Hirnforscher kritisiert Umgang mit dem Wort Verschwörungstheoretiker: „Das macht die Sache noch schlimmer“

Übervorsichtigkeit oder Sorglosigkeit? Angst vor den Maßnahmen der Regierung oder Vertrauen darin? Hirnforscher Dr. Gerald Hüther erklärt den unterschiedlichen Umgang mit der Corona-Pandemie und warum das Wort "Verschwörungstheoretiker" im Umfang mit der Corona-Pandemie aus seiner Sicht in den meisten Fällen unangebracht ist.
Von 21. August 2020

In der Gesellschaft neigen wir dazu, dass diejenigen, die sich an die Regeln halten, sozusagen die „Braven“ sind und die anderen die „Rebellen“. So lautet die Aussage einer Moderatorin in einem „Focus“-Interview mit Hirnforscher Dr. Gerald Hüther. „Aber wenn das alles eine Angstbewältigungsstrategie ist, muss man mit den Menschen dann nicht auch anders umgehen, eventuell auf sie zugehen?“

Das würde sich der Hirnforscher wünschen. Man müsse versuchen zu verstehen, dass ein Mensch in einer schwierigen Situation auf seine Erfahrungen zurückgreife. Ein Mensch in einer Angstsituation, zu der auch die Corona-Krise gehöre, überlege, was ihm geholfen hat, derartige Probleme zu überwinden. Manche würden zu der Erkenntnis gelangen, dass sie aus schwierigen Situationen herauskommen, indem sie sich an die Regeln halten. „Derartige Verhaltensweisen werden im Gehirn verankert“, erklärt Hüther. Im späteren Leben würden die Menschen dann immer dazu neigen, dass zu machen, was ihnen gesagt wird.

Andere Menschen hingegen hätten die Erfahrung gemacht, dass sie sich nicht auf andere verlassen können und in Nöte geraten sind, wenn sie auf andere gehört haben. „Die haben dann ihre Lösung darin gefunden, dass sie dann misstrauisch sind, das hinterfragen und nicht so ohne weiteres das machen, was ihnen gesagt wird.“ Das sei aber aus Sicht des Hirnforschers etwas völlig anderes als das, was man unter Verschwörungstheorie bezeichne.

Natürlich gebe es in derartigen Situationen auch Menschen, die in einer Vorstellung Halt suchen würden, die für sie irgendwie plausibel sei. Das könne man auch nicht verhindern. „Aber das ist eine verschwindende Minderheit.“ Die große Masse derjenigen, die beispielsweise in Berlin auf die Straße gegangen sind, seien keine Menschen, die an „wilde Verschwörungstheorien“ glauben. Vielmehr handele es sich um „verunsicherte Menschen“, die das Gefühl haben, dass sie etwas tun wollen – aber nicht das, was ihnen von den staatlichen Behörden vorgegeben werde, weil sie dem nicht trauen.

„Da sind wir jetzt bei einem ganz kritischen Grund“, betonte Hüther. Im Grunde genommen müsste es nicht zu einer solchen Situation kommen, wenn man denen trauen könnte. Der Hirnforscher erklärte: „Wir kommen alle als kleine Kinder auf die Welt und vertrauen erstmal, dass es gut wird. Sonst könnten wir gar nicht leben.“ Aus diesem Grund müsse man Vertrauen auch gar nicht stärken. Gleichzeitig kämen einzelne Menschen in unserer Gesellschaft immer wieder in Situationen, „wo sie das Vertrauen verlieren, auch das Vertrauen in das, was andere uns sagen.“

Es gehe also eher darum, das verloren gegangene Vertrauen wiederherzustellen. „Das wird nicht gelingen, indem ich jemanden, der dieses Vertrauen verloren hat, als ‚Verschwörungstheoretiker‘ bezeichne“, stellt Hüther klar. „Das macht die Sache noch schlimmer.“

Manipulation durch Angst

Insoweit weist Hüther darauf hin, dass Menschen durch das Schüren von Angst manipuliert werden können. Die „Instrumentalisierung“ der Angst zeige sich schon im Elternhaus, wenn Eltern ihren Kindern beispielsweise aufzeigen, dass ein Kind Löcher und Karies bekomme und die Zähne rausfallen, wenn es nicht immer nach dem Essen die Zähne putzt. Oder dass später nichts aus ihm wird, wenn er nicht fleißig für die Schule lerne.

„Dann putzen sich Kinder die Zähne aus Angst oder lernen aus Angst“, erklärt der Hirnforscher. Wenn Hüther dann gefragt wird, wie man den Kindern die Notwendigkeit der Handlung sonst begreiflich machen solle, dann werde klar, wie wenig man davon wisse, wie man – ohne Angst zu schüren – anderen Menschen hilft, auf den richtigen Weg zu kommen. Eigentlich sollten Menschen, in diesem Fall Kinder, mit Freude lernen und nicht aus Angst. Aber Letzteres sei in unserer Gesellschaft nun unglaublich verbreitet: Dass wir Dinge deshalb tun, weil wir Angst haben. „Wir passen uns an die Forderungen anderer an, obwohl sie uns eigentlich zuwider sind, aber haben Angst davor, dass die uns sonst ausschließen.“

„Menschen halten Angst nicht lange aus“, fährt der Hirnforscher fort.  „Wir müssen dann irgendetwas tun.“ Gleichzeitig sei Angst „unser wichtigster Helfer“. Ohne Angst würde man ohne Notbremse in jegliche Gefahr laufen. „Die Angst lehrt uns gewissermaßen, wie wir uns unser Leben gestalten müssten, damit es in Zukunft nicht immer wieder so bleibt und wir in dieser Angst verharren müssen.“

Wie man aus dem Zustand der Hilflosigkeit herausfindet, sei für das Gehirn eine „unglaublich glückliche Situation“. Dann würden im Gehirn Botenstoffe ausgeschüttet, die dafür sorgen, dass diese gefundene Lösung gestärkt und gefestigt wird. Dadurch werde das Gehirn strukturiert. Allerdings seien gefundene Lösungen nicht automatisch immer für alle Zeit richtig.

Neue Erfahrungen zur Angstbewältigung

Wenn man für sich beispielsweise als Kind die Lösung gefunden hat, dass man alles macht, was die Eltern sagen, „muss ich doch nicht das ganze Leben lang immer alles das machen, was andere mir sagen“, so Hüther. Das könne schwierig werden, wenn man von den Urteilen und Meinungen anderer abhängig werde. Wenn sich diese Anschauung verfestigt, dann verliere man Offenheit und die Fähigkeit, die Dinge immer wieder neu zu betrachten. „Und das können wir uns auch nicht wünschen.“

Wenn man nun versuchen wolle, diejenigen, die Angst vor dem Virus haben und diejenigen, die sorglos damit umgehen, an einen Tisch zu bekommen, sei das ausgesprochen schwer. Denn in der heutigen Gesellschaft habe man nicht gelernt, Probleme gemeinsam zu lösen. „Da löst jeder die Probleme auf seine Weise“, erklärt Hüther. Ständig komme es zu Widersprüchen und Gegensätzen. Das ginge schon in der Familie los.

Dabei müssten sich die Familienmitglieder gemeinsam an einen Tisch setzen und erklären, warum sie diese oder jene Überzeugungen haben und warum das so oder so gemacht werden müsse. Dann müsse man feststellen, dass es die Vorstellung derjenigen ist, die sagen, „Wir müssten alle Masken tragen und Abstand halten“. So würden sie ihrer Angst vor der Infektion durch Corona entkommen.

Die anderen, die sagen „Hier werden wir an der Nase herumgeführt“ oder „Da sind andere Kräfte am Werk“, würden hingegen ihre Sichtweise vertreten, wie sie der Angst vor der Corona-Infektion begegnen. In beiden Fälle handele es sich also um Menschen, die bestimmte Vorstellungen haben, wie die Angst zu überwinden sei.

Wer hat Recht, wer hat Unrecht?

Man könne in diesem Fall unmöglich sagen, die einen haben Recht, die anderen Unrecht. „Das muss man erstmal würdigen“, so Hüther. Die Menschen seien nur auf der Suche nach einer Lösung. Die Frage sei, ob es etwas gebe, dass diese unterschiedlichen Vorstellungen zusammenbringen kann.

Dass, was die Menschen auseinandertreibt, seien ihre Vorstellungen. Wenn man diese Vorstellungen weglasse und über andere Dinge sprechen würde, einfach mal gemeinsam spazieren oder einen Kaffee trinken gehe, so bestehe die Möglichkeit, sich überhaupt als Mensch zu begegnen. Dann könne es dazu kommen, dass sich die Sichtweisen lockern und vielleicht die Bereitschaft besteht, miteinander eine Lösung zu finden.

Das sei besser, als den anderen mit Besserwisserei oder Drohungen in seine eigene Angstbewältigungsstrategie zu jagen, die dann heißt „Wir müssen alles kontrollieren“ oder „Es sind Verschwörer am Werk“. Nach Auffassung des Experten ist es zudem unmöglich, den Menschen zu verändern, schon gar nicht, indem man ihm sagt, was er zu tun und zu lassen hat, ihn belohnt oder bestraft.

Für den Hirnforscher ist klar:

Am einfachsten lässt sich das Gefühl von Inkompetenz erzeugen, wenn die Angstmacher es schon vorher geschafft haben, ihren späteren „Opfern“ alle Probleme abzunehmen und alle Schwierigkeiten beiseite zu räumen, so dass diese möglichst wenig Gelegenheit hatten, sich die für die Lösung von Problemen und die Bewältigung von schwierigen Situationen erforderlichen Kompetenzen anzueignen.

Je lebensuntüchtiger ein Mensch durch all diese Unterstützungs- und Hilfsmaßnahmen – auch durch die ständige Nutzung Sicherheit suggerierender Gerätschaften und Hilfsmittel – geworden ist, desto leichter lässt er sich durch die Ankündigung einer bevorstehenden Bedrohung in Angst und Schrecken versetzen.

Es spielt auch keine Rolle, ob die Vorstellung, etwas sei gefährlich, im eigenen Hirn entsteht oder durch andere Personen geweckt und geschürt wird. In beiden Fällen kommt es zu der gleichen sich im Hirn ausbreitenden Inkohärenz. Deshalb funktionieren ja alle Angst einflößenden Manipulationsversuche durch andere Personen so gut. Und natürlich funktionieren sie bei all jenen am besten, deren Vertrauen in die eigenen Kompetenzen ohnehin schon nicht sehr groß ist, die niemanden kennen, der ihnen in der Not beistehen würde, und die auch nicht darauf vertrauen können, von irgendetwas Größerem in dieser Welt beschützt und gehalten zu sein. Solche Menschen lassen sich am leichtesten in Angst und Schrecken versetzen. Und sie sind auch die Lieblingsbeute aller Angstmacher. Ihnen lässt sich am leichtesten einreden, was sie tun oder lassen müssten, welches Mittel und welche Gerätschaften sie kaufen sollen, damit sie endlich keine Angst mehr zu haben brauchen.

Je weniger ein Mensch weiß und kann, desto leichter lässt sie oder er sich angesichts bedrohlicher Geschehnisse oder angekündigter Gefahren in Angst und Schrecken versetzen. Die Fähigkeit, Gefahren kompetent einzuschätzen und durch geeignete Maßnahmen zu bewältigen, ist der für die eigene Lebensgestaltung wichtigste Bestandteil dessen, was unter »Bildung« zu verstehen ist. Diese Bildung für ein gelingendes, selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben ist etwas anderes als die Ausbildung für eine spätere Berufstätigkeit. Heranwachsende brauchen eine Vielzahl von Orten und Gelegenheiten, um eigene Erfahrungen bei der Bewältigung schwieriger Situationen zu machen und sich diese Art von Bildung anzueignen. Wer ihnen solche Erfahrungen vorenthält, macht sie zu hilflosen oder gar willfährigen Opfern all jener, die die Angst zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen instrumentalisieren. Unser primär auf eine optimale Ausbildung für das spätere Berufsleben ausgerichtete Schulsystem macht Heranwachsende und damit auch die daraus hervorgehenden Erwachsenen anfällig für die von Angstmachern verbreiteten Botschaften.

In seinem neuen Buch „Wege aus der Angst“ hat sich der Hirnforscher Dr. Gerald Hüther dem Thema Angst gewidmet. Denn Angst, davon ist Hüther überzeugt, kommt nicht von Corona. Das Buch erscheint im September bei Vandenhoeck & Ruprecht.



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