Anwalt kritisiert Anklageschrift gegen Michael Ballweg als „zurechtgebastelte Geschichte“

Nach neun Monaten in Haft wurde Michael Ballweg nun die Anklageschrift zugestellt. Die Verteidigung sieht diese als fragwürdig an und hält sie für wenig haltbar. Die Anklage wegen Geldwäsche wurde fallengelassen, Steuerhinterziehung und versuchter Betrug sind nun die Vorwürfe.
Titelbild
Ein Demonstrant hält sein Plakat mit der Forderung „Freiheit für Michael Ballweg“ in die Kamera.Foto: Epoch Times
Epoch Times25. März 2023

Dieser Artikel erschien zuerst auf alexander-wallasch.de.

Die Staatsanwaltschaft hat sich Zeit gelassen. Nach neun Monaten hinter Gittern steht endlich die Anklageschrift gegen Michael Ballweg. Der Sprecher des Verteidigerteams liest und kommt zum Schluss, dass sich die Staatsanwaltschaft darin ihre eigene Welt zusammengeschrieben hat.

RA Alexander Christ im Interview:

Alexander Wallasch: Gestern erfuhr Michael Ballweg aus einem Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft, dass der Vorwurf der Geldwäsche gegen den seit nunmehr neun Monaten in Stuttgart-Stammheim Einsitzenden fallengelassen wurde. Heute wurde die Anklage zugestellt. Was ist übriggeblieben, was steht in der weit über einhundert Seiten langen Anklageschrift?

Alexander Christ: Zunächst einmal ist es so, dass wir jetzt eine Erzählung der Staatsanwaltschaft auf dem Tisch haben, die sich ein bisschen wie eine zurechtgebastelte Geschichte liest. Man hat im Grunde alte Vorwürfe, die eigentlich bereits widerlegt sind, in diese über einhundert Seiten reingenommen. Dann hat man neue Punkte aufgetischt, die so neu sind, dass sie bisher noch nicht mal Michael Ballweg hatte.

Und er auch noch keine Gelegenheit hatte, dazu Stellung zu nehmen. Das sage ich gleich ein bisschen sarkastisch, weil, wenn das gemacht wird, muss man sagen, dass ist rechtlich gar nicht zulässig: Der Betroffene muss vor Erhebung der Anklage Gelegenheit bekommen, sich zu diesen Punkten mindestens einmal zu äußern. Und wenn da ganz neue Vorwürfe drin sind, das werden wir in den nächsten Tagen noch einmal verifizieren, dann wären die schon einmal nicht in Ordnung. Wie schon gesagt: Es liest sich auf den ersten Blick wie eine Räuberpistole. Ich komme da nach erstem Lesen zu dem Schluss, die Staatsanwaltschaft hat sich ihre eigene Welt zusammengeschrieben. Davon wird wenig haltbar sein.

Alexander Wallasch: Der Fall geht vor die erste Wirtschaftskammer. Das sind Fachjuristen, die sich speziell mit solchen Dingen auskennen, weil sie viele solcher Fälle haben, weil sie speziell dafür ausgerichtet sind. Was viele vielleicht nicht wissen: Diese Anklageschrift bedeutet ja noch nicht, dass es überhaupt verhandelt wird, die Kammer muss zustimmen …

Alexander Christ: Das ist richtig, ich habe das auch immer in den Interviews, die ich gegeben habe, betont: Die Staatsanwaltschaft bringt einen Fall zur Anklage, muss dann aber das jeweilige Gericht entscheiden lassen, ob die Anklage zugelassen wird. Ein wichtiger Punkt, richtig. Aber man muss auch sagen, die meisten Anklagen werden zugelassen. Ich selbst habe in den letzten 27 Jahren nur drei Fälle erlebt, die nicht zugelassen worden sind.

Alexander Wallasch: Stimmt die Staatsanwaltschaft ihre Anklagen im Vorfeld mit dem Gericht ab?

Alexander Christ: Nein, das würde ich nicht unterstellen. Das ist nicht nötig und auch nicht zulässig. Die Richter schauen sich das genauso an, wie wir uns das jetzt ansehen. Das heißt, die Richter werden auch jetzt erst mal mit Lesen beschäftigt sein. Was ich nicht verstehe, ist, dass wir so lange haben warten müssen, bis wir die Anklage überhaupt bekommen haben. Von vier Anwälten haben es bisher nur drei zugeschickt gekriegt. Also, ich finde, das ist nicht in Ordnung. Die Staatsanwaltschaft hätte die Anklage direkt mit dem Verschicken ans Landgericht auch informativ an die Anwälte verschicken können. Aus anderen Verfahren kenne ich das so. Für diese Hinhaltetaktik habe ich kein Verständnis.

Alexander Wallasch: Haben denn diese Staatsanwaltschaften gar keine Verantwortung für das Wohlergehen des Angeklagten, der nun neun Monate lang im Knast sitzt, unter sicherlich nicht komfortablen Verhältnissen? Haben die denn keine Verantwortung, so einen Fall im Sinne des Angeklagten schnell zur Anklage zu bringen? Neun Monate bisher erscheint doch angesichts dessen, was da verhandelt wird, eigentlich grotesk.

Alexander Christ: Ja, absolut grotesk. Grundsätzlich muss eine Staatsanwaltschaft – das wissen viele nicht – nicht nur Belastendes, sondern auch Entlastendes zusammentragen. Ich habe gerade in diesen Tagen mit einer Journalistin gesprochen und die meinte: Na ja, die Staatsanwaltschaft, das wäre ja schon die Seite, die belastet, und die Anwälte jene Seite die entlastet.

Aber nein, die Staatsanwaltschaft muss beides machen, das ist ihre Aufgabe: Belastendes und Entlastendes. Und dann muss die Staatsanwaltschaft das auch in der gebotenen Beschleunigung, in der gebotenen Eile tun. Das war ja ihre Frage, ob die Staatsanwaltschaft keine Verantwortung hat, dass derjenige so schnell wie möglich seinen Fall dann vor Gericht verhandelt sieht. Doch, natürlich hat sie diese Verantwortung. Aber diese Staatsanwaltschaft macht es einfach nicht.

Alexander Wallasch: Aber wo bleibt da die Kontrollinstanz?

Alexander Christ: Es gibt tatsächlich keine wirkliche Kontrollinstanz. Es gibt die Möglichkeit zur Dienstaufsichtsbeschwerde. Es gibt die Möglichkeit, immer wieder Haftprüfung zu beantragen. Das haben wir auch alles gemacht. Wir haben ja alle Wege genutzt. Aber letzten Endes ist man da den Klauen des Staates ausgeliefert. Wenn sich ein Staat, eine Staatsanwaltschaft – die an dieser Stelle den Staat repräsentiert – nicht an die Spielregeln hält, dann sind wir, dann ist Michael Ballweg da ein stückweit ausgeliefert.

Alexander Wallasch: Wenn sich Oberstaatsanwalt Ralf Knispel aus Berlin hinstellt und sagt, das ist ein katastrophaler Zustand – Ich kann es jetzt nicht wörtlich zitieren – was die Personaldecke angeht, dann kann man doch daraus schon ableiten, dass bestimmte Dinge länger brauchen, und das konkurriert doch direkt eigentlich mit der Verantwortung dem Angeklagten gegenüber. Also macht der Staat sich doch insofern schuldig, wenn dort nicht genug Personal vorgehalten wird.

Alexander Christ: Herbert Wehner hat mal auf eine Frage lediglich mit „Ja“ geantwortet. Also: Ja.

Alexander Wallasch: Dieses Geldwäsche-Ding hörte sich ja nach Mafia und Clans an. Das nächste Ding wäre der Betrug, der dann nur noch ein versuchter Betrug war. Die Steuerhinterziehung aber wäre ja eigentlich das Naheliegendste. Jedenfalls denken ja viele dabei an die Schicksale von Uli Hoeneß und Boris Becker. Warum ist Steuerhinterziehung bisher außen vor geblieben? Übrigens nicht nur staatsanwaltlich, sondern auch in der öffentlichen Debatte um Ballweg?

Alexander Christ: Wir müssen uns tatsächlich um alle drei Vorwürfe kümmern. Warum ist das außen vor geblieben? Weil bisher eigentlich niemand, und ich auch nach wie vor nicht, davon ausgehe, dass Schenkungen, die er persönlich von Menschen zugewendet bekommt, bei ihm zu einem Steuervergehen führen.

Ich kann mir das nicht vorstellen, dass das am Ende rauskommt. Aber ja, es wäre naheliegend gewesen, darüber schon früher mal zu sprechen. Das ist aber tatsächlich von der Staatsanwaltschaft erst später angebracht worden. Also, ich glaube, die Staatsanwaltschaft hat auch erst im Laufe des Verfahrens gemerkt, was man eigentlich ermitteln will, und das zeigt für mich nur, dass die Staatsanwaltschaft einfach gesucht hat und händeringend überlegt hat: Wie können wir Ballweg irgendwas ans Zeug flicken?

Und es gibt auch einen Steuerberater, der Ballweg hier umfassend beraten hat und genau diese Fragen mit ihm vorher schon diskutiert hat. Es ist ja nicht so, dass Michael Ballweg nun höchstpersönlich entschieden hätte, da etwas unter den Tisch fallen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft schreibt jetzt aber ihre eigene Geschichte, als ob Michael Ballweg irgendwas gemauschelt hätte, was ja überhaupt nicht der Fall ist.

Alexander Wallasch: Jetzt stehen 500.000 Euro Steuerhinterziehung und .9450 Mal versuchter Betrug in der Anklageschrift. Das sind 9.450 Spender, die man namentlich festgestellt hat. Jetzt muss ich mal fragen, wie sind die festgemacht worden? Diese 9.450? Wo kommen überhaupt diese Listen her?

Alexander Christ: Das ist ganz einfach und das haben wir schon relativ früh beantwortet, da gab es Kontoauszüge, aus denen sich diejenigen ergeben, die etwas zugewendet haben. Das sind einfach Kontoauszüge. Ein Großteil der Akten, in die wir Einsicht bekommen, besteht ja aus Kontoauszügen. Das steht inhaltlich ja nichts Belastendes drin, außer, wer hat was an wen überwiesen.

Alexander Wallasch: Jetzt ist ja der Geldwäsche-Vorwurf weggefallen …

Alexander Christ: Da muss ich kurz „Stop“ sagen. Das ist so berichtet worden, dass die Geldwäsche komplett vom Tisch sei. Aber heute Morgen, als ich mit dem SWR telefoniert habe, erfahre ich von einer gerade veröffentlichten Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft, die wiederum besagt, sie hätten den Geldwäschevorwurf nicht komplett vom Tisch genommen, sondern von acht Fällen hätte man auf vier reduziert. Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt also weder bestätigen noch verneinen. Ich muß erst alles lesen.

Alexander Wallasch: Wie ist denn jetzt Ihre allgemeine Einschätzung? Muss man schon die Champagnerflaschen öffnen?

Alexander Christ: Nein. Aber es ist definitiv so, dass wir über die Anklageschrift auch nichts Beunruhigendes erfahren haben, außer dass die Staatsanwaltschaft halt eine eigene Story schreibt, die weitgehend zusammengeflickt und erfunden scheint. Das zeigt uns, dass sie eigentlich nichts Neues gefunden haben. Und das bisschen, was sie vorher hatten, ist noch weiter reduziert worden. Wir sind bei dem Vorwurf unterm Strich bei einem so minimalen Betrag, dafür sitzt man nicht und keinesfalls so lange in U-Haft.

Alexander Wallasch: Danke für das Gespräch!



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