EuGH verurteilt Polen zu täglichem Zwangsgeld in Millionenhöhe

Der Justizstreit mit der EU wird für Polen immer teurer: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Mittwoch ein tägliches Millionen-Zwangsgeld gegen die Regierung in Warschau verhängt. Es ist nicht die erste Entscheidung mit finanziellen Konsequenzen.
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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg.Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa/dpa
Epoch Times27. Oktober 2021

Im Konflikt um die polnischen Justizreformen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg das Land angewiesen, der EU-Kommission täglich eine Million Euro Zwangsgeld zu zahlen.

Polen habe die EuGH-Entscheidung zur Disziplinarkammer für Richter nicht umgesetzt, begründete das Gericht am Mittwoch seinen Beschluss. Dies sei aber notwendig, um ernsthaften und irreparablen Schaden von den europäischen Werten, vor allem der Rechtsstaatlichkeit, abzuwenden. (Az. C-204/21)

Die polnische Regierung kritisierte die Gerichtsentscheidung. „Der Weg der Sanktionen und Erpressungen gegen unser Land ist nicht der richtige“, erklärte Regierungssprecher Piotr Müller auf Twitter. Dies sei nicht das Modell, nach dem die EU als „Union souveräner Staaten“ funktionieren sollte.

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Die EU-Kommission und Polen streiten seit langem um die Einhaltung der verbindlichen rechtsstaatlichen Grundsätze. Auslöser des Streites ist unter anderem die „Disziplinarkammer“ am Obersten Gericht in Warschau. Diese kann Richter bestrafen und entlassen, was sie auch tut. Die Mitglieder werden vom politisch kontrollierten Landesjustizrat ernannt, was die EU zu der Vermutung führt, dass sie unter politischem Einfluss stehen und ihre Unabhängigkeit nicht gewährleistet ist. Kritische Juristen in Polen sehen dies genauso.

Der Streit spitzte sich zu

Vor allem darum ging es auch in der aktuellen EuGH-Entscheidung. Bereits im Juli entschied der EuGH nämlich, dass die Disziplinarkammer gegen EU-Recht verstoße. Polen müsse ihre Arbeit aussetzen, hieß es in der einstweiligen Anordnung. Da das Land sich daran nicht hielt, zog die Kommission erneut vor den EuGH und beantragte ein Bußgeld.

Polen seinerseits beantragte erfolglos die Aufhebung der Anordnung vom Juli. Der Gerichtshof entschied nun, dass Polen das Zwangsgeld so lange zahlen muss, bis es die frühere EuGH-Entscheidung umsetzt oder das endgültige Urteil fällt.

Schon im September war Polen zu täglichen Zahlungen von einer halben Million Euro verurteilt worden, weil es entgegen einer einstweiligen Anordnung den Braunkohleabbau im Tagebau Turow nicht stoppte. Allerdings entschied wiederum das polnische Verfassungsgericht Anfang Oktober, dass EU-Recht keinen Vorrang gegenüber nationalem Recht habe – vermutlich auch, weil das polnische Verfassungsgericht regierungstreu auf Linie gebraucht wurde.

Der Streit spitzte sich seitdem Schritt für Schritt zu. Am Montag etwa warf der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki der EU vor, ihm mit dem Antrag beim EuGH die „Pistole auf die Brust“ zu setzen.

Polen und der Europäische Gerichtshof spielen in gewissem Sinn Poker. Was passiert, wenn Polen die eine Million pro Tag nicht zahlt? Droht ein Ausschluss durch die EU, der „Polexit“, auch wenn Polen in der EU bleiben will? Juristisch ist das Problem kaum lösbar, da es ein politisches Problem ist. Polen selbst plant keinen „Polexit“, wie Prof. David Engels vor kurzem gegenüber der Epoch Times klar stellte.

Das Thema wurde beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche besprochen. Dort sagten mehrere EU-Staats- und Regierungschefs, dass Brüssel die von Warschau erwarteten 36 Milliarden Euro für den Wiederaufbau nach der Pandemie nicht freigeben werde, solange der Streit nicht geklärt sei.

Grüne begrüßen Zwangsgeld für Polen

Unterstützung erhielt Polen im Rechtstaats-Streit mit Brüssel von Ungarn. „Es gibt EU-Staaten und Kräfte in der Brüsseler Kommission, die versuchen still und heimlich die EU-Verträge umzudeuten“, sagte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto. In der Frage, wann das europäische Recht Vorrang vor dem nationalen Recht habe, teile Ungarn ausdrücklich die polnische Position.

Indes haben die Grünen die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs als „deutliches Warnsignal“ begrüßt. Das Urteil sei ein „Stoppschild für Demokratiezerstörer“, sagte die europapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Franziska Brantner. Wer die Rechtsstaatlichkeit untergrabe, müsse auch mit Konsequenzen rechnen.

Brantner sieht nun die EU-Kommission am Zug: „Die EU-Kommission muss jetzt nachziehen und die Auszahlungen der Gelder aus dem Wiederaufbau-Fonds an die Einhaltung der Unabhängigkeit der Justiz und den Vorrang europäischen Rechts knüpfen.“ 

Polen ist auf den europäischen Binnenmarkt angewiesen. Über zwei Drittel der polnischen Ausfuhren gehen in die EU-Staaten, 69 Prozent der Einfuhren stammen von dort. Auch der Arbeitsmarkt ist eng mit der EU und vor allem Deutschland verflochten. (afp/ks)



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