Russlandexperte: Ein hochgefährlicher Vertrauensschwund zwischen Russland und Europa

Wird es künftig gemeinsame Stabilität mit Russland auf dem Kontinent geben, oder wird Russland der neue alte Feind? Maas‘ Vorgänger wollten immer ein Europa mit und nicht gegen Russland. Kann Deutschland ein Mittler sein für Stabilität auf dem Kontinent, fragt unser Gastautor, der Russlandexperte Prof. Alexander Rahr.
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Außenminister Maas hält die Brandt‘sche Ostpolitik für veraltet, sagt Russlandexperte Alexander Rahr.Foto: Florian Gaertner/Photothek via Getty Images
Von 7. Mai 2018

Die SPD-Spitze streitet um die Russland-Politik von Bundesaußenminister Heiko Maas und gleichzeitig um das Erbe der Ostpolitik von Willy Brandt.  Zur Erinnerung: Die erste sozialdemokratisch geführte Bundesregierung ersann gegenüber der Sowjetunion eine Politik des „Wandel durch Handel“.

Durch wirtschaftliche Verflechtungen suchte sie demokratische Veränderungen im Osten anzustoßen. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurde die Ostpolitik als ein historischer Erfolg bezeichnet.

Die damalige SPD stand auch Pate bei der Besiegelung des Gas-Röhren-Geschäftes zwischen Westdeutschland und der UdSSR. Bonn lieferte Technologien – Moskau dafür Erdgas. Natürlich war diese Energiepartnerschaft hochpolitisch und stieß, wie heute, auf Ablehnung durch die USA. Doch sie schuf die Brückenpfeiler für die erfolgreiche Entspannungspolitik.

Maas hält die Brandt‘sche Ostpolitik für veraltet. Viele geben ihm recht: Deutschland müsse schließlich nicht mehr um seine Wiedervereinigung verhandeln. Außerdem seien die Befindlichkeiten und Interessen der Mittelosteuropäer, allen voran der Polen und Balten, Berlin viel näher geworden. Ein deutscher Sonderweg nach Moskau sei unmöglich.

Europa steht vor einer neuen historischen Zäsur

Keine Frage: Der alte Westen muss die Ängste der mittelosteuropäischen NATO – und EU-Verbündeten berücksichtigen. Und trotzdem steht das gegenwärtige Europa vor einer neuen historischen Zäsur, wo Mittler benötig werden.

Wird es künftig gemeinsame Stabilität mit Russland auf dem Kontinent geben, oder wird Russland der neue alte Feind? Maas‘ Vorgänger wollten immer ein Europa mit und nicht gegen Russland.“

Die USA machen Ernst. Die EU-Sanktionen gegen Russland, vor vier Jahren verabschiedet, hatten zum Ziel, Moskau zum Einlenken in der Ostukraine zu bewegen; nicht aber die russische Wirtschaft anzugreifen.

Die neuen US-Sanktionen verfolgen dagegen das Ziel, die strategischen Rohstoffzweige der russischen Wirtschaft zu beschädigen. Mit den Sanktionen gegen den Energiesektor sollen die russischen Haushaltseinnahmen zum Einsturz gebracht werden, damit Moskau seine expansive Außenpolitik nicht mehr durchführen kann.

Aber die USA zielen auch gegen die deutsche Ostpolitik. Deutsche und europäische Firmen, die mit sanktionierten russischen Konzernen kooperieren, sollen dafür bestraft werden.“

Nicht nur die traditionelle Energieallianz – das gesamte deutsche Russland-Geschäft ist auf dem Prüfstand. „Wandel durch Handel“ wird ins Negative umgedeutet: Russland missbrauche den Handel, um Europa zu bedrohen. Allerdings steht der Verdacht im Raum, dass die USA das russische Erdgas aus Europa herausdrücken wollen, um den EU-Markt mit ihrem Schiefergas zu überfluten.

Angela Merkel konnte sich in Washington mit ihrem Anliegen, deutsche Firmen von den exterritorialen US-Sanktionen gegen Russland auszuschließen, nicht durchsetzen. Berlin steht nun vor der Qual der Wahl:

Entweder beugt sich die Bundesregierung, um keinen Streit innerhalb des Bündnisses zu befeuern, hinter Washington. Dann schließt sie jedoch die Tür nach Russland, zu der Deutschland, wie kein anderer, den Schlüssel hält.“

Zweifellos sind Deutschland und Frankreich in Wirtschaftsfragen die beiden Motoren Europas. In Außen- und Sicherheitsfragen sind sie es nicht. Dort liegt die Federführung bei den angelsächsischen Staaten USA und Großbritannien. Beide plädieren für Härte gegenüber Moskau.

Ein hochgefährlicher Vertrauensschwund

Dessen ungeachtet, wird Deutschland seine angestammte Vermittlerrolle gegenüber Russland kaum freiwillig aufgeben. Der Vertrauensschwund in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen kann nicht mehr nur als dramatisch bezeichnet werden. Er ist hochgefährlich.

Die Bundesregierung wird versuchen, den hart ausgehandelten Atom-Deal mit dem Iran zu retten. Eine Aufkündigung des Abkommens würde zudem die Beziehungen zu Russland noch weiter verschlechtern, denn Moskau war wesentlicher Garant der Verhandlungen. Die Verstetigung des Atom-Deals wäre der Türöffner zu einer gemeinsamen Befriedung Syriens.

Selbst Donald Trump hat erkannt, dass Frieden in Syrien gegen Russland und den Iran nicht durchsetzbar ist.

Noch dringlicher ist die Implementierung des Minsk-Prozesses. Unvorstellbar, dass Deutschland in der Ukraine-Krise seine Mittlerrolle verspielt.

Vielleicht wird man in Berlin eines Tages nicht umhin kommen, die eigene Sanktionsschraube entgegengesetzt zur amerikanischen zu drehen.

Alexander Rahr gilt als einer der erfahrendsten Osteuropa-Historiker, er ist Politologe und Publizist. Er ist Projektleiter beim Deutsch-Russischen Forum und Deutschlandberater von Gazprom.

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