Schlechte Prognose für die Biodiversität im Regenwald

Titelbild
Zerstörter Regenwald auf Borneo (Malaysia).Foto: Karl Eduard Linsenmair
Epoch Times1. August 2012

 

50 Prozent der heutigen Schutzgebiete in tropischen Regenwäldern weltweit sind gefährdet. Das besagt eine Studie, die auf Forschungen der vergangenen 20 bis 30 Jahre in 60 unter Schutz stehenden Regenwäldern beruht. Die Studie ist aktuell im Magazin „Nature“ veröffentlicht.

Wie effektiv sind Naturschutzgebiete für die Erhaltung der Biodiversität im Regenwald? Die Antwort fällt wenig erfreulich aus: Selbst in vielen Naturschutzgebieten, die zur Bewahrung der Biodiversität in tropischen Regenwäldern eingerichtet wurden, verzeichnen die Wissenschaftler eine sehr negative Entwicklung. Was sind die Ursachen dafür? „Viele denken zuerst an Übernutzung, Umweltvergiftung oder den Klimawandel“, sagt Professor Karl Eduard Linsenmair vom Biozentrum der Universität Würzburg. Er ist einer der Autoren der Studie. Obwohl diese Faktoren sich in der Tat sehr negativ auswirken können, gäbe es andere Einflüsse, die viel tiefer greifende Auswirkungen haben.

Schutzgebiete sind meist zu klein und zu fragmentiert

Schutzgebiete sind meist zu klein und zu fragmentiert, um allen Arten ausreichenden Lebensraum zu bieten und regelmäßige Ein- und Auswanderungen zu erlauben. Sie sind zu stark isoliert, um den Austausch von Individuen zu gewährleisten, der für die Stabilisierung der Populationen und für die Erhaltung der genetischen Variabilität erforderlich ist. Zum Beispiel verbietet es der Instinkt vieler Vögel ihnen, sich aus dem Schutz der Bäume heraus zu bewegen, erklärt Linsenmair der Epoch Times. Die Wälder sind aber durch weite Nutzflächen unterbrochen. Abhilfe würden Korridore schaffen, die die Waldflächen untereinander verbinden.

Eingeschleppte Arten

Eine äußerst negative Wirkung auf die ursprüngliche Diversität können auch Organismen haben, die aus anderen Teilen der Welt stammen und gezielt in den Tropenwäldern ausgesetzt oder unbemerkt dort eingeschleppt wurden. „Diese ‚fremden‘ Tiere und Pflanzen sind oft konkurrenzstärker, haben noch keine effektiven Feinde und verdrängen einheimische Arten auf zum Teil massivste Weise“, sagt der Würzburger Tropenökologe.

Von Wald zur Nutzfläche und dann kaum nutzbar

„Zweifellos ergeben sich aber die schlimmsten Effekte aus der Umwandlung natürlicher Gebiete zu Nutzflächen für Land- und Forstwirtschaft, Bergbau, Siedlungen, Industrie und Infrastruktur“, sagt Linsenmair. In den vergangenen Jahrzehnten seien in vielen Tropenwäldern riesige Flächen primär für den Holzraubbau erschlossen worden: „Sekundär war damit der Weg frei für die Besiedlung durch Wanderfeldbauern. Sie gaben dem, was vom Wald noch übrig war, dann oft schnell den Rest.“ Dadurch seien weite Flächen heute total degradiert – und für die Landwirtschaft nicht mehr oder nur mit sehr großem Aufwand wieder nutzbar zu machen.

Auf Nachfrage der Epoch Times, warum es denn so schwierig sei, diese Flächen wieder aufzuforsten – in Deutschland wird eine Fläche, die nicht bewirtschaftet wird, ja quasi von allein wieder zu Wald – antwortet Linsenmair: „Die mitteleuropäischen Böden geben auch immer etwas her. Abgesehen von den jungen vulkanischen Böden, die gut sind, sind die Böden dort praktisch ohne Nährstoffe: Sand aus der Sahara und Pollen. Alles steckt in der Biomasse.“ Außerdem seien die Samen der tropischen Pflanzen nicht so lange haltbar.

Hoher Druck auf Arten mit viel Raumbedarf  – Lesen Sie weiter auf Seite 2

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Hoher Druck auf Arten mit viel Raumbedarf

Der stetige Schwund an Regenwald erzeugt einen besonders hohen Druck auf die großen Raubtiere und generell auf alle Arten mit viel Raumbedarf. Es kommt zu immer mehr Begegnungen und zu Konflikten um Ressourcen, zum Beispiel zwischen Elefanten und Menschen. Das führt dazu, dass die Tiere als „Schädlinge“ betrachtet und verfolgt werden.

Goldwäsche: Gift fürs Wasser

Immer akuter wird laut Linsenmair derzeit eine andere Form der Lebensraumvernichtung: Der weltweite Run auf Mineralstoffe wie Gold habe sehr negative Folgen speziell für die Biodiversität von Tieren, die im Wasser leben. Zwar sei die Goldwäsche – zumindest auf dem Papier – in allen Schutzgebieten verboten. Doch manche Staaten würden sie trotzdem zulassen. „Damit nehmen sie in Kauf, dass die mit der Goldwäsche einhergehende weiträumige Quecksilbervergiftung der Flüsse zu massivsten Umweltzerstörungen auch in Schutzgebieten führt“, sagt der Tropenbiologe. Das gleiche gelte für andere industriell-bergbauliche Aktivitäten.

Die Beute professioneller Wilderer. Sie schießen alles, was mehr wert ist, als die Patrone.Die Beute professioneller Wilderer. Sie schießen alles, was mehr wert ist, als die Patrone.Foto: Karl Eduard Linsenmair

Fleisch aus dem Regenwald

„Eine extrem negative Rolle spielt die professionell organisierte Wilderei, die nicht dem eigenen Kochtopf dient, sondern lukrative Märkte beliefert“, erklärt Linsenmair. „Früher lebten die Stämme von der Jagd. Diese Stämme hatten Regeln, zum Beispiel trächtige Tiere nicht zu schießen. Aus diesen Regeln ergab sich eine Nachhaltigkeit“, erzählt der Professor im Gespräch mit der Epoch Times. „Ein professioneller Wilderer schont kein Tier. Er schießt alles, was ihm irgendwie vor die Flinte kommt und mehr wert ist, als die Patronen.“ Früher hätte es auch nicht diesen weltweiten Markt gegeben, fügt der Professor, der mehrere Jahrzehnte in den Regenwäldern Südostasiens und Westafrikas geforscht hat, hinzu. Es werde geschätzt, dass täglich eine halbe bis eine ganze Tonne Wildfleisch aus diesen Gebieten am Pariser Flughafen Charles-de-Gaulle ankommt. „Diese Wilderer schaffen es, ganze Gebiete leer zu schießen. Naturschutzgebiete betrachten die als Allmende (gemeinschaftlicher Eigentum, Anm. d. Rdk.)), aus denen sie aber nur herausnehmen und nichts dazu beitragen.“

Große Raubtiere für ökologisches Gleichgewicht wichtig – Lesen Sie weiter auf Seite 3

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Große Raubtiere für ökologisches Gleichgewicht wichtig

Das Verschwinden der großen Raubtiere hat gravierende Folgen: Ohne sie finden wichtige Regulationsprozesse nicht mehr statt. Zum Beispiel können sich dann manche ihrer Beutetiere sehr stark vermehren und problematisch werden – etwa weil sie exzessiv Pflanzensamen vertilgen und damit wichtige Regenerationsprozesse in den Wäldern unterbinden.

Phänomen der leeren Wälder

In den vergangenen 20 bis 30 Jahren häufte sich das Phänomen der „Leeren Wälder“. Diese Wälder seien botanisch völlig intakt, doch es leben darin kaum noch Säugetiere. Auch größere Vogel- und Reptilienarten fehlen oder sind sehr selten geworden. Und die ehemals äußerst arten- und individuenreichen Fischbestände sind stark ausgedünnt. „Damit droht der Verlust vieler Arten, die in gut kontrollierten Schutzgebieten eine hohe Überlebenschance hätten“, erklärt Linsenmair.

Regenwaldschutz ernst nehmen

Fazit der Studie: „Wir brauchen unbedingt einen sehr viel besseren Schutz der Wälder und eine viel bessere Überwachung vor allem der gefährdeten Arten. Dabei ist Letzteres eine sehr anspruchsvolle Aufgabe“, sagt der Würzburger Professor. Was für die Verbesserung des Naturschutzes zu tun sei, wollen wir von Linsenmair wissen. „Den Schutz ernst nehmen“, ist seine erste Antwort. Es gäbe sogenannte ‚Papierparks‘, bei denen stehe nur auf dem Papier, dass es Naturschutzgebiete sein sollen. Außerdem sollten die Hilfen, die Entwicklungsländer bekommen, mehr für Naturschutz ausgegeben werden. „Im Verlgleich für das, was für Rüstung ausgeben wird, braucht man nur wenig“, sagt der Linsenmair. Außerdem müsse man das Bewusstein dafür schulen, dass man im Vergleich Ökonomie gegen Ökologie, langfristig denken muss – das gelte nicht nur für die Entwicklungsländer.

„Meine persönliche Meinung ist, dass das ‚use it or lose it‘, das in der Diskussion um das optimale Management der Regenwälder oft als bestes Rezept angeführt wird, nur sehr bedingt gültig ist. Denn die Biosphäre als Produkt der Interaktion von Myriaden von unterschiedlichen Organismen ist kein Luxusgut, das man generell und besonders in schlechten Zeiten ungestraft versilbern kann“, sagt Linsenmair. „Mit der Regenwald-Vernichtung verlieren wir nicht nur einen großen Teil der Biodiversität“, erzählt er weiter, „sondern auch Regelmechanismen, die unter anderem für das Weltklima essentiell sind. Hier droht ein Teufelskreis und allmählich zählt jeder Tag.“ (sol/idw)

 



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