Die vaterlose Gesellschaft

Der amerikanische Männerrechtler Warren Farrell macht sich für Väter stark. Er sieht einen Zusammenhang zwischen vaterlosen Familien und psychischen Erkrankungen bei Jungen.
Warren Farrell
Warren Farrell hat nichts gegen starke Frauen, zu einer gesunden Familie würden aber auch die Väter gehören.Foto: Tal Atzmon/The Epoch Times
Von und 2. August 2022

Der Publizist Warren Farrell hat herausgefunden, dass „väterliche Benachteiligung“ ein Hauptfaktor für die Zunahme von Geisteskrankheiten, Sucht und Selbstmord bei jungen Männern ist.

Er bringt die Massenschießereien in 53 Industrieländern mit Jungen und Männern in Verbindung, denen eine Vaterfigur fehlt, und er erwähnt speziell sechs Massenschießereien, die sich in den Vereinigten Staaten im 21. Jahrhundert ereignet haben. „Alle sechs dieser Massenschießereien an Schulen, bei denen mehr als zehn Menschen getötet wurden, wurden von Jungs verübt, denen der Vater fehlte, von Sandy Hook bis hin zum Amoklauf in Texas“, erklärte Farrell kürzlich in einem Interview für die Sendung „American Thought Leaders“ von EpochTV.

Farrell bezog sich dabei auf die Schießerei an der Sandy-Hook-Grundschule in Newtown, Connecticut, im Jahr 2012 und die Schießereien an der Robb-Grundschule in Uvalde, Texas, am 24. Mai 2022.

Er sagte, dass Mädchen in der gleichen Umgebung aufwachsen wie Jungen, Zugang zu den gleichen Medien, Videospielen und Waffen haben und mit den gleichen psychischen Problemen zu kämpfen haben, dass sie aber keine der Schießereien begehen.

Farrell hat es sich zur Mission gemacht, die politischen Entscheider über die Bedeutung von Vätern im Leben von Kindern, vor allem von Jungen aufzuklären. Seine Bemühungen haben dazu geführt, dass in Florida und Kentucky Gesetze erlassen wurden, die die entscheidende Rolle des Vaters anerkennen, insbesondere im Falle einer Scheidung.

Nach Angaben der US-Volkszählungsbehörde ist eine alleinerziehende Mutter, die mit ihrem Kind oder ihren Kindern zusammenlebt, die zweithäufigste Lebensform in den Vereinigten Staaten – eine Zahl, die sich in den letzten 50 Jahren verdoppelt hat.

Vom Frauen- zum Männerrechtler

Im Interview verwies Farrell auf die Arbeit des Psychologen Richard Warshak, der herausfand, dass Kinder, die nach einer Scheidung Zeit sowohl mit der Mutter als auch mit dem Vater verbringen, im späteren Leben bessere Ergebnisse erzielen. Die Anwesenheit des Vaters sei wichtiger als nur wirtschaftliche Variablen.

Warshaks Studie habe ergeben, dass 100 Prozent der Akademiker darin übereinstimmten, dass Kinder, die ohne Vater aufwachsen, die größten Probleme haben, so Farrell.

Dabei hat sich der Buchautor früher gar nicht um die rechte der Männer gekümmert, sondern ganz im Gegenteil, er sei um die Welt gereist, um sich für die Belange der Frauen einzusetzen. Er meinte, mit seiner Denkweise habe er im Einklang mit den US-Demokraten gestanden.

Als er später während der Präsidentschaftswahlen 2020 nach Iowa reiste, stellte er fest, dass er auch beim Thema Vaterlosigkeit in Einklang mit den demokratischen Kandidaten stand. Als das jedoch die Wahlkampfmanager merkten, hätten sie es abgelehnt, über die Bedeutung von Vätern in den Familien zun sprechen. Sie hätten Angst gehabt, ihre „feministische Basis zu vergraulen“.

Dies war für Farrell keine Überraschung, da er in einer feministischen Organisation in leitender Funktion tätig war und diese Art des Denkens und der Ausgrenzung von Vätern schon einmal erlebt hatte. Diese Organisationen stellen nicht die Interessen der Kinder, sondern die der Mutter in den Vordergrund, so Farrell.

Nach der Scheidung

Laut Farrell geht es Kindern nach einer Scheidung besser, wenn sie gleich viel Zeit mit Mutter und Vater verbringen und vor allem, wenn beide Elternteile miteinander kommunizieren und sich ausgewogen einbringen. Jeder Elternteil bringt Stärken in die Kindererziehung ein: Mütter neigen dazu, Grenzen zu setzen und ihre Kinder zu loben, während Väter Grenzen durchsetzen und den Kindern erlauben, Risiken einzugehen, so Farrell.

Indem die Väter die Grenzen durchsetzten, lehrten sie den Kindern die nötige Disziplin, die sie im späteren Leben bräuchten. Dabei erwähnte Farrell den Begriff Belohnungsaufschub, der in der Psychologie vorkommt und bedeutet, dass eine Belohnung für ein Verhalten nicht sofort, sondern verzögert stattfindet. Auf eine sofortige und anstrengungslose, kleinere Belohnung wird verzichtet, um stattdessen eine größere Belohnung in der Zukunft zu erhalten. Diese kann allerdings nur durch Warten oder durch vorherige Anstrengung erlangt werden.

Die Jungen, die diese Massenschießereien an Schulen begangen haben, litten darunter, dass sie kein fürsorgliches, starkes männliches Vorbild hatten, meint der Experte. Hinzu komme, dass Jungen oft gesagt wird, dass ihre Gefühle keine Rolle spielten, was zu emotionaler Toxizität führt.

Moderne feministische Ideologie schadet Jungen

Jungen leiden darunter, dass ihre Männlichkeit oft schlecht gemacht wird, so Farrell.

„Die Welt wurde nicht von einem Patriarchat beherrscht. Sie wurde von der Notwendigkeit zu überleben beherrscht, und um zu überleben, wurden sowohl Männer als auch Frauen in ihren Rollen eingeschränkt“, sagte Farrell, und fügte hinzu, dass der Feminismus Männer für gesellschaftliche Probleme verantwortlich macht und die Opfer, die sie für ihre Familien bringen, nicht berücksichtigt.

„Wir vermitteln den Jungen ständig ein negatives Bild von sich selbst, was zu einem geringen Selbstwertgefühl führt, das wiederum dazu führt, dass sie einen Ausgleich brauchen“, sagte er.

Der Publizist  hatte seine Arbeit für die Gleichberechtigung der Frauen begonnen, weil er an das Credo „Ich bin eine Frau, ich bin stark“ glaubte, aber jetzt sagt er, dass er den Feminismus nicht unterstützt, weil sich die feministische Bewegung zu „Ich bin eine Frau, mir wurde Unrecht getan“ gewandelt hat.

Diese Art des Denkens schade den Jungen und müsse sich ändern, damit sowohl Jungen als auch Mädchen von der vollen Mitwirkung des Vaters in ihrem Leben profitieren können.

Ratschläge für alleinerziehende Mütter

Farrell rät allen alleinerziehenden Müttern, den biologischen Vater wissen zu lassen, dass er sehr gebraucht wird. Dieser würde sicher positiv darauf reagieren. Man müsse ihm zu verstehen geben, dass man den positiven Wert seiner männlichen Art von Erziehung respektiert.

Wenn der leibliche Vater nicht in der Lage ist, sich zu engagieren, schlägt Farrell vor, Jungen in Gruppen oder Mannschaftssportarten anzumelden, wo andere männliche Vorbilder ihren Charakter formen können.

Er rät Eltern, mit ihren Kindern in Kontakt zu treten, ihnen zuzuhören, anstatt zu versuchen, die Probleme ihrer Kinder zu lösen. Er schlägt auch Familienabende ohne Medien vor, damit sie die Fähigkeiten des Zuhörens üben und die Beziehungen vertieft werden können.

„Einfühlsame Eltern, die nur mitfühlend sind, schaffen Kinder, die egozentrisch sind und nur an ihre eigenen Bedürfnisse denken“, sagte er. „Sie müssen also sowohl einfühlsam sein als auch von Ihren Kindern verlangen, auch Ihre Perspektive anzuhören.“

Auf der Grundlage seiner Therapiearbeit mit Paaren sagte Farrell, dass das Zuhören nicht nur auf die Kinder, sondern auch auf den Ehepartner oder ehemaligen Ehepartner ausgedehnt werden muss, damit eine respektvolle, gesunde Kommunikation stattfinden kann.

Getrennte Paare müssen erkennen, dass kein Elternteil die Absicht hat, seinem Kind zu schaden, so Farrell.

Erwachsene müssen „lernen, denen zuzuhören, die wir anfangs nicht hören wollen, und wissen, wie wir von den Menschen, die wir lieben, kritisiert werden können, ohne in die Defensive zu gehen“, so Farrell.

US-Bundesstaaten ergreifen Maßnahmen

Die Legislative von Florida hat vor Kurzem den Gesetzentwurf HB 7065 verabschiedet, mit dem 70 Millionen Dollar für ein breites Spektrum an Familien- und Jugendhilfe durch das Department of Juvenile Justice (Ministerium für Jugendjustiz) und das Department of Children and Families (Ministerium für Kinder und Familien) bereitgestellt werden.

„Es gibt mehr als 18 Millionen Kinder in unserem Land, die ohne einen Vater in ihrem Zuhause leben“, sagte Gouverneur Ron DeSantis, als er das Gesetz am 22. April unterzeichnete. „Dies hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Kinder und führt häufig zu Schulabbrüchen, Kriminalität und Drogenmissbrauch. Unglaublich, dass es Menschen gibt, die die Bedeutung der Vaterschaft und der Kernfamilie herunterspielen – das werden wir in unserem Staat nicht zulassen. Ich bin stolz, sagen zu können, dass wir alles tun, was wir können, um die Väter in Florida zu unterstützen.“

Im Jahr 2018 unterzeichnete Matt Bevin, Gouverneur von Kentucky, ein Gesetz, das automatisch davon ausgeht, dass beide Elternteile im Falle einer Scheidung das gemeinsame Sorgerecht für ihre Kinder erhalten, wobei es im Ermessen der Richter liegt, das gemeinsame Sorgerecht einzuschränken, wenn einer der Elternteile unfähig ist.

Farrell zufolge sei es gut, dass Florida und Kentucky diese Schritte unternommen haben, aber das Problem der Vaterlosigkeit ist im Großen und Ganzen nicht angegangen worden.

Über den Autor:

Warren Thomas Farrell ist Autor des Buches „The Boy Crisis: Why Our Boys Are Struggling and What We Can Do About It“ (in Deutsch etwa: Die Jungs-Krise: Warum unsere Jungen in Schwierigkeiten stecken und was wir dagegen tun können) ist ein US-amerikanischer Autor und Männerrechtler. Farrell war zunächst Feminist, setzte sich aber seit den 1980ern zunehmend für Männerrechte ein.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Fatherless Homes Linked to Mental Illness, Mass Shootings: Author Warren Farrell“ (deutsche Bearbeitung amd)

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 55, vom 30. Juli 2022.



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