Baerbock will Kampf gegen „Desinformation“ ausweiten – und könnte Pressefreiheit gefährden

Die jüngst vorgelegte Nationale Sicherheitsstrategie widmet sich unter anderem dem Thema der „Desinformation“. Eine klare Definition des Begriffs kennt das Gesetz nicht.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen): «Grenzverfahren sind hochproblematisch, weil sie in Freiheitsrechte eingreifen.»
Will der „Desinformation“ den Kampf ansagen: Bundesaußenministerin Annalena Baerbock.Foto: Jens Büttner/dpa
Von 20. Juni 2023

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In der Vorwoche hat die Bundesregierung in einer prominent bestückten Pressekonferenz ihre erste Nationale Sicherheitsstrategie vorgestellt. Federführend bei ihrer Erarbeitung war Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Sie hat auch das umfangreichste Vorwort verfasst und einen großen Teil der Redezeit in Anspruch genommen. Ein Bereich, der ihr dabei als besonders wichtig erschien, war jener der „Resilienz“ – und dazu gehöre auch der Einsatz gegen die „Desinformation“.

Akteure aus dem In- und Ausland im Visier

Auf Seite 46 der Publikation beginnt das Kapitel über die „Resilienz“ als eines der drei Kernelemente der Nationalen Sicherheitsstrategie. Baerbock und ihre Kabinettskollegen verstehen darunter die „Sicherung unserer Werte durch innere Stärke“.

Gleich zu Beginn beschwört das Papier den „Schutz und die gegenseitige Anerkennung vielfältiger, auch einander widersprechender Überzeugungen und Meinungen“. Dies gehöre zu den „größten Errungenschaften unserer pluralistischen Demokratie“. In offenen und demokratischen Gesellschaften müssten deren Institutionen das Vertrauen der Bevölkerung „stets aufs Neue“ gewinnen.

Dennoch sei es von entscheidender Bedeutung, „unsere Abwehrkräfte gegen Desinformation und die Resilienz unserer Demokratie zu stärken“. In- und ausländische Akteure würden diese gezielt streuen. „Freie und unabhängige Medien“ hätten eine „zentrale gesellschaftliche Rolle“ bei deren Aufdeckung.

Herausforderung auf nationaler und internationaler Ebene

Die Nationale Sicherheitsstrategie sieht zur Gewährleistung der „Resilienz“ auch einen Maßnahmenkatalog vor, den man gemeinsam mit den Ländern umsetzen wolle. Ein Arbeitsbereich dabei sei der Ausbau der „Analyse und Abwehr hybrider Bedrohungen“.

Zu diesem Zweck will man die „Analysefähigkeit unserer Nachrichtendienste“ stärken. Außerdem gehe es um die gezielte „Nutzung und Fortentwicklung bestehender Mechanismen und Strukturen zur Abwehr hybrider Bedrohungen“. Dies betreffe nicht nur den nationalen Rahmen, sondern auch EU, NATO, G7 und OSZE.

Vor allem aber kündigt die Bundesregierung an, eine „Strategie zum Umgang mit Desinformation“ vorzulegen. Man wolle in diesem Kontext die „Instrumente der Früherkennung von manipulativer Kommunikation im Informationsraum“ ausbauen. Zudem gehe es darum, „unsere Resilienz und Reaktionsfähigkeiten“ zu verbessern. Außerdem habe man die eigene Fähigkeit im Auge, „unsere demokratischen Werte und unsere Sichtweisen international überzeugend zu vertreten“.

Eigene Überzeugungsbemühungen gegen „Desinformation“

Um der „Desinformation“ entgegenzuwirken, will man zuvorderst auf die eigene Überzeugungsfähigkeit setzen. So heißt es:

Die Bundesregierung wird mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit sicherstellen, dass transparente, verlässliche Information über Regierungshandeln einfach zugänglich ist, um relevante mediale Räume nicht Desinformationskampagnen zu überlassen.“

Zudem beabsichtigt man, „anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung zum Thema Desinformation“ verstärkt zu fördern. Bildungseinrichtungen könnten demnach auf „Angebote zur Stärkung der Digital-, Daten- und Medienkompetenz“ zählen. Diese wolle die Bundesregierung vorlegen und „gemeinsam mit den Ländern Konzepte zur Resilienzsteigerung in Bildungseinrichtungen erarbeiten“.

Allerdings will die Bundesregierung auch proaktiv gegen die „Verbreitung radikalisierender Inhalte über das Internet“ vorgehen. Dazu müssten „rechtswidrige Inhalte noch schneller identifiziert und gelöscht werden“. Die Urheber wolle man ermitteln und strafrechtlich zur Verantwortung ziehen.

Keine Definition im deutschen Rechtsbestand

Was nach dem Verständnis der Bundesregierung „Desinformation“ darstellt, bleibt jedoch unpräzise. Eine gesetzliche Definition dieses Begriffs besteht im deutschen Rechtsbestand nicht. Auf ihrer Website umschreibt die Bundesregierung, was sie selbst als „Desinformation“ definiert.

Es handelt sich demnach um die „gezielte Verbreitung von Falschinformationen oder irreführenden Inhalten“. Im Unterschied zu bloßen Falschmeldungen geschehe die Verbreitung jedoch nicht versehentlich oder in satirischer Absicht. Vielmehr sei Desinformation deren absichtliche Verbreitung mit dem Ziel, „politische Entscheidungen zu beeinflussen oder gesellschaftliche Entwicklungen zu steuern“.

Inhaltlich könne Desinformation in völlig frei erfundenen, absichtlich aus dem Zusammenhang gerissenen, aber auch „zugespitzten“ Darstellungen bestehen. Häufig würde Desinformation auch „wesentliche Informationen weglassen“. Ziel sei es, einen „falschen Eindruck“ zu erwecken.

„Kampf gegen Desinformation“ als Vorwand zur Zensur?

Kritiker argwöhnen, der Begriff der „Desinformation“ und staatliche Bekenntnisse, diese zu unterbinden, können zu einer Relativierung der Rede- und Pressefreiheit führen. Im Kontext dieser verfassungsmäßig garantierten Rechte sind staatliche Organe grundsätzlich nicht legitimiert, qualitative Werturteile über Meinungen abzugeben.

Dies gilt umso mehr, wenn diese mit potenziellen Nachteilen für deren Urheber verbunden sind. Die Exekutive unterliegt zudem dem Neutralitäts- und dem Mäßigungsgebot. Insofern besteht ein Spannungsfeld zwischen dem „Kampf gegen Desinformation“ und verfassungsmäßigen Garantien wie der Pressefreiheit und der staatlichen Neutralitätspflicht.

Der „Kampf gegen Desinformation“ darf entsprechend nicht zur Unterdrückung legitimer Meinungsäußerungen oder kritischer Berichterstattung missbraucht werden. Erfahrungen der vergangenen Jahre sprechen jedoch eine andere Sprache. Nicht zuletzt im Kontext mit der Corona-Pandemie hatten zahlreiche Regierungen massiven Druck auf Betreiber sozialer Netzwerke ausgeübt. Dabei wirkte man häufig auch auf eine Zensur von Inhalten hin, die sich später als nachweislich zutreffend erweisen sollten.



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