Nach Schlappe bei der EU-Wahl: Union droht sich selbst zu zerlegen

Der Union droht nach ihrem durchwachsenen Abschneiden bei der EU-Wahl ein Hauen und Stechen. Während es in der Parteizentrale heißt, ein „Rechtsruck“ der JU und die „Werte-Union“ trügen die Schuld an der Schlappe, sieht der Jugendverband das Problem eher in der strategischen Schwäche der Mutterpartei.
Titelbild
Annegret Kramp-Karrenbauer bei einer Rede nach der EU-Wahl am 27. Mai 2019.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 27. Mai 2019

Mit 28,9 Prozent haben CDU und CSU am Sonntag (26.5.) zusammen ihr bislang schlechtestes Wahlergebnis aller Zeiten bei einer EU-Wahl eingefahren. Seit 1979 werden die deutschen Abgeordneten zum Europäischen Parlament direkt gewählt.

Noch in der Wahlnacht machte eine Wahlanalyse aus der Bundesgeschäftsstelle der CDU die Runde, in der die vermeintlichen Gründe aufgeführt werden, warum die Union gerade in den jüngeren Bevölkerungsgruppen schlecht abgeschnitten hat. Dies berichtet die „Welt“.

Partei der alten Leute

Neben Debatten wie jenen um Uploadfilter, die als Konsequenz der von der Union unterstützten EU-Urheberrechtsnovelle im Raum stehen, hätte es geschadet, dass die eigenen grünen Akzente vom Atomausstieg über die Energiewende bis zum Aus für die Kohle nicht weit genug gegangen wären. Zudem hätten ein „Rechtsruck“ der Jungen Union und die starke mediale Präsenz der Werte-Union „gleichzeitig zu einer deutlichen Abkehr unter 30-jähriger Wählerinnen und Wähler“ geführt.

Die Ergebnisse der Union waren in diesen Altersgruppen tatsächlich besonders verheerend. Bei den unter 30-Jährigen kommt sie nur noch auf 13 Prozent (Grüne: 33 Prozent). Bei den Erstwählern fiel die Union sogar auf nur noch elf Prozent (Grüne: 36). Allerdings lag die Partei in allen Altersgruppen unter 60 Jahre hinter den Ökosozialisten. Im Unterschied zur CDU hat die nur in Bayern antretende CSU jedoch bundesweit immerhin ein Prozent zulegen können. Die CDU hat in westdeutschen Großstädten deutlich an die Grünen verloren, im Osten hingegen vor allem an die AfD.

Zwar räumt die Führung der CDU in dem Schreiben ein, dass die Unionsverluste „wegen der leichten Zugewinne der CSU in ihrer Gesamtheit auf das Konto der CDU“ gehen. Dennoch scheint man konservative Kräfte in der Union, die seit dem Rücktritt von Kanzlerin Angela Merkel vom Amt des Parteichefs als willkommene Sündenböcke zu betrachten.

Kuban und die Werte-Union als Sündenböcke

Die Junge Union hatte im März mit Tilman Kuban einen neuen Vorsitzenden gewählt, der nicht der Favorit der Parteiführung war. Unter anderem hatte Kuban ein härteres Vorgehen in der Innen- und Flüchtlingspolitik gefordert und in der „Welt“ eine „Gleichschaltung“ der Debatten unter Angela Merkel kritisiert.

Die Werte-Union ist ein von der Parteiführung nicht anerkanntes Netzwerk, welches sich als konservativer Flügel der CDU versteht. Ihr Vorsitzender Alexander Mitsch hatte im Wahlkampf den Rückzug von Bundeskanzlerin Angela Merkel gefordert. Außerdem dient die Werte-Union bei der Parteiführung in Ungnade gefallenen Persönlichkeiten wie Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen als Plattform. Dieser war im Herbst des Vorjahres entlassen worden, nachdem er einer Einschätzung der Bundeskanzlerin zu den Ereignissen von Chemnitz öffentlich widersprochen hatte.

Unterdessen kündigt die Bundesgeschäftsstelle einen noch stärkeren Schwerpunkt auf der „Klimapolitik“ an. Vor der EU-Wahlen hatten sich mehrere führende Unionspolitiker, unter anderem Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer, von einer CO2-Steuer distanziert. Nun heißt es in dem Strategiepapier:

Für die kommende Klausurtagung des Bundesvorstands scheinen vor dem Hintergrund des Wahlergebnisses daher zu den bereits verabredeten Punkten zur Prioritätensetzung in der Koalition vorrangig klimapolitische Konzepte und der Umgang der CDU mit Herausforderungen in der digitalen Sphäre als Themen angeraten.“

Kann man Leute, die wegen der „Klimakatastrophe“ nicht mehr lernen wollen, mit Rentenpolitik ansprechen?

Die Junge Union hingegen warnt vor einem weiteren Linksruck. Dies gelte auch im Verhältnis zur SPD, der man innerhalb des Regierungsbündnisses bereits jetzt nach Auffassung der JU zu viele Zugeständnisse gemacht habe. Wie es mit der Großen Koalition weitergehe, würden die nächsten Tage entscheiden, sagte JU-Chef Tilman Kuban dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Montagsausgaben). „Allerdings kann es nicht sein, dass wir nun noch mehr SPD-Themen durchwinken, um die Koalition auf Gedeih und Verderb zusammenzuhalten.“

Unter anderem gelte dies für die Grundrente, für die die junge Generation zahlen müsse. Ob man damit das Publikum vom „Fridays for Future“ erreichen würde, ist unklar. Immerhin ist in deren Reihen die Angst vor der „menschengemachten Klimakatastrophe“ so groß, dass man Aussagen führender Vertreter davon selbst die eigene Bildung für überflüssig hält, weil ohne eine radikale Umkehr in der Klimapolitik das Lernen ohnehin keinen Sinn machen würde.

Inhaltlich wollte sich auch Kuban nicht von „Fridays for Future“ abgrenzen. Er kritisierte den Umgang der Parteiführung mit den Protestbewegungen.

„Es war ein Fehler, Leute, die für Umweltschutz oder wegen des Urheberrechts auf die Straße gehen, als gekauft oder als Bots zu bezeichnen“ sagte Kuban. „Und auf YouTube-Videos muss man sofort antworten – in angemessener Form und nicht mit einer elfseitigen Hausarbeit. Man muss Kanäle schaffen, um zu erklären, was man anders sieht. Man sollte aber auch selbstkritisch einräumen, wenn man etwas versäumt hat. Und wenn man Dinge ankündigt, sollte man sie vor allem auch machen.“

JU-Chef will eigene Themen setzen

Kuban spielte damit auf die Debatte um das CDU-kritische YouTube-Video an, welches millionenfach aufgerufen worden war. Darin hatte der Vlogger „Rezo“ der Partei vorgeworfen, immer noch nicht radikal genug für den „Klimaschutz“ einzutreten. Die Union hatte bis zuletzt über Stilfragen wie jene diskutiert, wer nun in welcher Form auf das Video antworten soll – und am Ende ein bereits produziertes Erwiderungsvideo mit MdB Philipp Amthor wieder eingestampft.

Der JU-Chef will zwar auch auf den „Klimaschutz“ eingehen, aber er rät auch dazu, sich nicht immer nur Themen vom politischen Gegner aufzwingen zu lassen. Der Wahlerfolg von Sebastian Kurz in Österreich habe gezeigt, dass steuerliche Entlastungen beim Wähler gut ankämen: „Das sollten wir zum Thema machen und wieder lernen zu begeistern“, sagte Kuban dem RND.

Gar den Rücktritt der Bundeskanzlerin, aber auch der CDU-Spitze unterhalb von Kramp-Karrenbauer, die eine Chance verdient habe, forderte die JU Rastatt auf Facebook.

In einem Text wirft sie der Mutterpartei ein „krachendes Scheitern“ ihrer Strategie vor, die sich an der Medianwähler-Strategie orientiert habe, die republikanische Strategen in den USA vor der Ära Trump entworfen hatten, um „Wahlen in der Mitte gewinnen“ zu können. Da diese in Deutschland seit der 1968er Revolte auf drastische Weise nach links gerückt war, bedeutete dies, dass sich die Union, um Erfolg zu haben, als die bessere Partei links der Mitte positionieren müsse. So konnte sie zwar Mehrheiten erringen – aber um den Preis, die Politik des Gegners adaptieren zu müssen.

Was bei der SPD gelang, scheitert gegenüber den Grünen

Im Fall der SPD scheint die Strategie der Union Erfolg gehabt zu haben. Seit 2005 stellte die Union die Kanzlerin. Wann immer es ihr gelang, Themen zu besetzen, die bislang die SPD vertreten hatte, konnte sie den Kanzler- und Regierungsbonus auf Kosten der Sozialdemokraten ausspielen. Deren einzige Option wäre es in dieser Situation gewesen, noch weiter nach links zu rücken, wo allerdings mit Grünen und „Die Linke“ zwei Parteien mit stabiler Wählerschaft existierten.

In diesem Sinne habe, so heißt es weiter, auch die CDU

die SPD zunehmend in die Bedeutungslosigkeit verbannt und die Ränder links, wie auch rechts des politischen Spektrums entblößt. Ein Freiraum wurde geboten, der es links der SPD und rechts der CDU ehemals kleinen Parteien ermöglicht hat zunehmend zu wachsen und aus einem vormals stabilen System stolzer Volksparteien ein zunehmend zersplittertes und kaum mehr mehrheitsfähiges Regierungssystem zu formen.“

Im Fall der Grünen scheint die Vereinnahmungsstrategie der Union jedoch zu scheitern. Wie „Rezo“ oder „Fridays for Future“ verdeutlichen, scheut Öko-Linke nicht davor zurück, auf eine Übernahme ihrer Positionen durch die CDU mit einer weiteren und deutlicheren Radikalisierung zu reagieren. Diese schreckt aber auch junge Wähler nicht ab.

Immerhin wagt es ja niemand, den Narrativ von einer drohenden Apokalypse, die radikalstmögliche Gegenmaßnahmen verlange, dem Grunde nach infrage zu stellen. Anders als bei traditionellen SPD-Themen geht es diesem zufolge ja nicht nur um Verteilungsfragen, sondern um den „Untergang des Planeten“. Die Union verliert gleichzeitig nach rechts traditionelle Wählerschichten.

Möglicherweise rührt auch von daher die Mahnung der JU Rastatt, statt sich von anderen die Themen aufzwingen zu lassen, solle die Union ihre eigene „Unfähigkeit, Resultate für die Bürgerinnen und Bürger zu produzieren“, überwinden. Dies könne die CDU beispielsweise tun, indem sie noch sprudelnde Staatskassen verwende, um Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Wirtschaft zu veranlassen.
(Mit Material von dts)



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