Was wusste Scholz? Vizekanzler weist Mitschuld am Wirecard-Skandal zurück

Bundesfinanzminister Olaf Scholz musste gestern den Abgeordneten im Wirecard-Untersuchungsausschuss Rede und Antwort stehen. Das Unternehmen soll jahrelang seine Bilanzen gefälscht haben, ohne dass Kontrollbehörden einschritten. Für die Union steht bereits fest, dass der SPD-Kanzlerkandidat Verantwortung übernehmen muss. Vor der Befragung von Scholz und Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) vor überzogenen Erwartungen gewarnt.
Titelbild
Bundesfinanzminister Olaf Scholz wird heute im Wirecard-Untersuchungsausschuss befragt.Foto: Maja Hitij/Getty Images
Epoch Times23. April 2021

Vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss im Bundestag hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) jegliche Schuld am Bilanzskandal des Zahlungsdienstleisters zurückgewiesen.

Auslöser des Skandals seien „schwere kriminelle Handlungen“ bei Wirecard gewesen, sagte Scholz. Die ihm unterstehende Finanzaufsicht Bafin, habe „im Rahmen ihrer gesetzlichen Möglichkeiten“ gehandelt – das Aufsichts- und Kontrollgefüge sei für einen solchen kriminellen Angriff nicht gerüstet gewesen.

Am heutigen Freitag steht die Zeugenanhörung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf der Tagesordnung. Zuvor mussten in dieser Woche bereits weitere Mitglieder der Bundesregierung aussagen.

Scholz weist Mitschuld zurück

Die Bafin steht besonders in der Kritik. Der Linken-Abgeordnete Fabio de Masi sagte, die im Wirecard-Skandal geschädigten Anleger hätten einen Anspruch darauf, „dass die Politik antwortet, wer hier gepennt hat“. Die Bafin habe nur „fünf Personen mit Wirtschaftsprüferexamen – das ist natürlich kein Zustand, wenn man eine hoheitliche Finanzkontrolle will“.

Der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz sagte, Scholz habe „direkte Verantwortung für das, was in der Finanzaufsicht und im Finanzplatz Deutschland passiert“. Es gebe „bis heute keine wirkliche Fehlerkultur im Bundesfinanzministerium“.

Der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann nahm Scholz in Schutz. Dass er „von Anfang an in den Fokus gerückt wurde“, habe auch etwas damit zu tun, dass er Kanzlerkandidat der SPD sei. Er habe „Tatkraft“ gezeigt, wenn es um die Lehren aus dem Skandal gehe.

Scholz betonte, die Bilanzprüfung habe bei Wirecard keine Unregelmäßigkeiten festgestellt. Seit 2018 habe es „immer wieder Hinweise auf Unregelmäßigkeiten“ bei Wirecard gegeben, und die Bafin habe im Frühjahr 2019 die Prüfung der Bilanz bei der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) in Auftrag gegeben. „Zu lange wurde den Wirtschaftsprüfern geglaubt.“

Den Vorwurf, die Bafin oder das Finanzministerium hätten eine schützende Hand über das Unternehmen gehalten, wies Scholz als „absurdes Märchen“ zurück. Auf die Frage, ob er persönliche Verantwortung trage, antwortete der Minister mit „nein“. Dies gelte auch für die Staatssekretäre, die „sehr gute Arbeit“ geleistet hätten.

Scholz richtete in seinem Statement vor dem Ausschuss den Blick nach vorn und appellierte an die Abgeordneten, das von ihm vorgelegte Gesetz zur Finanzmarktintegrität zu verabschieden. Die Bafin soll völlig umstrukturiert werden, ihre Kompetenzen erheblich ausgeweitet. Den Chef der Behörde hat Scholz bereits ausgetauscht. „Wir müssen dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt“, betonte Scholz.

Durch Skandal Milliardenschaden für viele Kleinanleger

Wirecard hatte Ende Juni 2020 Insolvenz angemeldet und soll jahrelang die Bilanzen gefälscht haben. Der Untersuchungsausschuss soll die Vorkommnisse rund um den Münchner Zahlungsdienstleister aufarbeiten und insbesondere das Vorgehen der Bundesregierung und der ihr unterstehenden Behörden unter die Lupe nehmen.

Im Zentrum steht die Frage der politischen Verantwortung für den Bilanzskandal mit Milliardenschaden für viele Kleinanleger. Scholz‘ Ministerium ist zuständig für die Finanzaufsicht Bafin, der schwere Fehler vorgeworfen werden.

Besonders die Union hat den Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidaten deswegen im Visier. Staatssekretär Jörg Kukies dagegen stellte sich in der Nacht zum Donnerstag im Ausschuss vor seinen Minister: Scholz sei über eine wichtige Entscheidung der Aufsichtsbehörde im Fall Wirecard vorab nicht informiert gewesen.

Die Bafin hat im wohl größten Bilanzskandal der deutschen Nachkriegsgeschichte eine Schlüsselrolle. Dabei geht es sowohl um Zuständigkeitsgerangel als auch darum, dass sie Aktionären zeitweise verbot, auf fallende Kurse von Wirecard zu wetten.

Durch das sogenannte Leerverkaufsverbot entstand bei vielen Anlegern der Eindruck, bei dem Skandalkonzern sei trotz zahlreicher kritischer Medienberichte alles in Ordnung. Aus Sicht der Abgeordneten führte das dazu, dass der mutmaßliche Betrug von Wirecard noch einige Zeit weitergehen konnte.

Kukies war von der Bafin vorab über die Verbotspläne informiert worden, die entsprechende E-Mail ging auch an die Leiterin von Scholz‘ Ministerbüro. Kukies betonte im Untersuchungsausschuss dennoch: „Der Minister hatte keine Kenntnis von der Sache.“ Er habe Scholz nicht angerufen, „aus meiner Sicht gab es keine Ministerunterrichtung“. Auch die Mitarbeiterin habe Scholz nicht in Kenntnis gesetzt, weil dieser an dem betreffenden Wochenende andere wichtige Themen und Termine gehabt habe.

Zuvor hatte der Staatssekretär bereits betont, das Finanzministerium habe das damals scheinbar aufstrebende Tech-Unternehmen nicht mit Samthandschuhen angepackt. „Es gab zu keinem Zeitpunkt eine besondere Privilegierung der Wirecard AG“, betonte er.

Im Finanzministerium habe es „kein besonderes Interesse an der Verteidigung eines sogenannten nationalen Champions Wirecard gegeben“ – und auch keine besondere Nähe zu dem Unternehmen. „Ich hatte zu keinem Zeitpunkt die Handynummer von Herrn Braun“, betonte Kukies. Markus Braun, der Ex-Wirecard-Chef, gilt als einer der Drahtzieher des mutmaßlichen Milliardenbetrugs.

FDP sieht „politische Hauptverantwortung“ bei Scholz

Die FDP erhebt schwere Vorwürfe gegen den Finanzminister: Die „politische Hauptverantwortung“ dafür, dass der Skandal viel zu lange nicht entdeckt worden sei, liege bei Scholz, sagte Florian Toncar, FDP-Obmann im Wirecard-Untersuchungsausschuss, der „Passauer Neuen Presse“. „Denn er ist verantwortlich für die Finanzaufsicht, für die Bafin.“

Die Behörde habe, so Toncar, den Fall Wirecard gesehen, intensiv behandelt, sich aber „auf die falsche Seite geschlagen und immer wieder Signale ausgesendet, die die Öffentlichkeit und der Markt als Unterstützung von Wirecard verstehen mussten“.

Bei der heutigen Anhörung von Scholz wolle der Ausschuss wissen, „was er über den Fall Wirecard wann gewusst hat und was er veranlasst hat“, so Toncar. „Das betrifft gerade das unsägliche Leerverkaufsverbot, mit dem die Bafin das Signal an die Märkte sendete, Wirecard sei nicht Täter, sondern Opfer von Spekulationsattacken.“

Darüber sei Scholz wohl vorab informiert gewesen. „Verantwortlich ist der Minister übrigens auch dann, wenn er gar nichts getan hat. Nicht nur Handeln kann verantwortungslos sein, sondern auch Nicht-Handeln“, sagte der FDP-Politiker.

Mit Blick auf Konsequenzen aus dem Wirecard-Skandal sagte Toncar: „Wir sind hier noch ganz am Anfang. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Umbau der Bafin jetzt von Jörg Kukies organisiert werden soll.“

Dieser habe als Staatssekretär und Verwaltungsratsvorsitzender der Bafin maßgeblich dazu beigetragen, dass diese Behörde durch den Fall Wirecard in die tiefste Krise ihrer Geschichte geraten sei. „Olaf Scholz sollte diese Aufgabe daher jemand anderem übergeben, jemandem, der einen Neuanfang bei der Bafin wirklich glaubwürdig umsetzen kann.“

SdK warnt vor überzogenen Erwartungen

Vor der Befragung von Scholz und Merkel im Wirecard-Untersuchungsausschuss hat die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) vor überzogenen Erwartungen gewarnt. Er erwarte „eher ein politisches Schauspiel“, sagte SdK-Chef Daniel Bauer dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Dies werde zur Aufklärung wenig beitragen.

Generell sei die Erwartungshaltung zu hoch, fügte er hinzu. Große Fehler sehe er vor allem bei den Abschlussprüfern von E&Y sowie der staatlichen Bankenaufsicht Bafin und der Staatsanwaltschaft München, so Bauer.

„Weder Frau Merkel noch Herr Scholz waren aktiv in Entscheidungen der Behörden eingebunden“, sagte der Anlegerschützer. „Die großen Fehler bei der Konstruktion der Bilanzüberwachung wurden bereits in den Nullerjahren noch vor Frau Merkels Amtszeit gemacht. Herr Scholz ist auch erst in dieser Legislaturperiode Finanzminister und deckt damit nur einen geringen Teil der Jahre ab, in denen Wirecard die Öffentlichkeit und die Finanzmärkte betrogen hat“, fügte Bauer hinzu.

Interessant wird aus meiner Sicht vor allem sein, warum Frau Merkel sich nach einer negativen Einschätzung eines Mitarbeiters nicht von Wirecard fernhielt, sondern das Thema auf einer China-Reise ansprach.“

Spannend sei auch, ob Scholz gewusst habe, was sein Staatssekretär Jörg Kukies und die Finanzmarktaufsicht Bafin in Bezug auf Wirecard veranlasst hätten und ob Kukies darüber mit dem damaligen Wirecard-Chef Markus Braun gesprochen habe. „Große Fortschritte bei der Aufklärung dürfte dies aber nicht liefern“, so Bauer.

Die inzwischen insolvente Wirecard AG hatte im vergangenen Sommer eingestanden, dass in der Bilanz aufgeführte 1,9 Milliarden Euro nicht auffindbar sind. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht von einem „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“ aus – und zwar seit dem Jahr 2015. Durch die Insolvenz des Konzerns verloren Tausende Anleger viel Geld, die Union geht von einem wirtschaftlichen Schaden von mehr als 22 Milliarden Euro aus. (dts/dpa/aa/sza)



Unsere Buchempfehlung

Wirtschaftskrisen können geschaffen und genutzt werden, um Aufstände und Revolutionen zu fördern. Sozialistische Bewegungen werden in Krisenzeiten leicht als „Retter“ angesehen.

Die Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre war der kritische Augenblick, in dem Europa und die Vereinigten Staaten den Weg zu „Big Government“ (ein übermäßig großer Verwaltungsapparat) und dem heutzutage weit verbreiteten Interventionismus einschlugen. Die Finanzkrise im Jahr 2008 wirkte sich ebenfalls günstig für die Ausweitung einer linksgerichteten Politik aus.

Sozialistische Ideen gelten leicht als „Rettungsweg“ aus der Krise, wenn Politiker verzweifelt nach Lösungen suchen. Doch dies bedeutet, einen Pakt mit dem Teufel zu schließen.

Genau darum geht es im 9. Kapitel des Buches „Wie der Teufel die Welt beherrscht“, es trägt den Titel: „Die kommunistische Wohlstandsfalle“. Hier mehr zum Buch.

Jetzt bestellen - Das dreibändige Buch ist sofort erhältlich zum Sonderpreis von 50,50 Euro im Epoch Times Online Shop

Das dreibändige Buch „Wie der Teufel die Welt beherrscht“ untersucht auf insgesamt 1008 Seiten historische Trends und die Entwicklung von Jahrhunderten aus einer neuen Perspektive. Es analysiert, wie der Teufel unsere Welt in verschiedenen Masken und mit raffinierten Mitteln besetzt und manipuliert hat.

Gebundenes Buch: Alle 3 Bände für 50,50 Euro (kostenloser Versand innerhalb Deutschlands); Hörbuch und E-Book: 43,- Euro.

Weitere Bestellmöglichkeiten: Bei Amazon oder direkt beim Verlag der Epoch Times – Tel.: +49 (0)30 26395312, E-Mail: [email protected]

Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion