Ernüchterung in Europa: 25 Jahre nach Einigung über Maastricht-Vertrag steckt EU in ihrer tiefsten Krise

Ein Vierteljahrhundert nach Gründung der EU macht sich die Ernüchterung breit: Die Europäische Union steckt in ihrer bisher schwersten Krise, in fast allen Mitgliedsländern gewinnen EU-kritische Parteien an Zulauf.
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Eine Britin auf einer Brexit-Demonstration in London am 2. Juli 2016.Foto: CHRIS J RATCLIFFE/AFP/Getty Images
Epoch Times8. Dezember 2016

Als am 9. Dezember 1991 im niederländischen Maastricht die damals zwölf Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft (EG) zusammentrafen, war von Euroskepsis nichts zu spüren. Ganz im Gegenteil – zwei Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer herrschte in Europa Aufbruchstimmung.

Entsprechend ehrgeizig waren die Ziele, auf die sich die Gipfelteilnehmer einigten: Mit dem Vertrag von Maastricht gründeten sie die Europäische Union (EU) – und sie brachten die Grundlagen für die Einführung des Euro unter Dach und Fach.

Ein Vierteljahrhundert hat sich längst Ernüchterung breitgemacht. Die Europäische Union steckt in ihrer bisher schwersten Krise, in fast allen Mitgliedsländern gewinnen EU-kritische Parteien an Zulauf.

Das hochverschuldete Griechenland hangelt sich von einem Hilfspaket zum anderen und das wirtschaftlich angeschlagene Italien könnte die Krise in der Euro-Zone noch verstärken. In Großbritannien hat im Juni in einem bisher beispiellosen Vorgang eine Mehrheit der Bürger für den Austritt ihres Landes aus der EU gestimmt.

Ein solches Szenario hätte sich beim Gipfel in Maastricht vor 25 Jahren wohl niemand vorstellen können. Schließlich wollten die Teilnehmer laut Vertrag „eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas“ schaffen. Die Gemeinschaftswährung sollte ein wichtiger Teil der stärkeren Integration sein.

Für einen stabilen Euro wurden in Maastricht Kriterien beschlossen – demnach dürfte die Neuverschuldung eines Staates höchstens drei Prozent, die Staatsschulden höchstens 60 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) betragen.

Doch nach der Einführung des Euro Anfang 2002 wurden diese Vorschriften in der Eurozone – der heute 19 Länder angehören – immer wieder verletzt, auch mehrmals von Deutschland. Und Griechenland gelang 2001 überhaupt nur mit gefälschten Statistiken die Aufnahme in die Eurozone.

Der Vertrag von Maastricht stellte die Europäische Union auf drei Säulen, die ihr eine solide Basis geben sollten: die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Binnenmarkt, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz. Doch der Binnenmarkt wurde nicht ausreichend sozial abgesichert. Zudem gelang bis heute nicht die notwendige Steuerharmonisierung zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen.

Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik steckt noch immer in den Anfängen – nach dem Brexit-Votum soll sie nun schneller vorangebracht werden. Auch die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz lässt zu wünschen übrig, wie sich bei den jüngsten Anschlägen in Paris und Brüssel erneut zeigte.

Der Maastricht-Vertrag war „ein großer Schritt – und zugleich ein Fehltritt“, sagt der Finanzexperte der Grünen im Europaparlament, Sven Giegold. Die Einführung der Einheitswährung hätte mit einer politischen Union und einer europäischen Wirtschaftsregierung einhergehen müssen – was aber nicht der Fall gewesen sei. Dadurch sei die EU in eine „Schieflage geraten“. Das Gleiche gelte für den Binnenmarkt ohne steuerliche und soziale Union. „Dies hat die antieuropäische Stimmung verstärkt.“

Immerhin hat der Maastricht-Vertrag die EU demokratischer gemacht. Das Europaparlament erhielt vor 25 Jahren erstmals in bestimmten Bereichen ein Mitbestimmungsrecht. Dieses wurde seither kontinuierlich ausgebaut. Heute entscheidet das Parlament bei mehr als 80 Prozent der EU-Gesetze gleichberechtigt mit dem Rat der 28 EU-Staaten.

Um aus der Krise zu gelangen, müsste die EU nach Überzeugung vieler Experten den derzeit gültigen Vertrag von Lissabon reformieren. Zu einer Zeit, wo Euroskepsis anwachsen, scheinen die Aussichten dafür aber schlecht – zumal es in einer Gemeinschaft mit heute 28 Mitgliedstaaten erheblich schwerer ist, Kompromisse zu finden, als vor 25 Jahren. (afp/so)



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