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EU sichert sich mehr als 27 Millionen Dosen Grippeimpfstoff: Zulassung unter „außergewöhnlichen Umständen“ erteilt

Für den Fall einer Grippe-Pandemie hat sich die EU-Kommission mit einem neuen Rahmenvertrag Zugang zu über 27 Millionen Impfstoffdosen gesichert. Die am Dienstag verkündete Einigung mit dem Pharmaunternehmen soll eine Reaktion auf die Versäumnisse der Corona-Zeit darstellen.

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Grippeimpfstoffe werden zumeist mit Hühnereiern hergestellt. (Archivbild)

Foto: Ralf Hirschberger/dpa-Zentralbild/dpa

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Lesedauer: 7 Min.

Die EU-Kommission hat mit dem britischen Pharmaunternehmen Seqirus UK Ltd. einen Beschaffungsvertrag geschlossen. Wie aus einer Pressemitteilung vom Dienstag, 29. April, hervorgeht, hat die Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen das Abkommen unterzeichnet. Es soll im Fall einer Grippe-Pandemie 17 Ländern die Möglichkeit bieten, bis zu 27.403.200 Impfstoffdosen zu erwerben.

Zulassung des Impfstoffs unter „außergewöhnlichen Umständen“

Das Abkommen soll eine Versorgung mit Foclivia sicherstellen. Dieses Präparat ist ein sogenannter Mock-up-Impfstoff, der im Voraus für potenzielle Pandemien hergestellt wird, bevor nähere Einzelheiten über die genaue Virusvariante bekannt werden. Auf der Website der Europäischen Arzneimittelagentur EMA heißt es:
„Foclivia ist unter ‚außergewöhnlichen Umständen‘ zugelassen worden. Das bedeutet, dass es nicht möglich war, vollständige Informationen über den endgültigen Pandemieimpfstoff zu erhalten, da es sich um einen Impfstoff zur Vorbereitung auf eine Pandemie handelt und er noch nicht den Grippevirusstamm enthält, der eine Pandemie verursacht.“
Der Impfstoff enthält inaktivierte Bestandteile des H5N1-Virusstams (A/Vietnam/1194/2004) und ist mit einem Adjuvans auf Squalenbasis versehen. Dieses soll die Immunantwort stärken.
Gravierende Nebenwirkungen werden von der EMA nicht aufgeführt. Allerdings bestehen Kontraindikationen bei anaphylaktischen Reaktionen auf Bestandteile wie Eier, Hühnerprotein, Kanamycin oder Formaldehyd. Auch gilt laut EMA besondere Aufmerksamkeit bei der Gabe an Personen, die an Epilepsie leiden.
Zudem erwähnt die EMA diverse Nebenwirkungen eines ähnlichen Impfstoffs, verabreicht „während der Influenzapandemie 2009, und mit dem gleichen MF59-Adjuvans und hergestellt nach dem gleichen Verfahren wie Foclivia“. Unter anderem können auftreten:
  • Erkrankungen des Blutes und des Lymphsystems
  • Erkrankungen des Nervensystems
  • Herzerkrankungen
  • Erkrankungen der Haut und des Unterhautgewebes
Über die Häufigkeit dieser Nebenwirkungen gibt es keine spezifischen Angaben.

Brüssel will aus der Impfstoff-Misere im Corona-Umfeld lernen

Die gemeinsame Beschaffung baut auf früheren Vereinbarungen auf. Diese hatte die EU 2019 mit CSL Seqirus und 2022 mit GSK unterzeichnet. Der Rahmenvertrag wird für einen Zeitraum von 48 Monaten geschlossen. Es besteht eine zweimalige Verlängerungsoption um jeweils 12 Monate.
Der Vertrag sichert der EU ein Vorkaufsrecht über die vereinbarte Menge im Fall einer Grippe-Pandemie. Welche 17 Länder von der Kaufoption umfasst sind, geht aus der Erklärung nicht hervor. Es ist mit Blick auf frühere Vereinbarung jedoch davon auszugehen, dass es sich vorwiegend um Mitgliedstaaten oder Länder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) handeln dürfte. Deutschland ist offenbar Teil der Vereinbarung – dies ergibt sich aus der Formulierung der Presseerklärung. Auch über preisliche Konditionen für den Impfstoff selbst oder mögliche Vorhaltegebühren ist bis dato nichts bekannt.
Die EU-Kommission will durch das Abkommen eine „widerstandsfähige und reaktionsfähige Europäische Gesundheitsunion“ stärken, die „besser für die Bewältigung neu auftretender Gesundheitsbedrohungen gerüstet ist“. Dabei nimmt Brüssel Bezug auf die Corona-Pandemie, bei der Reaktion und Beschaffungspolitik der EU weithin als ineffizient wahrgenommen wurden.
Neben Verzögerungen nach Verfügbarkeit der Impfstoffe standen Vergabemodalitäten, Mengen und bezahlte Preise für die Impfstoffe damals in der Kritik. Der Europäische Rechnungshof bemängelte in einem Bericht zudem, dass die gewichteten Durchschnittskosten pro Dosis etwa 15 Euro betrugen, was deutlich höher als etwa in den USA war. Dazu habe man mögliche alternative Optionen ungenutzt gelassen.

Keine näheren Angaben zu möglichen Teilnehmern und Preisen

Hadja Lahbib von der Kommission für Gleichberechtigung, Krisenvorsorge und Krisenmanagement der EU, erklärte zu der Vereinbarung:
„Die Sicherstellung des rechtzeitigen Zugangs zu medizinischen Gegenmaßnahmen ist eine Schlüsselkomponente unserer Bereitschaftsunion.“
Während die Wunden der Corona-Pandemie noch nicht verheilt seien, müsse man „wachsam bleiben und auf künftige Bedrohungen mit Pandemiepotenzial vorbereitet sein“. Die Beschaffungsvereinbarung über den Zugang zu mehr als 27 Millionen pandemischen Grippeimpfstoffen werde – sollte ein entsprechender Notfall eintreten – zum Schutz der Bürger beitragen.
Auch der Hersteller gab anlässlich der Vereinbarung eine Pressemitteilung heraus. Aus dieser geht ebenfalls nicht hervor, welche Länder von der Möglichkeit zum Erstzugriff auf das Präparat umfasst wären – oder ob es Vorhaltegebühren gibt. Details dieser Art wurden auch 2022 anlässlich des Beschaffungsvertrages mit GSK über bis zu 85 Millionen Dosen Grippeimpfstoffe nicht bekannt gegeben. Ähnlich verhielt es sich 2024, als die EU mit CSL Seqirus einen solchen Vertrag über 665.000 Dosen zoonotischer Vogelgrippe-Impfstoffe mit einer Option auf 40 Millionen weitere abschloss.

Seqirus entwickelte weltweit ersten Impfstoff gegen Schweinegrippe

Die Seqirus Ltd. gehört zur seit 1916 bestehenden australischen CSL Limited. Im November 2015 entstand das Unternehmen aus einem Zusammenschluss von BioCSL mit der Grippeimpfstoff-Sparte von Novartis. In Deutschland befinden sich bereits die Grippe-Impfstoffe Agrippal, Fluad und Flucelvax Quadrivalent aus dem Konzern auf dem Markt.
CSL entwickelte auch den weltweit ersten Impfstoff gegen Schweinegrippe, der im September 2009 für Personen über 10 Jahre zugelassen wurde. Allerdings wurde dieser nur in Australien, Singapur und den USA ausgeliefert.
Während der Corona-Pandemie hatte CSL mit der australischen Regierung am 7. September 2020 Vereinbarungen über die Lieferung zweier Impfstoffe abgeschlossen. Konkret ging es dabei um V451 von der Universität Queensland und AZD1222 von der Universität Oxford und AstraZeneca. Der Vertrag umfasste ein Recht auf Lieferung von fast 85 Millionen Dosen – unter der Bedingung eines Erfolgs der klinischen Studien.
Am 11. Dezember 2020 wurde die Entwicklung des Impfstoffs in der ersten Phase gestoppt, nachdem in der Queensland-Studie ein hoher Prozentsatz „falsch positiver“ Ergebnisse für HIV aufgetreten war. Vom späteren Oxford-AstraZeneca-Impfstoff hatte die australische Regierung bei CSL jedoch die Produktion von 50 Millionen Dosen in Auftrag gegeben.
 
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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