Erdogans Agentenheer in Deutschland: 6.000 Informanten bedrohen seine Kritiker

Erdogans Agentenheer in Deutschland ist größer als bislang angenommen. Das berichtet die „Welt am Sonntag“. Auf 500 Deutschtürken kommt ein Informant. Menschen würden systematisch eingeschüchtert und bedroht.
Titelbild
Reporter tragen eine verletzte Erdogan-Gegenerin nach Ausschreitungen beiseite: Die kritische Zeitung "Zaman" wurde Anfang März einfach von der Regierung übernommen. Auch gegen den deutschen Ableger des Mediums gab es Drohungen.Foto: OZAN KOSE/AFP/Getty Images
Epoch Times21. August 2016

Der türkische Geheimdienst MIT ist in Deutschland überaus aktiv – und bedroht offenbar systematisch Türken hierzulande: Die „Welt am Sonntag“ enthüllte heute Details über Erdogans Agentenheer in Deutschland.

Der MIT verfüge in Westeuropa über rund 800 hauptamtliche Offiziere, die meisten Agenten seien in Deutschland stationiert, berichtete das Blatt unter Berufung auf einen „einflussreichen Sicherheitspolitiker“. Hinzu kommen demnach noch 6.000 Informanten allein in Deutschland. Ein Informant kommt demnach statistisch gesehen auf 500 türkischstämmige Bürger.

Agenten mit Tarnidentitäten

„Hier geht es längst nicht mehr um nachrichtendienstliche Aufklärung, sondern zunehmend um nachrichtendienstliche Repression“, so Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom laut „Welt“. Die Überwachungsdichte sei enorm: „Selbst der Stasi ist es nicht gelungen, in der Bundesrepublik ein so großes Agentenheer aufzubauen.“

Die Mitarbeiter würden mit Tarnidentitäten ausgestattet und arbeiteten zum Schein in Reisebüros, bei der Fluggesellschaft Turkish Airlines, bei türkischen Banken und Firmen. Die Spionageabwehr des Verfassungsschutzes bekomme davon kaum etwas mit, sagte Schmidt-Eenboom laut „Bild“.

Der Artikel schilderte auch den Fall des Chefredakteurs der Erdogan-kritischen Zeitung „Zaman Deutschland“.

Deren türkische Ausgabe war eine der auflagenstärksten Zeitungen in der Türkei, bis die Verlagsgruppe im März von staatlich eingesetzten Treuhändern übernommen wurde. Der Vorwurf lautete, die Zeitung habe Verbindung zu Erdogans im US-Exil lebenden Erzfeind Fetullah Gülen – jenem Mann, der nun auch für den Putsch-Versuch im Juli verantwortlich gemacht wird.

Merkwürdige Einbrüche bei kritischer Zeitung

Dursun Celik berichtete gegenüber der „Welt“, wie die Zeitung in Deutschland unter Druck gesetzt wurde: Es kam seit 2013 zu einer Serie von fünf Einbrüchen an Standorten in Hamburg und Berlin, deren Hintergründe nicht aufgeklärt werden konnten. Auch wurde ein Mitarbeiter per Brief gefragt, ob er dem türkischen Staat behilflich sein und Informationen weiterleiten wolle? Einem Anzeigenkunden habe ein MIT-Mann direkt gedroht: Wenn er die Zeitung weiterhin unterstütze, werde er „fertig gemacht“. Anzeigenverkäufer des Verlags wurden systematisch eingeschüchtert: Sie würden nie wieder einen anderen Job finden und auch nicht in die Türkei zurückkehren können, sagte man ihnen.

Türkei wollte BND für ihre Zwecke einspannen

Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) scheint nun langsam aufzuwachen: Als die Türkei nach dem Putschversuch die Unterstützung des Bundesnachrichtendienstes beim Kampf gegen mutmaßliche Gülen-Anhänger in Deutschland forderte, schlug es Alarm. Gestern berichtete der „Spiegel“ über den Versuch des MIT, den BND für seine Zwecke einzuspannen. Politiker fordern deshalb, es müsse endlich Aufklärung her über die mannigfaltigen Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes MIT. Auch auf bestehende Geheimdienst-Kooperationen könnte dies Auswirkungen haben.

Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele sagte der „Welt am Sonntag“: Es gebe „unglaubliche geheime Aktivitäten“ des MIT. Verfassungsschutz, BND und Polizei müssten dringend ihre Kooperation mit der Türkei überprüfen. „Sonst laufen sie Gefahr, bei strafbaren Handlungen mitschuldig zu werden.“ Er werde das Thema unmittelbar nach Ende der Sommerpause auf die Tagesordnung setzen, so Ströbele.

Auch der Vorsitzende des Kontrollgremiums, Clemens Binninger (CDU), will die Kooperation mit dem MIT schnellstens klären: „Die jüngsten Ereignisse in der Türkei haben nicht nur Auswirkungen auf die Sicherheitslage, sondern möglicherweise auch auf die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste“, gibt er zu bedenken.

Seit dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei „säubert“ Präsident Recep Tayyip Erdogan sein Land von mutmaßlichen Feinden: Fast 80.000 Richter, Staatsanwälte, Lehrer und weitere Beamte wurden ihrer Ämter enthoben, mehr als 40.000 Kritiker festgenommen. Damit für sie Platz in den Gefängnissen ist, wurde am Mittwoch die Freilassung von 38.000 Gefangenen beschlossen. (rf)



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