Wostok-2018: Russland verliert die Scheu vor einer militärischen Kooperation mit Peking

Das heute begonnene Großmanöver „Wostok-2018“ im Osten und Südosten der Russischen Föderation ist ein Indiz dafür, dass die Russische Föderation und die Volksrepublik China ihre verstärkte strategische Partnerschaft auch auf die militärische Ebene ausdehnen wollen. Dies würde eine nicht unwesentliche geopolitische Trendwende markieren.
Titelbild
Wostok-2018: Keine Berührungsängte mehr zu den Chinesen. (Symbolfoto) Ein MiG-35 auf dem Rollfeld am 27. Januar 2017.Foto: MARINA LYSTSEVA/AFP/Getty Images
Von 11. September 2018

Am heutigen Dienstag haben militärische Großmanöver der Russischen Föderation in Sibirien und im Fernen Osten des Landes begonnen. In westlichen Medien haben diese erwartungsgemäß ähnliche Reaktionen eines reflexartigen Alarmismus ausgelöst, wie es regelmäßig auf der anderen Seite auch in russischen Medien angesichts von NATO-Manövern in Osteuropa der Fall ist.

Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) hat demgegenüber die ideologische Brille beiseitegelassen und an die Stelle des Beschwörens eines neuen Kalten Krieges eine nüchterne Analyse gesetzt, die vor allem das Verhältnis zwischen Moskau und der Volksrepublik China in den Fokus rückt. Immerhin ist diese bei „Wostok-2018“ mit eigenen Truppen im trilateralen Format in die Großübung eingebunden.

Das größte Manöver russischer Streitkräfte seit 1981 wird bis Samstag andauern. Mit von der Partie sind 300 000 Soldaten, 36 000 Panzer, gepanzerte und andere Landfahrzeuge, über 1000 Flugzeuge, Drohnen und Helikopter und etwa 80 Kriegsschiffe. Die Szenarien werden sich auf insgesamt neun Truppenübungsplätzen abspielen. Die Volksrepublik China wird mit 3200 Soldaten und mit Waffentechnik vertreten sein. Außerdem sind auch Truppen der Mongolei unter den Teilnehmern.

Wie die NZZ unter Verweis auf die russische Tageszeitung „Kommersant“ berichtet, spricht der russische Generalstabschef Waleri Gerasimow selbst von einer Einbindung der chinesischen Truppen auf allen Ebenen. Dies erscheint insofern als bedeutsam, als ein so enger Schulterschluss, der mit einem tiefen Einblick in eigene Truppenstrukturen verbunden ist, bislang nur mit Verbündeten wie Weißrussland oder Kasachstan vollzogen worden ist. Mit Peking gab es bislang erst kleinere Manöver im Rahmen der Schanghai-Organisation.

Es geht nicht mehr nur um ein Gegengewicht zu Amerika

Das Zusammenrücken beider Großmächte, das sich im Laufe der vorangegangenen Jahre auf wirtschaftlicher Ebene gezeigt hatte, scheint nun auch zunehmend die militärische Ebene zu erreichen. Die Konfrontation mit dem Westen infolge der Ukrainekrise und der Sanktionspolitik hat diese Entwicklung ebenso begünstigt wie ein gestiegenes Selbstbewusstsein Pekings, das eine immer aktivere Rolle auf dem eurasischen Kontinent anstrebt. Zudem scheint zwischen beiden Staatschefs Wladimir Putin und Xi Jinping die Chemie zu stimmen, was die bilaterale Zusammenarbeit erleichtert.

„Russland ist schon länger ein wichtiger Waffenlieferant für China“, stellt die NZZ fest. „Geostrategisch verbindet die beiden das Interesse, die bisherige, von Amerika dominierte Weltordnung zugunsten einer offiziell multipolaren Ordnung zu schwächen und neue Kräfteverhältnisse zu etablieren.“

Ein gemeinsames Interesse an einer Obstruktion der regionalen Ziele geopolitischer Rivalen begründet für sich genommen jedoch noch keine zwangsläufige bilaterale Nähe. Und die Geschichte hat durchaus auch schon Zeiten eines tiefen Misstrauens, wenn nicht gar einer Konfrontation zwischen Moskau und Peking gesehen. Bereits das Zusammenrücken auf wirtschaftlicher Ebene zwischen Russland und der Volksrepublik China im Zeichen der westlichen Sanktionen hatte in Russland Argwohn ausgelöst, die Chinesen könnten sich früher oder später in Teilen des russischen Ostens festsetzen.

Auch militärisch galt die Volksrepublik neben den USA und Japan gerade auch im östlichen Militärbezirk als potenzielle Bedrohung. Noch heute schreiben Militärpublizisten von einer gefährlichen strategischen Unterlegenheit der russischen Armee gegenüber den Chinesen im östlichen Militärbezirk, nicht zuletzt bedingt durch unzureichende Ausrüstung.

Russland will sich als starker Partner präsentieren

Nun scheint dieses Misstrauen im Abklingen begriffen zu sein. Mit Verweis auf die Einschätzung Alexander Gabujews vom Moskauer Carnegie-Zentrum geht auch die NZZ davon aus, dass auch sicherheitspolitisch die bislang gepflegte Vorsicht Moskaus gegenüber dem mächtigen Nachbarn zumindest punktuell schwindet. Pragmatismus und übergeordnete politisch-strategische Ziele machen demnach ein punktuelles Zusammengehen auch in sicherheitspolitischen Fragen möglich.

Mit Blick auf Wostok-2018 schreibt die Zeitung, das Manöver „imaginiert jedoch einen dritten, gemeinsamen Gegner und ein gemeinsames russisch-chinesisches Interesse im Fernen Osten. Gleichzeitig machen die Größenverhältnisse deutlich, dass es den Russen gewiss auch darum geht, gerade den Chinesen die eigenen Möglichkeiten vorzuführen.“

Vor allem im Verhältnis zu Tokio wird die sicherheitspolitische Tuchfühlung – ausgerechnet zu Beginn des Wirtschaftsforums in Wladiwostok – zwischen Russland und Peking zu keiner Verbesserung führen. Hatten Russlands Präsident Putin und Japans Regierungschef Shinzo Abe noch im Vorjahr Hoffnungen auf eine Einigung im Kurilen-Streit gehegt und gar über eine Brücke zwischen Japan und der Insel Sachalin gesprochen, ist seither keine Bewegung in die bilateralen Beziehungen gekommen. Die neue russisch-chinesische Nähe dürfte die diesbezüglichen Aussichten nicht verbessern.

Arktis und Südchinesisches Meer als geopolitische Zankäpfel

Die NZZ schreibt abschließend, Wostok-2018 sei insbesondere auch ein Fingerzeig an Europäer und Amerikaner. Die militärische Komponente einer russisch-chinesischen strategische Partnerschaft dürfte nicht nur ein Signal an asiatische Nachbarländer sein, die sich der aus der Regierungszeit Barack Obamas stammenden US-amerikanischen Strategie des „Pivot to Asia“ gegenüber empfänglich zeigen oder in Grenzstreitigkeiten mit der Volksrepublik China im Südchinesischen Meer verwickelt sind.

Auch Russland selbst verspricht sich von der sicherheitspolitischen Nähe zu Peking mehr Gewicht mit Blick auf die Arktis. Diese rohstoffreiche und wenig erschlossene Region könnte künftig zu einem weiteren geopolitischen Konfliktgebiet werden. So heißt es in der NZZ:

„Nicht ohne Grund ist die Nordmeerflotte wichtiger Bestandteil des Manövers. Auch die Arktis, wo sich europäische und nordamerikanische Interessen mit russischen und neuerdings auch chinesischen treffen, ist ein potenzielles Konfliktgebiet der Zukunft. Die russischen Streitkräfte sind daran, mit Blick auf die Nordwestpassage die Küste Sibiriens aufzurüsten; Stützpunkte werden aus- und aufgebaut.“



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