Meinungszensur auf Twitter enthüllt: So geht selektives „Reichweiten-Management“

Teil zwei der Twitter-Files: Am Donnerstag veröffentlichte Journalistin Bari Weiss den zweiten Band der sogenannten Twitter-Files. Diese offenbaren subtile Methoden der Meinungszensur.
Schild am Twitter-Hauptsitz in San Francisco. Twitter-Besitzer Elon Musk lässt Nutzer über Freischaltung gesperrter Accounts abstimmen.
Schild am Twitter-Hauptsitz in San Francisco. Twitter-Besitzer Elon Musk lässt Nutzer über Freischaltung gesperrter Accounts abstimmen.Foto: Jeff Chiu/AP/dpa
Von 12. Dezember 2022

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Am Donnerstagabend (08.12.) hat die Gründerin und Herausgeberin von „The Free Press“, Bari Weiss, den zweiten Band der sogenannten Twitter-Files veröffentlicht. In Zusammenarbeit mit dem neuen Twitter-Eigentümer Elon Musk und dem Journalisten Matt Taibbi wertet sie interne Unterlagen über mögliche Zensurpraktiken auf der Plattform aus.

Zensurmechanismen unterhalb der Schwelle einer Sperrung

Bereits zu Beginn des Monats hatte Elon Musk selbst den ersten Teil der Dokumentensammlungen veröffentlicht. Darin war nachzuvollziehen, wie ehemalige Twitter-Führungskräfte eine Enthüllungsreportage über Inhalte eines Laptops von Hunter Biden unterdrückten. Dessen Vater Joe Biden stand damals noch im Wahlkampf um die US-Präsidentschaft. Der Laptop enthielt potenziell kompromittierende Inhalte, unter anderem über Geschäfte Hunter Bidens mit der KP Chinas.

Die Tweets enthielten die Kommunikation zwischen Twitter-Mitarbeitern, die sich damit auseinandersetzten, wie sie ihre Entscheidung, den Hunter-Biden-Bericht zu zensieren, nach außen entschuldigen sollten.

Der aktuelle Band der Twitter-Files befasst sich mit subtilen Zensurmechanismen, die unterhalb der Schwelle von Löschungen und Sperren, eine Verbreitung nicht erwünschter Meinungen behindern sollten. Dazu arbeitete das frühere Team mit mehreren Tags, die bestimmten Nutzern angeheftet wurden, ohne dass diese Kenntnis darüber gehabt hätten.

Medizinprofessor für Kritik an Corona-Lockdowns diszipliniert

Eine der subtilen Zensurvarianten bei Twitter war demnach die sogenannte Trends Blacklist. Hashtags, die dort landeten, schafften es auch dann nicht auf die für alle Nutzer sichtbare Trending-Liste, wenn sie tatsächlich zu den meistbenutzten zählten. Außerdem war die Sichtbarkeit der Tweets von Personen, die auf der Liste landeten, eingeschränkt.

Zu den Betroffenen gehörte beispielsweise die Seite „Libs of TikTok“. Diese dokumentierte hauptsächlich Videos, in denen sich radikale Linke selbst kompromittierten – die sie allerdings zuvor selbst auf TikTok veröffentlicht hatten.

Auf der Trends Blacklist landete jedoch auch Dr. Jay Bhattacharya, ein Professor für Medizin an der Stanford University School of Medicine. Sein „Delikt“: Er hatte deutlich gemacht, Corona-Lockdowns würden Kinder an ihrer physischen und psychischen Gesundheit schädigen. Heute gilt dies als Konsens in der Fachwelt – damals in der Zeit der Maßnahmen sah man es jedoch als potenziellen Kampf gegen „Fehlinformation“ an.

Neben der Trends Blacklist gab es auch eine für Suchen, die dafür sorgten, dass bestimmte Nutzer nicht über die Suchleiste zu finden waren. Dies betraf beispielsweise den Talkshow-Moderator Dan Bongino. Darüber hinaus führte das alte Twitter-Team den Gründer von „Turning Point USA“, Charlie Kirk, auf einer „Nichtverstärkungsliste“. Zudem war er mit seinen Inhalten als „Not Safe For Work“ gebrandmarkt.

Nutzer hatten keine Handhabe

Die Unterlagen, die Bari Weiss ausgewertet hatte, machen aus ihrer Sicht deutlich:

Eine neue #TwitterFiles-Untersuchung enthüllt, dass Teams von Twitter-Mitarbeitern schwarze Listen erstellen, missliebige Tweets am Trending hindern und aktiv die Sichtbarkeit ganzer Accounts oder sogar Trending Topics einschränken – alles im Geheimen, ohne die Nutzer zu informieren.“

Ursprünglich habe Twitter es als seine Mission gesehen, „jedem die Möglichkeit zu geben, Ideen und Informationen sofort und ohne Hindernisse zu erstellen und zu teilen“. Auf dem Weg dorthin, so Weiss, habe man jedoch immer mehr Schranken errichtet.

Twitter-Mitarbeiter räumen „Sichtbarkeitsfilter“ ein

Im Wege direkter Kommunikation hätten mehrere Angestellte von Twitter ihr das System der subtilen Content-Unterdrückung durch „Reichweiten-Management“ bestätigt, so Weiss. So hätten „hochrangige Quellen“ ihr gegenüber eingeräumt, dass es eine sogenannte Sichtbarkeitsfilterung gegeben habe. Diese hätten es Nutzern erschweren sollen, nach bestimmten Personen zu suchen.

Das Sichtbarkeitsfilter-Tool habe den Umfang der Auffindbarkeit eines bestimmten Tweets eingeschränkt. Dazu habe es verhindert, dass die Tweets bestimmter Nutzer jemals im „Trending“-Bereich auftauchten, und sie bei der Hashtag-Suche blockiert. All dies sei ohne das Wissen der Nutzer passiert – und damit auch ohne, dass diese eine Handhabe dagegen zur Verfügung gehabt hätten.

Ein Twitter-Ingenieur habe Weiss gegenüber von einem „sehr mächtiges Werkzeug“ gesprochen, um „zu unterdrücken, was die Leute auf verschiedenen Ebenen sehen“. Von diesem habe der Dienst auch „ziemlich oft“ Gebrauch gemacht. Weiss zitiert ihre Quelle mit der Aussage:

Wir kontrollieren die Sichtbarkeit ziemlich stark. Und wir kontrollieren die Verstärkung deiner Inhalte ziemlich stark. Und normale Menschen wissen nicht, wie sehr wir das tun.“

Zwei weitere Mitarbeiter hätten ihr die Angaben bestätigt, so Weiss.

„Elitezirkel“ befasste sich mit besonders heiklen Fällen

Zuständig waren demnach zwei Gruppen, die beide für die Öffentlichkeit nicht sichtbar gewesen seien. Die „normale“ Inhaltsmoderation habe das „Strategic Response Team-Global Escalation Team“ (SRT-GET) ausgeübt. Pro Tag sei dieses mit etwa 200 „Fällen“ konfrontiert gewesen, die auf Grundlage der Richtlinien bearbeitet worden wären.

Darüber hinaus habe es jedoch einen „Site Integrity Policy, Policy Escalation Support“ (SIP-PES) gegeben, der über diese Agenden hinaus die schwarzen Listen betreut habe. Diesem habe unter anderem Vijaya Gadde angehört, die ehemalige Leiterin der Abteilung für Rechtspolitik und Vertrauen bei Twitter.

Außerdem waren demnach Yoel Roth, ehemaliger Leiter der Abteilung für globales Vertrauen und Sicherheit, sowie die ehemaligen CEOs Jack Dorsey und Parag Agrawal mit dabei. Das SIP-PES-Team war für die „größten und politisch heikelsten Entscheidungen“ zuständig, zitiert Weiss einen Twitter-Mitarbeiter. Dies habe etwa „umstrittene Accounts mit vielen Followern“ betroffen.

Hochrangige Mitarbeiter bestritten Shadowbans bei Twitter

Bari Weiss weist darauf hin, dass ehemalige Twitter-Führungskräfte noch im Jahr 2018 erklärt hätten, dass es keine Shadowbans für Konten aufgrund politischer Meinungen gäbe. Sowohl Vijaya Gadde als auch der ehemalige Produktchef Kayvon Beykpour hätten dies ausdrücklich betont. Gadde erklärte damals:

Eine bestimmte Ideologie oder einen bestimmten Glauben zu bevorzugen, widerspricht allem, wofür wir stehen.“

Beide äußerten in einem gemeinsamen Blogbeitrag:

Wir führen keine Schattenverbote ein. Sie können die Tweets von Konten, denen Sie folgen, immer sehen (auch wenn Sie möglicherweise mehr Aufwand betreiben müssen, um sie zu finden, z. B. direkt zu ihrem Profil gehen). Und wir verhängen ganz sicher keine Schattenverbote aufgrund von politischen Ansichten oder Ideologien.“

Die nun ausgewerteten Dokumente lassen Gegenteiliges erkennen, und es ist durchaus auffällig, dass sich vor allem konservative Accounts unter den Betroffenen finden.

Vorwurf eines „hasserfüllten Verhaltens“ konstruiert

Demgegenüber blieb ein Post unbehelligt, der in der Absicht sogenannten Doxxings ein Bild des Hauses von Chaya Raichik samt Wohnadresse veröffentlichte. Das Bild erhielt mehr als 10.000 Likes. Auf eine Beschwerde hin habe es geheißen, dass der Beitrag „keinen Verstoß gegen die Twitter-Regeln“ beinhalte.

Raichik ist Gründerin des „Libs of TikTok“-Accounts, der seit November 2020 besteht und 1,4 Millionen Follower aufweist. Die SIP-PES-Gruppe sei an der Entscheidung beteiligt gewesen, den Account zu sperren, der zuvor auf der „Trend Blacklist“ gewesen sei. Weiss zufolge habe es auch einen Vermerk gegeben, wonach Maßnahmen gegen Raichik nur nach Rücksprache mit SIP-PES erfolgen dürften.

Das Konto der Gründerin habe Twitter allein im Jahr 2022 siebenmal für eine Woche für Beiträge gesperrt. Als Begründung gab man „hasserfüllte Inhalte“ an. Ein internes Memo vom Oktober 2022 enthüllte jedoch, dass die Sperre willkürlich war. Die geheime Gruppe habe demnach selbst festgestellt, dass das Konto „nicht direkt in ein Verhalten verwickelt war, das gegen die Richtlinie gegen hasserfülltes Verhalten verstieß“.

Man rechtfertigte die Sperre jedoch mit einer angeblichen Förderung der Online-Belästigung von „Krankenhäusern und medizinischen Dienstleistern“. Dies sei durch die Aussage geschehen, dass „dass geschlechtsspezifische Gesundheitsfürsorge mit Kindesmissbrauch oder Grooming gleichzusetzen“ sei.

Nach Weiss‘ Bericht stellte Raichik fest, dass ein von Weiss geteilter Screenshot zeigte, dass ihr „Libs of TikTok“-Konto am 7. Dezember immer noch auf der schwarzen Liste stand. Sie sprach das Problem mit Musk an, der ihr antwortete, dass er sich die Sache ansehe.

Dritter Band von Twitter Files angekündigt

Weiss kündigte indes „noch mehr zu dieser Geschichte“ an. Auf ihrer Webseite würden schon bald weitere Enthüllungen über die Praktiken der früheren Twitter-Führung publiziert werden. Weiss erklärte, es gebe eine Vereinbarung mit Musk, Zugang zu den Dateien von Twitter zu erhalten. Allerdings müsse sie im Gegenzug das Material zuerst auf Twitter veröffentlichen. Weiss kündigte an:

Wir fangen gerade erst mit unserer Berichterstattung an. Dokumente können hier nicht die ganze Geschichte erzählen.“

Zudem werde es schon in absehbarer Zeit einen dritten Bericht über die sogenannten Twitter-Files geben. Diesen werde Matt Taibbi veröffentlichen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion