Krieg im Gazastreifen
„Nichts wird übrig bleiben“: Israel bereitet sich auf Einsatz gegen Hamas in Gaza vor
Tausende Islamisten, Sprengfallen und Tunnel: Während die israelische Armee sich auf ihren ausgeweiteten Einsatz gegen die Hamas in der Stadt Gaza vorbereitet, warnen Sicherheitsexperten vor einem schwierigen Unterfangen.

Palästinenser tragen Säcke mit Mehl, die sie aus Hilfsgüter-Lkw erhalten haben, die am 1. August 2025 über den Grenzübergang Zikim in Jabalia im nördlichen Gazastreifen einfuhren.
Foto: Bashar Taleb/AFP via Getty Images
Mit Angriffen auf die letzten Hochburgen der islamistischen Hamas in dem dichtbesiedelten Gebiet will Israels Regierung den seit 22 Monaten andauernden Krieg im Gazastreifen beenden, den die Hamas mit ihrem brutalen Angriff am 7. Oktober 2023 ausgelöst hatte. Eine Evakuierung der Zivilbevölkerung ist laut Experten allerdings schwierig.
Hunderttausende Zivilisten
Vor dem Krieg lebten etwa 760.000 Menschen in der größten Stadt des Gazastreifens. Im Zuge israelischer Angriffe gegen die Hamas im Süden des Palästinensergebiets ist die Zahl ihrer Bewohner sogar noch weiter angestiegen.
Viele Vertriebene leben neben zerstörten Gebäuden in Zeltstädten südlich von Gaza. Dies dürfte das Vorhaben von Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, Zivilisten in dem Gebiet zu evakuieren, schwer umsetzbar machen.
Der ehemalige israelische Geheimdienstvertreter Michael Milshtein warnt davor, die palästinensische Zivilbevölkerung wie bislang in sogenannte humanitäre Zonen im Süden des Gazastreifens zu treiben.
„Man kann nicht eine weitere Millionen Menschen dorthin bringen. Das wird eine grauenhafte humanitäre Krise sein“, sagte Milshtein der Nachrichtenagentur AFP.
Nach Einschätzung des Leiters der israelischen Denkfabrik Defense and Security Forum, Amir Avivi, will die israelische Armee Zivilisten zu Umsiedlung in den Süden des Gazastreifens bewegen, indem sie dort die Verteilung von Hilfsgütern durch die von den USA und Israel unterstützte Stiftung Gaza Humanitarian Foundation (GHF) verstärkt. Die dortigen GHF-Zentren sollen Avivi zufolge von aktuell vier auf 16 ansteigen.
Der von der Hamas kontrollierte Zivilschutz sowie mehrere Nichtregierungsorganisationen werfen der israelischen Armee jedoch vor, täglich auf hilfesuchende Zivilisten rund um die Verteilzentren zu schießen.
Human Rights Watch hatte die GHF-Zentren zuletzt als „Todesfallen“ bezeichnet, die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen sprach von Orten „orchestrierter Tötungen und Entmenschlichung“.
Die GHF wiederum beschuldigt die Hamas, Unruhe zu stiften und auf Zivilisten zu schießen. Auch die israelische Armee macht die Hamas für die Schüsse auf Zivilisten in der Umgebung der GHF-Verteilzentren verantwortlich.
„Herz der Hamas-Herrschaft im Gazastreifen“
Die Stadt Gaza sei schon immer das Zentrum der Regierung im Gazastreifen und der Standort der stärksten Hamas-Brigade gewesen, erklärt Avivi. Sie bilde das „Herz der Hamas-Herrschaft im Gazastreifen“.
Sicherheitsexperte Milshtein geht davon aus, dass der bewaffnete Arm der Hamas, die Al-Kassam-Brigaden, bis zu 15.000 Kämpfer in der Stadt positioniert haben könnte. Viele seien neu rekrutiert worden.
„Es ist sehr einfach, einen 17-, 18-, 19-jährigen Palästinenser zu überzeugen, ein Teil der Al-Kassam-Brigaden zu werden“, sagte Milshtein der AFP.
Neben der israelischen Armee bereite auch die Hamas sich auf die „Schlacht“ in Gaza vor. Die Kämpfe könnten „sehr ähnlich“ denen zu „Stalingrad“ werden, sagt Milshtein mit Blick auf eine der längsten und verlustreichsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs.
Der Sieg der Roten Armee über Hitlers Wehrmacht in Stalingrad, dem heutigen Wolgograd, stellte 1942-1943 einen Wendepunkt im Kampf der Sowjetunion gegen Nazi-Deutschland dar.
Neben der großen Anzahl an Hamas-Kämpfern dürften die israelische Armee auch weitere Hürden bei der Einnahme der Stadt erwarten. Dazu gehört ein riesiges Netzwerk an unterirdischen Tunneln, in denen Beobachtern zufolge die israelischen Geiseln festgehalten werden.
Zudem müsse mit improvisierten Sprengsätzen sowie dem Missbrauch von Zivilisten als menschlichen Schutzschilden durch die Hamas gerechnet werden.
Angesichts dieser Bedingungen warnt die Vertreterin der Denkfabrik International Crisis Group, Mairav Zonszein, vor den unvermeidbaren Konsequenzen eines israelischen Vorgehens in Gaza.
„Es ist fast unmöglich, dort einzudringen, ohne sowohl den Tod von Geiseln als auch eine große humanitäre Katastrophe zu verursachen“, sagt sie.
Die materielle Zerstörung werde zudem enorm sein. „Sie werden einfach alles zerstören und dann wird nichts mehr übrig sein.“
Die israelische Armee ist nach den Worten von Armeechef Ejal Samir dennoch zuversichtlich, einen militärischen Sieg in Gaza zu erringen. Seine Truppen „werden in der Lage sein, Gaza zu erobern, wie sie es in Chan Junis und Rafah im Süden getan haben“, erklärte Samir am Montag.
Die israelischen Streitkräften seien bereits in der Vergangenheit in Gaza im Einsatz gewesen. „Und wir wissen, wie wir es wieder tun müssen.“
Kairo: Neue Verhandlungen über Waffenruhe und Geisel-Freilassung
Die Regierung in Ägypten bemüht sich nach eigenen Angaben gemeinsam mit den USA und Katar erneut um eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln im Gazastreifen.
Mit einer erneuten Initiative arbeiteten die drei Vermittlerländer „sehr hart daran“, einen bereits vorliegenden Plan für eine 60-tägige Waffenruhe voranzubringen, sagte Ägyptens Außenminister Badr Abdelatty am Dienstag vor Journalisten in Kairo. Hauptziel sei es, „zu dem ursprünglichen Plan zurückzukehren“.
Dieser Plan umfasst demnach eine Feuerpause für die Dauer von 60 Tagen, während der „einige Geiseln“ im Austausch gegen „einige“ in Israel inhaftierte palästinensische Gefangene freigelassen werden sollen. Überdies sehe der Plan die „unbegrenzte und bedingungslose“ Einfuhr von humanitären und medizinischen Gütern in das Palästinensergebiet vor.
Die islamistische Hamas hatte mit ihrem brutalen Großangriff auf Israel am 7. Oktober 2023 den Krieg im Gazastreifen ausgelöst. Dabei wurden nach israelischen Angaben mehr als 1200 Menschen getötet, 251 Menschen wurden als Geiseln verschleppt. Fast zwei Jahre danach halten die Islamisten im Gazastreifen noch immer 49 Geiseln in ihrer Gewalt. Nur 22 von ihnen sind nach Einschätzung der israelischen Armee noch am Leben.
Als Reaktion auf den Hamas-Überfall geht Israel seither massiv militärisch in dem Palästinensergebiet vor. Dabei wurden nach Angaben der Hamas-Behörden, die nicht unabhängig überprüft werden können, bislang mehr als 61.400 Menschen getötet. (afp/red)
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