Kretzschmar und das Künast-Paradoxon: Bringt die zum Schweigen, die fehlende Redefreiheit in Deutschland kritisieren

Handballstar Stefan Kretzschmar hat in einem Interview kritisiert, Sportler getrauten sich keine Meinungen mehr zu äußern, die ihre Sponsoren vergrämen könnten. Dafür fordern Linke auf Twitter seine Bestrafung durch Kündigung von Werbeverträgen.
Von 14. Januar 2019

Manchmal machen auch heute noch in sozialen Medien Aufnahmen einer skurrilen Demonstration die Runde, die von einer Demonstration radikaler Islamisten im Februar 2006 in London stammen, die sich gegen die „Mohammed-Karikaturen“ der dänischen Zeitung „Jyllands-Posten“ vom 30. September 2005 richteten.

Auf einem der Schilder prangte damals die Forderung: „Enthauptet alle, die sagen, der Islam wäre gewalttätig.“ Da es keinen Hinweis auf einen möglichen Spoof oder sonstigen parodistischen Hintergrund gab, konnte man davon ausgehen, dass diese paradoxe Aussage tatsächlich ernst gemeint war. Vor allem islamkritische Seiten verbreiten seither die Aufnahme als vermeintliche Bestätigung ihrer These, wonach der Islam eine gewaltaffine Religion sei, aus erster Hand.

Exakt an die Szenerie von London fühlte sich möglicherweise nicht nur der AfD-Kreisvorsitzende von Magdeburg, Ronny Kumpf, am Sonntag (13.1.) erinnert, nachdem die frühere Spitzenpolitikerin der Grünen, Renate Künast, als eine von vielen Twitter-Nutzern Sanktionen gegen den bekannten Handballstar Stefan Kretzschmar für dessen jüngste Aussagen in einem Interview mit T-Online gefordert hatte.

Keine gesellschafts- oder regierungskritische Meinung mehr erwünscht

Kretzschmar hatte sich in dem Interview kritisch über die Situation hinsichtlich der Redefreiheit in Deutschland geäußert. Unter anderem Sportler seien einem erheblichen Konformitätsdruck ausgesetzt, weshalb viele es bewusst unterlassen würden, in der Öffentlichkeit Meinungen zu äußern, die als kontrovers wahrgenommen werden könnten.

Über den präventiven Konformismus, den er bei seinen Kollegen wahrzunehmen meint, erklärte Kretzschmar im T-Online-Interview:

„Dafür können die Spieler nichts, die spielen das Spiel nur mit. Für jeden Kommentar bekommst du eins auf die Fresse. Wenn du eine polarisierende Meinung hast, finden die 50 Prozent scheiße. Für alles, was dich von der Masse abhebt, erntest du einen Shitstorm. Dem setzt sich kein Profisportler aus. Alle gehen ihren gemütlichen Weg, keiner streckt den Kopf höher heraus, als er muss. Das würde ich genauso tun. Welcher Sportler äußert sich denn heute noch politisch? Es sei denn, es ist die mainstreampolitische Meinung, wo man sagt ‚Wir sind bunt!’ oder ‚Refugees Welcome’, wo man gesellschaftlich nichts falsch machen kann. Eine gesellschafts- oder regierungskritische Meinung darf man in diesem Land aber nicht mehr haben. Wir Sportler haben in Deutschland eine Meinungsfreiheit, für die man nicht in den Knast kommt. Wir haben aber keine Meinungsfreiheit im eigentlichen Sinne. Wir müssen immer mit Repressalien von unserem Arbeitgeber oder von Werbepartnern rechnen. Deswegen äußert sich heute keiner mehr kritisch.“

Dabei handelt es sich zweifellos um eine Aussage, die das Potenzial hat, Aufregung oder energischen Widerspruch hervorzurufen. Immerhin berührt sie doch das Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland, die sich nicht nur selbst als pluralistische, offene Demokratie definiert, in der Redefreiheit per definitionem zu den elementaren Grundrechten der Bürger zählen würde – sondern auch im Ausland immer wieder, teils sogar sehr offensiv, die Einhaltung demokratischer Standards anmahnt.

Unfreiwillige Bestätigung

Insofern ist die Behauptung, die Redefreiheit sei in Deutschland de facto eingeschränkt und man müsse zumindest berufliche Konsequenzen für unerwünschte Meinungsäußerungen rechnen, in ihrer Tragweite mit jener zu vergleichen, die für einen gläubigen Muslim die Darstellung entfaltet, sein Prophet – der für ihn auch in allen Aspekten der Lebensführung ein Vorbild sei – würde kein Mann des Friedens, sondern einer sein, der Gewalt und Terror inspiriere.

Gemäß dem Erbe der westlichen Diskursethik, auf die sich auch moderne Demokratien berufen, stellt es die optimale Form, eine falsche Behauptung als solche zu entlarven, dar, diese zu widerlegen. Denn auf diese Weise würde möglicherweise auch derjenige, der diese aufgestellt hat, erkennen können, dass er geirrt habe.

Im Fall der Mohammed-Karikaturen wären die Zeichner vom Jyllands-Posten offenkundig widerlegt gewesen, hätten Muslime in aller Welt diese entweder ignoriert oder sich darauf beschränkt, in Leserbriefen, Foren oder Kommentaren möglicherweise auch harsche und energische Kritik daran zu formulieren. Die meisten Muslime, die von den Karikaturen Kenntnis erlangt hatten, haben sich auch darauf beschränkt.

Allerdings gab es auch in mehreren Ländern außerordentlich heftige Reaktionen bis hin zu Gewaltaufrufen, Übergriffen und Terrorakten, die ursächlich mit der Veröffentlichung im Zusammenhang standen. Am Ende wurden der Seite „Cartoon Body Count“ zufolge allein bis zum 22. Februar 2006 weltweit unter Berufung auf die Karikaturen 139 Menschen getötet und 823 verletzt. Die inhaltliche Botschaft der Karikaturen wurde auf diese Weise gerade nicht widerlegt, sondern im Gegenteil in jedem einzelnen Fall bestätigt und unterstrichen.

Auch linke Gesinnung schützt nicht mehr vor linksautoritärer Maßregelung

In Deutschland sind es meist Anhänger der AfD und andere rechtskonservativ gesinnte Kreise, die behaupten, das Selbstverständnis der Bundesrepublik als „liberale Demokratie“ entspreche nicht oder nur noch eingeschränkt den realen Gegebenheiten. Vielmehr würden in immer stärkerem Maße linksautoritäre Tendenzen Platz greifen und die Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ gehöre zu den treibenden Kräften dieser illiberalen Entwicklung.

Würden Leitmedien nun über alle politischen Parteien in gleichem Maße ausgewogen berichten, würde der Diskurs nicht durch dämonisierende „Nazi“-Vorwürfe vergiftet, würden AfD-Politiker ungestört Kinos oder Restaurants aufsuchen und ihre Kinder in die Schule ihrer Wahl schicken können, würde es keine Übergriffe auf Politiker durch Linksextremisten geben oder würden diese nicht systematisch verharmlost und relativiert – die AfD und ihre Anhänger wären restlos blamiert und ihren Behauptungen wäre der Boden entzogen.

Stefan Kretzschmar steht der AfD in keiner Weise nahe, im Gegenteil: Er schwärmt von seiner Zeit in der linksradikalen Berliner Hausbesetzerszene und davon, dass er sogar einmal an einer Demonstration zum 1. Mai in Kreuzberg teilgenommen hatte. Kretzschmar hat zudem sehr genau differenziert, nämlich dahingehend, dass die Einschränkung der Redefreiheit nicht durch den Staat selbst erfolge, sondern sich im vorpolitischen Raum vollziehe, indem Meinungsäußerungen jenseits eines bestimmten zulässigen Korridors mit sozialer Ächtung oder gar beruflichen Konsequenzen geahndet würden. Dies unterstreicht beispielsweise auch Ellen Ivits in ihrem Kommentar für den „Stern“.

Seine kritische Aussage zum Meinungsklima in Deutschland war eine Antwort auf die Frage des Reporters, warum sich viele Sportler nicht mehr getrauen würden, ihre Meinung zu sagen – wobei der Reporter selbst keinen Shitstorm dafür erntete, dass er eine Frage gestellt hatte, obwohl er nicht wusste, ob ihm die Antwort darauf gefallen würde.

Die durchaus abgewogene Aussage des linken Stefan Kretzschmar reichte jedoch schon aus, um genau jene Mechanismen auszulösen, die er damit kritisieren wollte.

„Seine Verträge werden gekündigt“

Louis Richter wettert im „Tagesspiegel“ Kretzschmar „entwertet die Bedeutung von Toleranz in diesen Zeiten, in denen sich immer mehr Menschen offen trauen, rechte Positionen einzunehmen. So ließ es sich die AfD Heidelberg zum Beispiel nicht nehmen, Kretzschmars Aussagen für ihre Zwecke zu missbrauchen.“

Ein Account namens „Fr.V.B.“ postete eine Montage aus Kretzschmar und dem unter linksliberalen Konsensdeutschen als Gottseibeiuns geltenden Björn Höcke, um auf diese Weise einen impliziten „Nazi“-Vorwurf gegen den Handballer zu artikulieren.

Der User „unsen_sibel“ nimmt Kretzschmar übel, dass dieser „rechte Ausdrücke nutzt wie ‚Flüchtlingsmanagement‘ oder ‚Meinungsfreiheit‘“.

Der linksautoritäre Account „4lert4“ twittert das Unternehmen „Puma“ an in der offenbaren Hoffnung, dass dieses die Werbeverträge mit Kretzschmar lösen wird, weil dieser als „Star der Neuen Rechten“ bezeichnet wird und – wahrheitswidrig – behauptet wird, man bekomme Kretzschmar zufolge „Probleme mit seinem Sponsor, wenn man Refugees nicht willkommen heißt“.

Grünen-Altpolitikerin Renate Künast antwortete dem früheren Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, Markus Löning, der gefragt hatte, ob denn „meine Werbeverträge gekündigt“ würden, weil er sage, „dass der Typ [Kretzschmar] ein Dumpfschwätzer“ sei, mit „Seine werden gekündigt“. Was aus dem Mund einer Persönlichkeit des öffentlichen Lebens, die sogar Ministerämter innegehabt hatte, gleichsam wie ein Handlungsauftrag klingt.

Auch Ellen Ivits kommt angesichts dieser Reaktionen, die im Wesentlichen genau das illustrieren, was Kretzschmar angesprochen hatte, zu dem Schluss, dass „seine Kritiker ihm unfreiwillig Recht geben“. In einer Leserabstimmung am Ende des Artikels sagen 91 Prozent, es treffe zu, was der Handballstar zum Ausdruck gebracht habe.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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