Wenn die unsichtbare Hand des Marktes dich ohrfeigt: Gewinnorientierte Colleges

Es gibt Märkte und Branchen, bei denen Gewinninteresse der Anbieter und Kundeninteresse im Gegensatz stehen. Das haben gerade wieder zwei ökonomische Studien aus den USA deutlich gemacht.
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"Im Durchschnitt führen gewinnorientierte Anbieter zu schlechteren Ergebnissen für die Studierenden." (Luis Armona, Rajashri Chakrabarti und Michael Lovenheim)Foto: iStock
Von 5. Februar 2019

Am Beispiel von US-Colleges, die von privaten Beteiligungskapitalgebern (Private Equity) übernommen wurden, zeigen gleich zwei Studien, welch schlimme Wirkungen privates Gewinnstreben haben kann, wenn das Falsche privatisiert wird – die unsichtbare Hand des Adam Smith hin oder her.

Ein Zitat des klassischen Ökonomen Adam Smith gilt als prägnanteste Kurzfassung der Vorteile des privaten Unternehmertums:

Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, dass sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen.“

Das Gewinninteresse sorgt demnach via die unsichtbare Hand des Marktes dafür, dass den Nachfragern attraktive Angebote gemacht werden. An Beispielen für das segensreiche Wirken dieses Mechanismus und Gegenbeispielen aus staatlichen Planwirtschaften fehlt es nicht. Dennoch gibt es Märkte und Branchen, bei denen Gewinninteresse der Anbieter und Kundeninteresse im Gegensatz stehen. Das haben gerade wieder zwei ökonomische Studien aus den USA deutlich gemacht.

Studienobjekte waren jeweils die privaten, gewinnorientieren Colleges, die Anfang der 1990er-Jahre in den USA eingeführt wurden und 2011 mit einem Marktanteil von zehn Prozent den Gipfel ihrer Bedeutung erreichten. Danach verblasste ihr Glanz aufgrund vielfältiger Vorwürfe, es werde den Studenten für die Studiengebühren zu viel versprochen. Unter Präsident Barack Obama wurde die Branche daher verschärft reguliert. Nach dem Amtsantritt von Donald Trump wird die Regulierung allerdings zurückgedreht, und die Branche expandiert wieder.

Zwei Ökonominnen der New Yorker Stern School of Business und ein Soziologe der University of California haben untersucht, was passiert, wenn besonders gewinnorientierte Anbieter private Universitäten übernehmen. Diese Anbietergruppe hört auf den Namen Private Equity, zu Deutsch: privates Beteiligungskapital. Dabei wird den Kapitalgebern eine hohe Rendite versprochen. Deshalb kaufen die Investoren gezielt Unternehmen, bei denen sich die Gewinne schnell nach oben treiben lassen.

Der Titel einer der Studien enthält bereits das Ergebnis: „Wenn Investorenanreize und Konsumenteninteressen auseinanderklaffen„, lautet dieser übersetzt. Charlie Eaton, Sabrina Howell und Constantine Yannelis stellen darin fest:

Nach der Übernahme durch Private-Equity-Investoren verdreifachen sich die Gewinne der Colleges im Durchschnitt. Das erreichen die Anbieter, indem sie die Studiengebühren erhöhen, mehr Studenten aufnehmen und den Personaleinsatz reduzieren. Dass das der Qualität nicht guttut, liegt auf der Hand.

Nachdem Privatcolleges in den Besitz von Private-Equity-Investoren wechseln, gehen die Abschlussraten der Studenten steil nach unten und die späteren Einkommen der Absolventen sinken. Gleichzeitig steigt die Verschuldung mit staatlich garantierten Studienkrediten wegen der hohen Gebühren. Dass die Studentenzahlen trotz höherer Gebühren anwachsen, hat einen gemeinsamen Grund: Die untersuchten Colleges steigern ihre Marketingausgaben erheblich und werben aggressiv mit der Möglichkeit, die Studiengebühren mit Studienkrediten zu decken.

Das Autorenteam kommt zu dem Ergebnis, dass der Geschäftserfolg vor allem auf der Fähigkeit beruht, staatliche Subventionen abzugreifen. So fielen die Kurse börsennotierter Privatcollege-Anbieter sehr kräftig, als 2011 ein Gesetz angekündigt wurde, das staatliche Subventionen an die Arbeitsmarktperformance der Absolventen koppeln sollte. Starke finanzielle Anreize führten in dieser Branche also nicht über bessere Leistungen für die Konsumenten, sondern über ein effizienteres Abgreifen staatlicher Hilfen zu höheren Gewinnen, folgern die Autoren.

In der zweiten Studie „How Does For-Profit College Attendance Affect Student Loans, Defaults and Labor Market Outcomes“ vergleichen drei Ökonomen von der Federal Reserve of New York und den Universitäten Cornell und Stanford private Colleges mit staatlichen. Luis Armona, Rajashri Chakrabarti und Michael Lovenheim treiben noch mehr Aufwand als die Autoren der erstgenannten Studie, um den Einfluss einer ungünstigen Sozialauswahl der Studenten in den privaten Colleges herauszurechnen: Private Colleges haben in der Regel mehr farbige Studierende und solche aus Haushalten mit niedrigeren Einkommen. Sie kommen aber trotz dieser Korrektur ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Studenten dort am Arbeitsmarkt schlechter abschneiden als die öffentlicher Colleges, was umso schlimmer ist, als sie höher verschuldet sind und mit ihren schmalen Gehältern die Studienkredite oft nicht zurückzahlen können. Um ganze elf Prozentpunkte ist die Rate der Kreditausfälle höher als bei Absolventen staatlicher Colleges. Auch hier lautet das Resümee ganz klar:

Im Durchschnitt führen gewinnorientierte Anbieter zu schlechteren Ergebnissen für die Studierenden.“

Vielleicht nicht von ungefähr sind Private-Equity-Investoren gerade in den Branchen besonders aktiv, in denen wie im Bildungssektor die Produktqualität schwer und erst mit Jahren Verzögerung festgestellt werden kann und in denen staatliche Beihilfen die direkten Ausgaben der Kunden ersetzen oder ergänzen.  Die Autoren nennen Gesundheit, Infrastruktur und Militärtechnik als Beispiele.

Den Gegenpol, bei dem die Verheißung privaten Unternehmertums von Adam Smith meist in Erfüllung geht, bilden Branchen mit hohem Wettbewerb, transparenter Qualität des Angebots und schnellem Feedback, wie Restaurantketten oder Konsumprodukte.

Der Artikel erschien zuerst bei norberthaering.de

Der Autor: Norbert Häring ist seit 1997 Wirtschaftsjournalist. Der promovierte Volkswirt arbeitete vorher einige Jahre für eine große deutsche Bank. 2002 wechselte er zum Handelsblatt, für das er seither schreibt. Er engagiert sich in der World Economics Association für eine weniger einseitige und dogmatische Ökonomik. Er ist Träger des Publizistik-Preises der Keynes-Gesellschaft und des Deutschen Wirtschaftsbuchpreises von getAbstract (Ökonomie 2.0).

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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