter, ja. Aber halbherzig. Ornamente, ja. Aber ohne jene verheißungsvolle Aufladung, die den Advent früher zu einer Zeit des leisen Vorfreude-Schimmers machte. Man dekoriert, als wolle man sagen: Wir hätten gern, aber wir können nicht mehr so recht wie noch „Last Christmas“.
Ich besitze keine Statistik, die den geistigen Zustand dieser Republik quantifiziert. Doch als Flaneur durch die Zeit meine ich ein Verhältnis von etwa 70:30 zu erkennen: 70 Prozent halten den Heiligabend inzwischen für das Eintreffen des Coca-Cola-Trucks; 30 Prozent wissen noch, dass am 24. Dezember traditionell die Geburt Jesu Christi geehrt wird. Der kulturelle Gedächtnisverlust ist leise, aber stetig. Und wer den Verlust lange genug beobachtet, erkennt darin schon eine Form von Selbstaufgabe.
Merkwürdig erscheint, dass diese Stimmung – dieses matte Sich-Einrichten in der eigenen Innerlichkeit – ausgerechnet jetzt eine Renaissance erlebt. Es erinnert an das Biedermeiertum jener Jahre zwischen dem Wiener Kongress von 1815 und dem Revolutionsjahr 1848. Damals zog sich das Bürgertum in die Häuslichkeit zurück, ermüdet von politischen Erschütterungen und getragen von dem Wunsch, die eigene Welt überschaubar zu halten. Das Sofa wurde zum Bollwerk, die Stube zum Refugium. Nicht das große Ganze, sondern das kleine Eigene sollte wieder Halt geben.
Neo-Biedermeier als paradoxe Antwort
Heute jedoch zeigt sich in Deutschland das Neo-Biedermeier als paradoxe Antwort auf globale Komplexität und digitale Überpräsenz. Man zieht sich zurück, weil die Welt zu laut geworden ist. Man flüchtet ins Private, weil die Öffentlichkeit vergiftet scheint. Der Rückzug wird zur Tugend erklärt; die häusliche Gemütlichkeit zur Ersatzreligion einer erschöpften Moderne. Wer nicht wagt, der wohnt.
Doch gerade hier liegt der Bruch, der irritiert. Denn ausgerechnet in jener historischen Epoche des Rückzugs begann einst der Siegeszug des Christbaums, jenes Symbols, das später zum leuchtenden Zeichen eines selbstbewussten christlichen Festes wurde. Die damalige Gesellschaft, so privat sie war, brachte ein öffentlich sichtbares Symbol hervor. Heute hingegen entfernen wir uns ausgerechnet von den Symbolen – als wolle man nicht mehr sichtbar sein mit dem, was uns geprägt hat.
Wir beklagen den Verlust von Kultur und Werten, den Drift in einer globalisierten Welt, aber wir hier in Mitteleuropa tun wenig, um diesem Verlust Kontur entgegenzusetzen. Wer schweigt, darf sich über sein Überhört-Werden nicht wundern. Wer verschwindet, darf sich über sein Vergessen nicht beklagen.
Ein Zeichen gegen das Ermatten
Es ist deshalb Zeit, das Neo-Biedermeier zu durchbrechen – nicht durch Lärm, sondern durch Präsenz. Vielleicht bräuchte dieses Land eine Fanmeile für den Frieden, für die Nächstenliebe, für die Gewaltlosigkeit. Eine Fanmeile, die nicht einem Sportereignis huldigt, sondern der Frohen Botschaft. Eine Fanmeile für Jesus.
Man darf sich das nicht als fromme Nostalgie vorstellen, sondern als kulturelle Rückgewinnung von Ausdruckskraft. Als heitere Entschlossenheit, sichtbar zu bleiben. Als ein Zeichen gegen das Ermatten.
Denn eine Gesellschaft, die sich nur noch ins Private zurückzieht, gleicht einem winterlichen Garten, der zwar warm erleuchtet ist – aber ausschließlich von innen. Draußen bleibt es dunkel. Es wäre ein Irrtum zu glauben, die Stille des Rückzugs sei geschützt. In Wahrheit ist sie verletzlich. Wer sich abschirmt, verliert den Sinn für Resonanz. Wer nur noch in der eigenen Stube lebt, verliert die Fähigkeit zum gemeinsamen Raum. Es braucht nicht laute Politik, nicht die Aufgeregtheit der Tagesdebatten, sondern eine Zivilität des Sichtbaren: Weil wir wissen, dass Kultur nicht im Rückzug wächst, sondern in der behutsamen, aber beständigen Überschreitung des Privaten.
Vielleicht beginnt alles mit etwas scheinbar Kleinem: einem entschiedenen Nein zum neobiedermeierlichen Wegducken. Und einem ebenso entschiedenen Ja zu einem Weihnachtsfest, das wieder mehr ist als Konsumritual. Zu einem Fest, das sich nicht schämt, öffentlich zu leuchten.
Denn christliche Werte, die nicht sichtbar sind, sind es nur noch in der Erinnerung. Jesus lebt. Amen.
B-Safe26 – Substanz. Souveränität. Stabilität.
Foto: CDKW Media
Markus Langemann lädt zum Dialog ein. Der „Club der klaren Worte“ hält am 14. März 2026 in Abu Dhabi eine exklusive Veranstaltung mit Markus Langemann und Diana-Maria Stocker ab: B-Safe26 – Substanz. Souveränität. Stabilität.
Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers oder des Interviewpartners dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.
Markus Langemann, Publizist, gründete während seines Journalistikstudiums an der Ludwig-Maximilians-Universität München sein erstes Medienunternehmen. Später folgten die Gründungen von Hörfunk- und Fernsehsendern im In- und Ausland, Lehrtätigkeiten an Medienakademien und Branchenstandards setzende Innovationen. Seit 2020 ist der Medienmanager und Publizist Herausgeber des „Clubs der klaren Worte“. Sein Bemühen ist es, journalistische Unabhängigkeit, intellektuelle Redlichkeit und inhaltliche Tiefe zu fördern.