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Naher Osten

Merz: Berechtigte Kritik an Israel nicht als Vorwand für Antisemitismus nutzen

Bundeskanzler Merz hält es durchaus für nötig, manchmal die israelische Regierung zu kritisieren. Das sagte er auf einer Pressekonferenz mit Netanjahu. Annalena Baerbock reagiert als Präsidentin der UN-Generalversammlung mit Unverständnis auf die Entscheidung der deutschen Bundesregierung, das Mandat für das UNRWA nicht zu verlängern.

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Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (r) und der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz während einer gemeinsamen Pressekonferenz in Jerusalem am 7. Dezember 2025 zu den Medien.

Foto: Ariel Schalit/POOL/AFP via Getty Images

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Lesedauer: 7 Min.

Bundeskanzler Friedrich Merz hat sich bei seinem Besuch in Jerusalem für eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik der israelischen Regierung ausgesprochen – solange diese Kritik nicht die Grenze zum Antisemitismus überschreitet.
„Kritik an der israelischen Regierung ist möglich und manchmal vielleicht sogar notwendig“, sagte der CDU-Politiker bei einer Pressekonferenz mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu.
„Das halten die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel auch aus. Aber Kritik an der Politik der israelischen Regierung darf nicht als Vorwand für Antisemitismus missbraucht werden“, mahnte Merz. Er fügte hinzu: „Schon gar nicht in Deutschland, auch das zählt zu unserer geschichtlichen Verantwortung.“
Deutschland werde wegen der Verantwortung, die sich aus dem „monströsen Verbrechen der Shoa“ ergibt, „immer für die Existenz und die Sicherheit Israels einstehen“, sagte der Kanzler. „Das gehört zum Wesenskern unserer Beziehungen. Das gilt für heute, das gilt für morgen und das gilt für immer.“

Merz: Israel muss sich „auch am Völkerrecht messen lassen“

Netanjahus Regierung reagierte zuvor verärgert auf die Kritik der Bundesregierung an der israelischen Kriegsführung im Gazastreifen. Auch das im August von Merz verhängte Teil-Waffenembargo, das im November auslief, stand in der Kritik.
Das Dilemma, das zu der Entscheidung für das Waffen-Teilembargo führte, beschrieb der Kanzler so: „Deutschland muss für Israels Sicherheit einstehen, und Deutschland muss für Menschenwürde und Recht einstehen, die den Kern unserer Verfassung gerade nach Shoa und Weltkrieg ausmachen.“
Israel müsse sich als „Land im Krieg, als demokratischer Rechtsstaat“ in seinem militärischen Vorgehen „eben auch am Völkerrecht messen lassen“, so Merz.

Dani Dayan (r), Vorsitzender des Holocaust-Gedenkmuseums Yad Vashem, steht am 7. Dezember 2025 mit dem deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz in der Halle der Namen des Museums in Jerusalem.

Foto: John Wessels/POOL/AFP via Getty Images

Merz für Zweistaatenlösung – Netanjahu nicht

Die Gründung eines Palästinenserstaats an der Seite Israels eröffne vermutlich die „beste Aussicht“ für eine Zukunft im Nahen Osten, in der Israelis, Palästinenser und arabische Nachbarn „dauerhaft im Frieden“ leben, sagte Merz auf der Pressekonferenz.
Der Kanzler bekräftigte zugleich die Haltung der Bundesregierung, einen Palästinenserstaat im Unterschied zu vielen anderen Ländern nicht schon jetzt anzuerkennen. Die Bundesregierung bleibe bei ihrer Auffassung, dass die Anerkennung eines palästinensischen Staates „am Ende und nicht am Anfang eines Verhandlungssprozesses“ zu erfolgen habe.
Die Zweistaatenlösung werde sich nur durch Verhandlungen verwirklichen lassen, „und sie wird am Ende dieser Verhandlungen stehen“, sagte Merz. Allerdings wisse niemand, was bei diesen Verhandlungen herauskommen werde: „Wichtig ist, dass es einen Weg gibt, der den Staat Israel in Sicherheit, in Frieden leben lässt“, betonte Merz.
Netanjahu bezog an der Seite des Bundeskanzlers erneut energisch Stellung gegen die Gründung eines Palästinenserstaats. „In der Frage von zwei Staaten haben wir offenkundig eine unterschiedliche Sichtweise“, sagte er. Ein künftiger Palästinenserstaat hätte das Ziel, Israel als den „einzigen jüdischen Staat zu vernichten“, warnte der israelische Regierungschef.
Es dürfe kein neuer Staat auf der „Türschwelle“ Israel gegründet werden, „der sich unserer Vernichtung verschreibt“, sagte Netanjahu. Er hob auch hervor, dass eine große Mehrheit im israelischen Parlament quer durch die politischen Lager einen Palästinenserstaat ablehne.

Keine Einladung von Netanjahu nach Berlin

Ein baldiger Gegenbesuch des israelischen Ministerpräsidenten in Deutschland ist nach Angaben von Merz nicht vorgesehen. Denn gegen Netanjahu liegt ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen im Gazastreifen vor.
Eine Einladung nach Deutschland sei „zum jetzigen Zeitpunkt für uns beide kein Thema“, sagte Merz. Es gebe „im Augenblick auch keine Veranlassung, darüber zu sprechen“.
Netanjahu seinerseits zeigte sich zu einem Besuch bereit. „Ich würde mich freuen, Deutschland wieder zu besuchen“, sagte er bei der gemeinsamen Pressekonferenz. Ein solcher Besuch könnte die beidseitigen Beziehungen weiter vertiefen.
Am Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs übte er scharfe Kritik: Dieser sei von einem „korrupten Staatsanwalt“ ausgestellt worden.

Baerbock appelliert an Israel

Annalena Baerbock, Präsidentin der UN-Generalversammlung, hat eindringlich an Israel appelliert, die humanitäre Lage im Gazastreifen zu verbessern. „Der Waffenstillstand in Gaza ist leider alles andere als stabil. Seither sind mindestens 67 palästinensische Kinder getötet worden“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
„Weiterhin fehlt es hunderttausenden Menschen, vor allem vielen Kindern, an Lebensmitteln, medizinischer Versorgung, einem Dach über dem Kopf. Dafür braucht es endlich den kompletten, sicheren und ungehinderten Zugang für jegliche humanitäre Hilfe in ganz Gaza, einschließlich des Palästinenserhilfswerks UNRWA mit seinem Fokus auf Gesundheitsversorgung und Schulen.“

Streitfall UNRWA

Mit Unverständnis reagierte Baerbock auf die Entscheidung der Bundesregierung von Kanzler Merz, einer Mandatsverlängerung für das Palästinenserhilfswerk nicht zuzustimmen. UNRWA habe bereits Reformschritte umgesetzt, so Baerbock.
„Warum man sich dennoch plötzlich bei der jährlichen Verlängerung enthalten hat, auch wenn ja andererseits weiter gezahlt wird, müssen Sie die aktuelle Bundesregierung fragen“, kritisierte sie.
„Das Mandat, um das es geht, umfasst zudem ja nicht nur Gaza, sondern ebenso das Westjordanland, Jordanien, Syrien und den Libanon, wo viele palästinensische Flüchtlinge leben.“ Ohne Unterstützung der UN werde es schwer, die Region zu stabilisieren und Gaza wieder aufzubauen.
Das Palästinenserhilfswerk war nach dem 7. Oktober 2023 in Verruf geraten, weil UNRWA-Mitglieder am Massaker der Hamas beteiligt gewesen sein sollen.
Zudem sagte Baerbock: „Israels Existenzrecht und seine Sicherheit müssen gewährleistet werden – und die Palästinenser haben das Recht auf einen eigenen Staat. Nachhaltigen Frieden kann es nur mit einer Zwei-Staaten-Lösung geben.“ (afp/dts/ks)

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