Nach Polizei-Razzia: Tausende Katalanen demonstrieren gegen Zentralregierung in Madrid

Bei einer morgendlichen Polizei-Razzia wurden 13 Mitarbeiter der katalanischen Regionalregierung festgenommen. Daraufhin gingen aufgebrachte Menschen auf die Straße.
Titelbild
Katalanen demonstrieren in Barcelona für das katalanische Unabhängigkeitsreferendum.Foto: Sandra Montanez/Getty Images
Epoch Times20. September 2017

Nach einer Polizei-Razzia gegen die Regionalregierung in Barcelona sind tausende aufgebrachte Katalanen auf die Straße gegangen. Vor dem Außenministerium kam es am Mittwoch zu Rangeleien zwischen Demonstranten und Polizisten, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. „Raus mit den Besatzungskräften!“, schrieen einige Demonstranten. Zuvor hatte die spanische Militärpolizei bei einem morgendlichen Einsatz am Sitz der Regionalregierung 13 Mitarbeiter festgenommen.

Rund 4.000 Demonstranten versammelten sich nach Polizeiangaben im Zentrum von Barcelona. Viele waren in die gelb-rote Flagge Kataloniens gehüllt, riefen „Unabhängigkeit“ und „Wir werden wählen!“ Eine einflussreiche Organisation für die Unabhängigkeit, die Katalanische Nationalversammlung (ANC), rief zu weiteren gewaltfreien Protesten auf. „Wir wollten wählen und sie erklärten den Krieg“, erklärte der ANC-Chef Jordi Sanchez.

„Spanien, ist das dein Problem?“ – Demonstranten tragen eine symbolische Wahlurne durch die Straßen von Barcelona. 20. September 2017. Foto: PAU BARRENA/AFP/Getty Images

22 Durchsuchungen vorgenommen – fast 10 Millionen Stimmzettel beschlagnahmt

Unter den Festgenommenen war auch Josep Maria Jové, die rechte Hand von Vize-Regierungschef Oriol Junqueras. Jové war für die Koordinierungsarbeiten bei der Vorbereitung des für den 1. Oktober geplanten Referendums und für das Wirtschaftsressort zuständig.

Menschen demonstrieren gegen die Polizei-Razzia in Barcelona. 20. September 2017, Barcelona. Foto: LLUIS GENE/AFP/Getty Images

Die Guardia Civil drang in die wichtigsten Büros der Regionalregierung in Barcelona ein, die Abteilungen für Wirtschaft und Außenpolitik sowie das Büro von Regierungschef Carles Puigdemont, wie ein Sprecher der Regionalregierung sagte. Auf Anordnung eines Untersuchungsrichters in Barcelona seien insgesamt 22 Durchsuchungen vorgenommen worden, sagte ein Sprecher der Guardia Civil.

Bei einem weiteren Einsatz beschlagnahmte die Polizei zudem fast zehn Millionen Stimmzettel, wie das Innenministerium mitteilte. Aus einsatznahen Kreisen verlautete, die Zettel seien in Bigues rund 45 Kilometer nördlich von Barcelona konfisziert worden.

Puigdemont: Spanische Regierung verhängte „de facto den Ausnahmezustand“ über Katalonien

Puigdemont warf der spanischen Regierung vor, „de facto den Ausnahmezustand“ über Katalonien verhängt zu haben. Auch seien die Autonomieregelungen für die Region praktisch ausgehebelt, etwa durch die verschärfte Kontrolle der Zentralregierung über seine Finanzen, sagte Puigdemont.

Bei einer turbulenten Sitzung des Parlaments in Madrid sagte der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy, mit den drastischen Maßnahmen erfülle er seine „Pflicht“. „Zieht eure schmutzigen Hände von den Institutionen in Katalonien weg!“, schimpfte der katalanische Abgeordnete Gabriel Rufián von der linksgerichteten Unabhängigkeitspartei ERC. „Der Wille des katalanischen Volkes kann nicht gebremst werden.“

Symbolische Wahlurne bei Protesten gegen die Zentralregierung in Madrid am 20. September 2017. Foto: JOSEP LAGO/AFP/Getty Images

Sowohl die neun ERC-Abgeordneten als auch die acht Abgeordneten von Puigdemonts rechtsgerichteter Unabhängigkeitspartei PDeCAT verließen aus Protest gegen die Razzia das Parlament.

FC Barcelona befürwortet „Wille der Mehrheit des katalanischen Volkes“

Derweil schaltete sich der FC Barcelona in den Streit ein: Der weltberühmte Fußballverein veröffentlichte am Mittwoch eine Erklärung, in der er unter Verweis auf sein „historisches Engagement für die Verteidigung des Landes“ jede Handlung verurteilt, welche die Meinungs- und Entscheidungsfreiheit untergrabe. „Der Wille der Mehrheit des katalanischen Volkes“ müsse Beachtung finden.

Spaniens Regierung: Volksabstimmung ist illegal

Spaniens Regierung betrachtet die Volksabstimmung als illegal, das Verfassungsgericht in Madrid erklärte das in Barcelona beschlossene Referendumsgesetz für ungültig. Die Generalstaatsanwaltschaft hat bereits Ermittlungen gegen mehr als 700 katalanische Bürgermeister eingeleitet, die das Unabhängigkeitsreferendum unterstützen.

Die mehr als 700 katalanischen Bürgermeister, die das Unabhängigkeitsreferendum unterstützen. 16. September 2017 in Barcelona. Um die 248 Bürgermeister sind gegen den Volksentscheid. Foto: JOSEP LAGO/AFP/Getty Images

In den vergangenen Tagen wurde immer mehr Material für die Abhaltung der Volksabstimmung konfisziert. So wurden am Dienstag 45.000 Schreiben mit Anweisungen an die Leiter der Abstimmungslokale für das Referendum sichergestellt. Das Finanzministerium in Madrid stellte die Finanzverwaltung in Barcelona unter Aufsicht.

Im Regionalparlament in Barcelona haben die Unabhängigkeitsbefürworter seit 2015 die Mehrheit. Viele größere katalanische Städte sind aber gegen eine Loslösung von Spanien.

In Umfragen liegen die Gegner einer Abspaltung derzeit mit gut 49 zu 41 Prozent vorn. Die Umfragen zeigen aber auch, dass seit Monaten konstant rund 70 Prozent der 7,5 Millionen Einwohner Kataloniens dafür sind, in einer Volksabstimmung über diese Frage zu entscheiden. (afp)

Mehr dazu:

FC Barcelona pocht auf das Recht der Katalanen zur Selbstbestimmung

Kataloniens Regierungschef: Madrid hat „De-facto-Ausnahmezustand“ verhängt

Polizei nimmt engsten Mitarbeiter von Kataloniens Vize-Regierungschef fest

Unabhängigkeitsreferendum: Spanische Polizei durchsucht Büros der katalanischen Regionalregierung



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion