SPD beschließt Wahlprogramm: Höherer Mindestlohn, Vermögenssteuer, Mietenstopp und Tempolimit

Epoch Times9. Mai 2021

Der SPD-Bundesparteitag hat am Sonntag das Wahlprogramm der Partei für die Bundestagswahl mit hoher Mehrheit von 489 gegen drei Stimmen bei zwei Enthaltungen beschlossen.

Die Sozialdemokraten legen dabei Akzente besonders auf die Themen Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Digitalisierung. Es gehe um die Bewältigung „zentraler Herausforderungen“ unserer Zeit, sagte Parteichef Norbert Walter-Borjans.

Zur Klimapolitik stellt sich die SPD hinter die neuen schärferen Emissionsziele für Deutschland, über die derzeit in der Bundesregierung beraten wird. Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß um 65 Prozent gesenkt werden, bis spätestens 2045 Klimaneutralität erreicht sein.

Das viel kritisierte Hartz-IV-System will die SPD durch ein Bürgergeld ersetzen. In der Altersversorgung soll ein Rentenniveau von mindestens 48 Prozent dauerhaft gesichert werden. Die Mietpreisbremse will die SPD entfristen.

Bekräftigt werden die Forderungen nach einer Bürgerversicherung für alle bei Gesundheit und Pflege sowie nach besseren Arbeitsbedingungen und fairer Entlohnung von Pflegekräften.

Für die große Mehrheit der Bevölkerung will die SPD Steuern senken, für sehr Reiche aber Steuern erhöhen, auch durch die Wiedererhebung der Vermögensteuer.

Mit ihrem am Sonntag beschlossenen „Zukunftsprogramm“ setzt sich die SPD deutlich vom bisherigen Koalitionspartner Union ab. Forderungen nach mehr Klimaschutz, einem neuen Bürgergeld, Vermögensteuer und einem Tempolimit von 130 auf Autobahnen stehen für das Streben nach einem moderneren und ökologischen Image im Bundestagswahlkampf.

Klingbeil: „Jünger, bunter, weiblicher – das sind bei uns nicht nur Floskeln“

Generalsekretär Lars Klingbeil erklärte in Berlin, Scholz stehe für vier Kernziele: „Ein klimaneutrales Land bis allerspätestens 2045, das modernste Mobilitätssystem Europas, digitale Souveränität und ein flächendeckend starkes Gesundheitssystem in Deutschland.“

Indirekt versprach Klingbeil einen anderen Politikstil als unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU): „Es braucht einen politischen Kulturwandel, nicht zurücklehnen, nicht selbstzufrieden sein, nicht moderieren, sondern führen.“

Der SPD-Parteimanager wies darauf hin, dass 80 Direktkandidatinnen und -kandidaten der SPD für den Bundestag unter 35 Jahre alt seien. „Jünger, bunter, weiblicher – das sind bei uns nicht nur Floskeln.“

Einige wichtige Punkte aus dem Wahlprogramm:

Klimapolitik

Die SPD bekennt sich zur Senkung der CO2-Emissionen um 65 Prozent bis 2030 und um 88 Prozent bis 2040. Bis spätestens 2045 soll Treibhausgasneutralität erreicht werden. Diese sich abzeichnenden schärferen deutschen Klimaziele waren am Samstag noch kurzfristig in den Programmentwurf eingefügt worden. Ein Datum für den Kohleausstieg nennt die Partei nicht, das bisher anvisierte Enddatum 2038 wurde aber gestrichen.

Beim Ziel, die Stromversorgung bis 2040 vollständig auf Ökostrom umzustellen, wurde nur ein „spätestens“ eingefügt. Die EEG-Umlage will die SPD ab 2025 durch eine Finanzierung erneuerbarer Energien aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung ersetzen. Belastungen sollen durch einen sozialen Ausgleich aufgefangen werden, zum Beispiel durch einen Pro-Kopf-Bonus. Bis 2030 sollen fünf Millionen Häuser über Wärmepumpen versorgt werden.

Verkehr

Durch ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen will die SPD die Umwelt schützen und die Unfallzahlen deutlich senken. Im Jahr 2030 sollen in Deutschland 15 Millionen Pkw voll elektrisch fahren. Die SPD will zudem den öffentlichen Personennahverkehr klimaneutral ausbauen, Modelle für ein 365-Euro-Ticket unterstützen und den Schienenverkehr sowie den Radverkehr stärken. Es soll auch wieder mehr Nachtzüge geben.

Steuern

Die SPD will kleine und mittlere Einkommen steuerlich besser stellen, zugleich aber hohe Einkommen und Vermögen stärker belasten. Einen Aufschlag von drei Prozentpunkten soll es bei der Einkommensteuer ab Einkünften von 250.000 Euro (500.000 Euro für Verheiratete) geben. Zudem will die SPD auf sehr hohe Vermögen wieder eine Vermögensteuer von einem Prozent erheben. Betriebe sollen aber verschont bleiben. Den Solidaritätszuschlag für Spitzenverdienste will die SPD beibehalten.

Arbeit

Der gesetzliche Mindestlohn soll auf zwölf Euro steigen. Eine sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen soll nicht mehr möglich sein, Leiharbeiter sollen ab dem ersten Tag den gleichen Lohn erhalten wie Festangestellte. Zudem tritt die SPD für einen Rechtsanspruch auf mobile Arbeit von mindestens 24 Tagen im Jahr ein. Tarifverträge sollen leichter für allgemein verbindlich erklärt werden können.

Soziales

Hartz IV will die SPD durch ein Bürgergeld ersetzen, das digital und unkompliziert zugänglich sein soll. Der Zugang zu Arbeitslosengeld soll leichter werden. Zentrales Element der Altersvorsorge soll die gesetzliche Rente bleiben – mit einem Rentenniveau von dauerhaft mindestens 48 Prozent. Auch soll es eine generelle Pflicht zur Altersvorsorge geben, Beamte und Selbstständige sollen in die Rentenversicherung einbezogen werden. Die Mietpreisbremse will die SPD entfristen.

Gesundheit

In der Gesundheitspolitik bekräftigt die SPD ihre Forderung nach Einführung der Bürgerversicherung für alle. In der Pflege soll es gute Arbeitsbedingungen und „vernünftige Löhne“ geben. Die Renditeorientierung im Gesundheitswesen will die SPD begrenzen, die geltenden Fallpauschalen auf den Prüfstand stellen. Den Eigenanteil bei der Pflege will die SPD deckeln.

Bildung

Die SPD bekräftigt den Anspruch auf gute, verlässliche und kostenlose Bildung und Betreuung von der Kita an. Allen Schülerinnen und Schülern soll ein digitales Endgerät zur Verfügung stehen. Weiterbildung soll in allen Lebensphasen möglich sein.

Gesellschaft

Die SPD will sich Hass und Hetze, Ausgrenzung, Diskriminierung, Rassismus, Antisemitismus und dem Erstarken rechtsextremer Kräfte entgegenstellen. Die Digitalisierung soll unter Wahrung der freien Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürger vorangetrieben werden.

Außenpolitik

Die SPD setzt auf eine starke und solidarische EU und deren Weiterentwicklung zu einer Fiskal-, Wirtschafts- und Sozialunion. Die transatlantischen Beziehungen sollen wieder gestärkt werden. Die SPD bekennt sich zu Nato und Stärkung der Bundeswehr, ein Einsatz auch bewaffneter Drohnen wird offengelassen.

SPD-Parteitag bestätigt Scholz als Kanzlerkandidat

Der SPD-Bundesparteitag hat Finanzminister Olaf Scholz mit überwältigender Mehrheit als Kanzlerkandidaten der Sozialdemokraten bestätigt. Für Scholz stimmten am Sonntag 513 Delegierte, es gab 20 Gegenstimmen und zwölf Enthaltungen. In seiner Rede bekräftigte Scholz zuvor mit den Worten: „Ich kann das!“ seinen Anspruch auf die Regierungsführung.

Regieren wolle er an der Spitze einer „breiten Allianz für neuen Fortschritt“, fügte kündigte Scholz an, ohne sich auf konkrete Koalitionsoptionen festzulegen. Er warb für eine Gesellschaft des gegenseitigen Respekts.

Es gehe gerade nach der Pandemie um „Perspektiven für die junge Generation“, aber auch um „die Anerkennung von Lebensleistung durch eine sichere Rente; mit einem verlässlichen und stabilen Rentenniveau“.

Zwang gegen Spitzenverdiener öffentliche Aufgaben zu finanzieren

Steuerlich wolle er eine Politik, die kleine und mittlere Einkommen entlaste „und die zugleich Millionäre und Milliardäre stärker für die Finanzierung von öffentlichen Aufgaben heranzieht“, sagte der Finanzminister und Vizekanzler.

Gegen Wohnungsknappheit und hohe Mieten setze er auf ein Bauprogramm, koordiniert von einem Bündnis „Bezahlbarer Wohnraum für alle“.

Notwendig bleibe aber auch ein gesetzlicher Mietenstopp. „Wo Wohnungen knapp sind, da dürfen die Mieten nicht stärker steigen als die Inflation“, sagte Scholz. Der Mindestlohn müsse auf „mindestens zwölf Euro pro Stunde“ steigen.

Scharf attackierte Scholz die politischen Gegner. CDU und CSU seien „verantwortlich für den Fortschrittsstau“. Daher wäre eine weitere von der Union geführte Regierung „ein Risiko für Wohlstand und Arbeitsplätze“ und „ein Standortrisiko für unser Land“.

Umgekehrt warf er den Grünen vor, sie setzten darauf, „große Ziele allein würden genügen, um die Zukunft zu gewinnen“ und sie würden praktische Fortschritte vernachlässigen.

Scholz: Klimaneutralität bis spätestens 2045

Für seine eigene Politik nannte er vier Zukunftsmissionen, die er zu „meinen persönlichen Anliegen“ machen wolle: Mobilität, Klimaschutz, Digitalisierung und Gesundheit. „Wir werden überall in Deutschland Schiene und öffentlichen Nahverkehr ausbauen und die Automobilindustrie des 21. Jahrhunderts aufbauen“, kündigte der Finanzminister an.

Beim Klimaschutz müsse Schluss sein „mit Zaudern und Klein-Klein“, betonte Scholz. „Wir wollen Klimaneutralität bis spätestens 2045 erreichen“, versicherte er weiter. Um bis 2040 vollständig auf Ökostrom-Versorgung zu erreichen, müssten jetzt die dafür nötigen Windkraftanlagen durchgesetzt werden.

Digitalisierung bedeute für ihn „Breitband auf Weltklasse-Niveau für alle – und zwar überall in Deutschland“ und „keine Funklöcher mehr, für niemanden“, sagte Scholz.

Zum Thema Gesundheit verwies er auf die Erfahrung der Corona-Pandemie: „Wir müssen unser Gesundheitssystem jetzt so organisieren, dass uns eine Lage wie diese nie wieder überrollen wird.“ Dazu gehörten auch „mehr Tariflöhne und bessere Bezahlung“, nicht nur, aber auch im Pflegebereich. (afp)



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