Note Sechs für Nationalhymne-Fans – Riesaer Oberschüler entschuldigen sich

Im sächsischen Riesa hat eine Musiklehrerin Schülern die vorläufige Note Sechs erteilt, weil sie die Nationalhymne singen wollten. Der Schulleiter stellt sich vor seine Kollegin. Die betroffenen Schüler haben sich bereits entschuldigt.
Titelbild
Das Symbolbild zeigt ein Ufer inmitten der sächsischen Stadt Riesa an der Elbe.Foto: istockphoto/steglitzer
Von 26. April 2024

Der Musikunterricht in einer 8. Klasse der Oberschule „Am Sportzentrum“ in der sächsischen Mittelstadt Riesa ist zum Politikum geworden. Mehreren Medienberichten zufolge hatte eine Lehrerin vor wenigen Tagen Schülern vorläufig die Note Sechs erteilt, weil diese sich gewünscht hatten, die deutsche Nationalhymne zu singen. Die „Sächsische Zeitung“ hatte den Fall als erstes Medium publik gemacht.

Von der Musiklehrkraft selbst ist keine öffentliche Stellungnahme bekannt. An ihrer Stelle bemühte sich Schulleiter Edmund Weigl in den vergangenen Tagen, die Wogen zu glätten. Nach seiner Darstellung habe die Sache damit begonnen, dass im Musikunterricht die Entstehungsgeschichte der Nationalhymne auf dem Plan gestanden habe. Das berichtet unter anderem die „Bild“. Nach den Worten Weigls habe die Lehrerin erklärt, dass die ersten beiden Strophen zwar nicht verboten, aber wegen ihrer Popularität während der NS-Zeit heute „verpönt“ seien.

Die erste Strophe beginnt mit den Worten „Deutschland, Deutschland über alles, über alles in der Welt“. Nach Angaben der „Bild“ hätten die Wehrmachtssoldaten während des Zweiten Weltkrieges diese Strophe gesungen, als sie „in vielen Ländern Europas“ einmarschiert seien.

„Besonderen Anlässen und Zeremonien vorbehalten“

Im zweiten Teil der Unterrichtsstunde habe die Lehrerin die Klasse im Rahmen einer „Leistungskontrolle“ aufgefordert, sich ein „mehrstrophiges Lied“ auszusuchen, das später gesungen werden solle, so Weigl nach Informationen der „Bild“. Das sei „aus heutiger Sicht ein wenig blauäugig“ gewesen, meinte Weigl gegenüber der „Sächsischen Zeitung“. Denn einige Schüler hätten daraufhin die Nationalhymne vorgeschlagen.

Nach Angaben der „Jungen Freiheit“ könne Weigl nicht sagen, ob sich die Schüler auch die erste und zweite Strophe gewünscht hätten. Klar sei allerdings, dass die Musiklehrerin den Vorschlag sofort abgelehnt habe, weil „das Abspielen und Singen der Nationalhymne besonderen Anlässen und Zeremonien vorbehalten“ sei. Das sei den Schülern auch seit Klasse 5 bekannt gewesen. In jedem Fall aber sei die Hymne „nicht für Liedkontrollen im Unterricht vorgesehen“, so Weigl nach Darstellung der „Jungen Freiheit“.

Schulleiter: „Unklug“, aber „Entscheidung im Sinne des Schülers“

Wie die „Bild“ berichtet, habe die Lehrerin den jungen Nationalhymne-Fans daraufhin die „Sechs“ eingetragen. Damit habe sie „unklug reagiert“, so Weigl laut „Bild“. Denn es handele sich um eine „pädagogische Methode […], die man nicht gutheißen“ müsse „und über die sich streiten“ lasse.

Dass die Note nur mit Bleistift eingetragen worden sei, bedeute nämlich, „dass die Sechs noch nicht erteilt wurde und es für den betreffenden Schüler noch eine Chance gibt, die es eigentlich nicht mehr geben dürfte, um die Aufgabenstellung doch noch zu erledigen“, zitiert die „Sächsische“ den Schulleiter. Vor diesem Hintergrund habe es sich um eine „Entscheidung im Sinne des Schülers“ gehandelt.

Schüler entschuldigen sich wegen „Missverständnis“

Der Vorfall war nach Angaben von „Apollo News“ zeitnah auch der Riesaer Stadtverordneten Ute Heine (AfD) zu Ohren gekommen. Nachdem Eltern der gemaßregelten Schüler angeblich erfolglos versucht hätten, mit der Musiklehrerin ins Gespräch zu kommen, hätten die Eltern Heine informiert. Der Schulleiter habe zuvor ebenfalls „kein Interesse für den Vorfall gezeigt“, so die Erziehungsberechtigten. Sie hätten Heine gegenüber zudem beklagt, dass die Lehrerin die betroffenen Schüler als „Nazis“ bezeichnet habe.

Diesen Vorwurf habe Schulleiter Weigl gegenüber der „Sächsischen Zeitung“ allerdings bereits zurückgewiesen. Es stimme auch nicht, dass niemand mit den Eltern habe reden wollen: „Die Klassenleiterin hat nach Informationsaustausch mit der Lehrkraft am selben Tag noch Elterngespräche geführt“. Außerdem habe der „Klassenleiter“ mit den Schülern darüber gesprochen. Danach hätten „sich die Klassensprecher der Klasse bei der Musiklehrkraft für das Missverständnis entschuldigt“, betonte Weigl.

Stadtverwaltung in Kenntnis gesetzt

Die Stadtverordnete Heine hatte sich nach Angaben der „Jungen Freiheit“ allerdings sogleich an die Stadtverwaltung Riesa gewendet. Dort habe sie nachgefragt, ob an der Oberschule ein Verbot existiere, die Nationalhymne zu singen. Innerhalb der Stadtverwaltung habe darüber niemand Auskunft geben können. Schließlich sei die Sache auf dem Schreibtisch von Oberbürgermeister Marco Müller (CDU) gelandet. Der habe ebenfalls angegeben, nicht zu wissen, ob ein solches Verbot existiere. Vorstellen könne er sich das aber nicht, weil es sich bei der Oberschule „Am Sportzentrum“ immerhin um ein öffentliches Gebäude handele. Über den Arbeitsauftrag an die Schüler wisse er nichts.

Angesichts der Nachfragen von Ute Heine hatte Schulleiter Weigl der Stadtverordneten laut „Sächsische“ angeraten, sich zunächst „an entsprechender Stelle“ zu informieren und „weniger ‚Stille Post‘ [zu] spielen“.

23. Mai: Brechts „Kinderhymne“ statt Hofmann von Fallerslebens Text

Nach Angaben der „Bild“ soll am 23. Mai 2024 beim Bundespräsidenten eine andere Textfassung der Nationalhymne erklingen. Die Sängerin Andreja Schneider und die Schauspielerin Katharina Thalbach wollen dann die „Kinderhymne“ von Bertolt Brecht vortragen. Hintergrund sind die Feierlichkeiten zu den Jubiläen „75 Jahre Grundgesetz“ und „35 Jahre Friedliche Revolution“.

Der Originaltext des Germanisten Hofmann von Fallersleben („Einigkeit und Recht und Freiheit“) stammt aus dem Jahr 1841. Die Melodie war laut „Deutschland.de“ schon in den Jahren 1796 und 1797 von Joseph Haydn komponiert worden. Nach den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges erklärte Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) den Text 1922 zur deutschen Nationalhymne.

Nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges ließ die DDR-Führung eine eigene Hymne komponieren. Hanns Eisler schuf die Melodie, Johannes R. Becher den Text zu „Auferstanden aus Ruinen“. Nach Angaben des MDR erklärte der Ministerrat der DDR ihr Werk am 5. November 1949 zur Nationalhymne. Zwei Tage später wurde sie anlässlich des 32. Jahrestags der „Großen Sozialistischen Oktoberrevolution“ offiziell erstmals aufgeführt. Nach dem Mauerfall und der „Wende“ 1989/90 wurde die dritte Strophe in der Fassung von Haydn und Fallersleben für ganz Deutschland verbindlich.

Rechtsextremismus an deutschen Schulen?

Ende Februar hatte bereits ein anderer Schulvorfall im mecklenburgisch-vorpommerschen Ribnitz-Damgarten für viel Aufregung gesorgt. Damals war eine 16-jährige Schülerin des Richard-Wossidlo-Gymnasiums auf Bitten des Schulleiters aus dem Unterricht geholt worden, um mittels eines „Aufklärungsgespräch mit präventivem Charakter“ belehrt zu werden. Die „Gefährderansprache“ sollte der Warnung vor möglichen Anfeindungen dienen, hieß es.

Die Jugendliche hatte Monate zuvor ein AfD-freundliches Kurzvideo auf der Onlineplattform TikTok gepostet. Außerdem hatte sie öffentlich geschrieben, dass Deutschland „nicht nur ein Ort, sondern Heimat“ sei. Später hieß es, dass „eindeutigere“ Inhalte im Spiel gewesen seien, die den Eindruck einer Nähe zum Rechtsextremismus vermittelt hätten. Am 21. März 2024 hatte sich der Bildungsausschuss des Landtages Mecklenburg-Vorpommern mit dem Vorfall befasst.



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