Verfassungswidrig: Senat stoppt Verbotsaktion „autofrei Berlin“

12 private Autofahrten pro Jahr möchte eine Initiative den Menschen in der Berliner Innenstadt erlauben – nach Anmeldung. Der Berliner Senat hält das für verfassungswidrig, die Pläne sind selbst der rot-rot-grünen Landesregierung zu radikal.
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Montagmorgens: Radfahrer und Autofahrer am Brandenburger Tor in Berlin am 7. Dezember 2020.Foto: Odd Andersen/AFP via Getty Images
Von 21. Mai 2022

Schon ab 2030 sollen in der Berliner Innenstadt nach Senatsbeschluss im vergangenen Jahr nur noch E-Autos fahren dürfen. Manchen in der rot-rot-grün regierten Bundeshauptstadt ist auch dies noch nicht radikal genug.

Ein Volksbegehren sollte für Veränderungen sorgen und Unterschriften wurden gesammelt. Im August 2021 überschritt das Bestreben mit 50.333 Unterschriften die benötigte 20.000-Unterschriften-Hürde und das Volksbegehren konnte starten. Allerdings scheint das Vorhaben samt Gesetzentwurf selbst dem rot-rot-grünen Senat als zu radikal. Dieser hält das Berliner „Gemeinwohl-Straßengesetz“ für verfassungswidrig.

Senat: Vorhaben verfassungswidrig

Dieser Tage legte die Initiative „Berlin autofrei“ ihren Plan für die verkehrstechnische Verödung von 88 Quadratkilometern Innenstadt dem Berliner Senat zur Prüfung vor – und kassierte bei R2G eine Abfuhr. Der Senat hält den Plan zur Verbannung fast des kompletten Privatverkehrs aus dem Bereich innerhalb des S-Bahn-Rings für unzulässig. 

Nach einer Beratung am 17. Mai schloss sich der Senat einem bereits vom Innensenat abgegebenen Statement an. In einem der Epoch Times vorliegenden Statement des Senats wurde dem Antrag auf Einleitung des Volksbegehrens „Volksentscheid Berlin autofrei“ erwartungsgemäß eine Absage erteilt. Die Initiative wollte mit Verboten eine autofreie Innenstadt von der Größe des S-Bahn-Rings erwirken.

Der Senat erkannte den vorgebrachten Gesetzentwurf der Initiative als mit dem Grundgesetz nicht vereinbar, weil er mit „unverhältnismäßigen Eingriffen in die allgemeine Handlungsfreiheit“ verbunden sei. Besonders wurde dabei die geringe Anzahl der zulässigen Privatfahrten pro Jahr beanstandet. Zudem würden die Probleme des „flächenverbrauchenden Parkens“ lediglich in die Übergangsbereiche zur Innenstadt verlagert. Damit stehe der Gesetzentwurf „im Widerspruch zu den Zielen des Mobilitätsgesetzes, das einen gesamtstädtischen Ansatz verfolgt“.

Damit ist vorerst auch das Vorhaben einer Volksabstimmung gestoppt. Nun muss das Landesverfassungsgericht Berlin entscheiden: Liegt bei dem „autofrei“-Bestreben ein Verstoß gegen das Grundgesetz vor?

Sylvia Schwab, Sprecherin der Innenverwaltung Berlins, teilte nach Angaben des RBB mit, es sei mit der allgemeinen Handlungsfreiheit unvereinbar, Autofahrten nur noch in Ausnahmefällen zuzulassen. Auch die Berliner Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) hatte sich bereits gegen die „autofrei“-Pläne ausgesprochen, weil dadurch lediglich die Verkehrsprobleme in die Randbereiche verlagert würden.

Initiative ist empört

Mit Empörung reagierte die „autofrei“-Initiative auf die Reaktion des Senats. Deren Sprecher Benni Wasmer sagte dem RBB: „Unser Gesetz ist nicht nur verhältnismäßig“, so Wasmer, es sei auch dringend notwendig und von „erfahrenen Jurist:innen erarbeitet, geprüft und verbessert“ worden. 

Dem Senat werfe man vor, die Verkehrswende „auszubremsen“. Man kündigte eine gerichtliche Prüfung des Volksbegehrens an. Ohnehin werde die Angelegenheit ein Fall für den Verfassungsgerichtshof Berlin, weil der Senat die Rechtmäßigkeit des Volksbegehrens nicht anerkannt habe.

Die Berliner Linke befürwortete das Bestreben der Auto-Befreiung der Innenstadt. Linken-Verkehrssprecher Kristian Ronneburg: „Wir teilen das Ziel der Initiative.“ Als einen nicht allzu ernst zu nehmenden „ökosozialistischen Vorschlag“ bezeichnete hingegen der ehemalige Berliner Abgeordnete Marcel Luthe (Freie Wähler, zuvor FDP) das Bestreben.

Auch in der Opposition mag man den radikalen Plänen der Initiative offenbar nicht zustimmen. Während es auf der Berliner CDU-Fraktionsseite ohnehin heißt: „Zur Mobilität der Zukunft gehört auch das Auto“, befürchtet die AfD einen Bedeutungsverfall Berlins. Eine autofreie Innenstadt würde nach Ansicht des verkehrspolitischen Sprechers der Berliner AfD-Fraktion, Harald Laatsch, die „Noch-Weltstadt Berlin zum verschnarchten Lastenrad-Biedermeier“ machen. 

Der Berliner FDP-Verkehrssprecher Felix Reifschneider meinte, dass „die Rolle des Autos im Berliner Verkehr“ politisch entschieden werden müsse.

12 Fahrten pro Jahr erlaubt? 

Die Website der Initiative vermittelt, um was es den Befürwortern des „autofrei“-Gesetzes für Berlin geht: „Letztlich geht es darum, dass die wirklich notwendigen Fahrten weiterhin mit dem Auto möglich sind und wir ansonsten ruhige und sichere Straßen in Berlin genießen können.“ 

Private Fahrten soll es dem „Berliner Gesetz für gemeinwohlorientierte Straßennutzung (GemStrG Bln)“ nach nur begrenzt geben, „jährlich bis zu zwölf Nutzungszeiträume von jeweils 24 Stunden“. Diese Sondernutzung muss bei den Behörden unter „Angabe des Erlaubnisgrundes“ über ein elektronisches Verwaltungsportal erklärt – und auf Nachfrage der Behörden nachgewiesen werden. Zum Beispiel „etwa zu Fahrten aus der Innenstadt heraus ins Grüne“. Angedacht ist eine Reduzierung der Fahrten nach zehn Jahren auf nur noch „sechs Nutzungszeiträume“.

Wie der „Tagesspiegel“ herausfand, sei eine „zunächst angedachte Einschränkung“ im aktuellen Entwurf vorsorglich wegen rechtlicher Bedenken gestrichen worden. Demnach hätte es ursprünglich „Privatfahrten nur für den Transport schwerer oder sperriger Güter oder für Urlaubsfahrten“ gegeben.

Um Lebensmittel und andere Waren in die Innenstadt zu transportieren, soll der Güterwirtschaftsverkehr Ausnahmegenehmigungen bekommen. Sondergenehmigungen könnten Bürger auch für die Fahrt zur Arbeit bekommen, wenn der ÖPNV nicht ausreicht. Ausnahmen sollte es auch geben, „wenn ohne die Nutzung eines Kraftfahrzeugs den spezifischen Schutz- und Sicherheitsbedürfnissen insbesondere zu Nachtzeiten einer von Diskriminierung betroffenen Person im öffentlichen Raum nicht entsprochen werden kann.“ Was damit gemeint war, steht allerdings nicht im Text.



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