Kostenexplosion bei „Bierdeckelprojekt“ Fehmarnbelt-Tunnel: 3,5 Milliarden Euro oder mehr

"Das größte Problem ist aus meiner Sicht, dass es ursprünglich gar keine richtige Planung gab", sagte Verkehrsexperte Martin Vieregg über die Kosten der Fehmarnbeltquerung. Ursprünglich waren 817 Millionen Euro geplant.
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Die geplante Fehmarnbeltquerung ist eine Verkehrsverbindung unter dem Fehmarnbelt hindurch zwischen Dänemark und Deutschland. Im Bild die ältere Fehmarnbeltbrücke.Foto: iStock
Epoch Times15. Oktober 2019

Der Verkehrsexperte Martin Vieregg warnt, dass die vom Bundesrechnungshof prognostizierte Kostensteigerung bei der Fehmarnbeltquerung von 817 Millionen auf 3,5 Milliarden Euro sogar noch höher ausfallen könnte.

„Das größte Problem ist aus meiner Sicht, dass es ursprünglich gar keine richtige Planung gab“, sagte Vieregg dem „Spiegel“ in seiner aktuellen Ausgabe.

Man habe sich „etwas überlegt und dann kurz überschlagen, was es wohl kostet“, so der Verkehrsexperte weiter. Die nötigen Mittel für das deutsch-dänische Projekt seien von Anfang an zu niedrig angesetzt gewesen.

Hinzu kämen Forderungen von Klägern, darunter Umweltverbänden und Kommunen. „Sollten die umgesetzt werden, wird es noch teurer. Das wäre bundesweit ein Präzedenzfall“, sagte Vieregg.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und seine Kollegen stünden enorm unter Druck.“2008 hat man einen Staatsvertrag mit Dänemark gemacht: Ihr zahlt den Tunnel, wir die Anbindung in Deutschland“, so der Verkehrsexperte weiter. Geplant worden sei hinterher

„Solche Bierdeckelprojekte gibt es leider oft – mit bekanntem Ergebnis“, sagte Vieregg dem „Spiegel“.

Von 817 Millionen auf 3,5 Milliarden Euro

Dass die Verbindung zur Fehmarnbeltquerung auf deutscher Seite wesentlich teuer wird als bisher angenommen, ging aus einem Bericht des Bundesrechnungshofes hervor, der an drei maßgebliche Bundestagsausschüsse adressiert war.

„Der Bundesrechnungshof hat die dem Verkehrsausschuss vom Bundesverkehrsministerium übermittelten Kostendaten ergänzt. Danach ist bei einer Realisierung der `wirtschaftlichen Vorzugsvariante` einschließlich des Schienenanteils für die Fehmarnsundquerung mit Gesamtkosten von 3,5 Milliarden Euro zu rechnen. Bei einer Realisierung der Kernforderungen würde sich dieser Betrag um weitere 1,5 Milliarden Euro erhöhen“, hieß es in dem Bericht.

Übersteigt der Nutzen die Kosten des Projekts?

Bereits bei der „wirtschaftlichen Vorzugsvariante“ lägen die Kosten der Schienen-Hinterlandanbindung pro Strecken-Kilometer bei 39,7 Millionen Euro. „Sie lägen damit bei einem Vergleich mit anderen Schienengroßprojekten bis auf eine Ausnahme über dem Niveau von technisch anspruchsvollen Hochgeschwindigkeitsstrecken mit hohen Anteilen an komplexen Ingenieurbauwerken“, hieß es in dem Bericht des Bundesrechnungshofs weiter.

Selbst auf Grundlage der „wirtschaftlichen Vorzugsvariante“ hätten sich die „prognostizierten Kosten des Projekts inzwischen von 817 Millionen Euro auf 3,5 Milliarden Euro mehr als vervierfacht“.

Angesichts der aktuellen Verkehrsprognosen sei es fraglich, „ob der Nutzen des Projekts so steigt, dass die zu erwartenden Kosten unter wirtschaftlichen Aspekten zu rechtfertigen sind“, so der Bericht.

Der Bundesrechnungshof rate dem Bundestag deshalb, sich „mit dem Projekt“ angesichts dieser Zahlen noch einmal „grundlegend zu befassen“.

Ein neues Stuttgart-21, warnen die Grünen

„Die feste Fehmarnbeltquerung droht zum neuen Stuttgart-21 zu werden. Gut, dass der Bundesrechnungshof hier erneut den Finger in die Wunde legt“, sagten die Grünen-Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler und Konstantin von Notz. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dürfe vor den Problemen des Projektes „nicht länger die Augen verschließen und so tun, als ginge ihn das alles nichts an“. Die Bundesregierung müsse die Warnungen des Bundesrechnungshofes vielmehr endlich ernst nehmen und das Projekt grundsätzlich überdenken, so die beiden Grünen-Politiker weiter.

Der Staatsvertrag mit Dänemark gebe der Bundesregierung explizit die Möglichkeit, die Lage neu zu erörtern, wenn sich wesentliche Voraussetzungen geändert hätten. „Das ist hier zweifellos der Fall. Von dieser Möglichkeit muss Andreas Scheuer im Sinne des Steuerzahlers nun Gebrauch machen. So wie geplant darf die deutsche Hinterlandanbindung der festen Fehmarnbelt-Querung unter keinen Umständen realisiert werden“, sagten Kindler und von Notz.

Sonst stehe zu befürchten, dass sich sämtliche Warnungen bestätigen, das Projekt „zu einem Milliardengrab wird und dringend benötigtes Geld von der Modernisierung der Bahninfrastruktur im ganzen Land abzieht“, so die Grünen-Bundestagsabgeordneten weiter. Ein funktionierendes, gut ausgebautes Schienennetz und eine attraktive Bahn in der Fläche müssten eindeutig Vorrang vor teuren Prestigeprojekten ohne verkehrspolitischen Nutzen haben, sagten Kindler und von Notz.

Die Fehmarnbeltquerung ist in einem Staatsvertrag zwischen Dänemark und Deutschland vereinbart und wird vor allem von Dänemark vorangetrieben, das auch die Kosten für das Tunnelbauwerk von bislang angenommenen 7,4 Milliarden Euro übernimmt. Dabei sind auf deutscher Seite eine Reihe von Baumaßnahmen zum Ausbau der Straßen- und Schienenwege nötig. (dts/sua)



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