Impfpflicht? Verfassungsrechtler hält sie unter Umständen für unausweichlich

SPD, Grüne und FDP wollen am Donnerstag ihre Pläne für den Kampf gegen die Pandemie durch den Bundestag bringen. Eine Impfpflicht ist nicht Teil des Gesetzentwurfs. Dennoch sprechen die Ampel-Partner darüber. Ein Verfassungsrechtler hält sie unter Umständen sogar für unausweichlich.
Epoch Times16. November 2021

Der Verfassungsrechtler Christian Pestalozza hält die Einführung einer Corona-Impfpflicht unter bestimmten Voraussetzungen für unausweichlich. Wenn die „kleinen Hilfsmaßnahmen“ zur Bekämpfung der Pandemie nicht ausreichten, sei die Politik „sogar verfassungsrechtlich zu strengeren Maßnahmen“ wie der Impfpflicht verpflichtet, sagte Pestalozza dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Dienstagsausgaben). Sollte eine berufsgruppenspezifische Impfpflicht nicht ausreichen, sei auch eine allgemeine Impfpflicht zulässig.

„Die Politik muss sich fragen, wie viele Corona-Tote sie noch hinnehmen will und wie hoch die Inzidenzen steigen sollen, bis eine Impfpflicht kommt“, sagte Pestalozza dem RND. Zur Durchsetzung einer solchen Impfpflicht könnten nach seinen Worten Sanktionen wie Bußgelder bei Verstößen eingeführt werden.

Pestalozza räumte ein, dass ein Gesetz für eine Impfpflicht vor dem Bundesverfassungsgericht landen könnte. Die Politik dürfe aber „nicht aus Sorge vor Verfassungsgericht die Hände in den Schoß legen“.

Scholz befürwortet Debatte über Impfpflicht in Pflegeheimen

Indes befürwortet SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz eine Debatte über eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen wie Beschäftigte in Pflegeheimen.

„Ich finde es richtig, dass wir jetzt eine Diskussion darüber begonnen haben, ob man das machen soll“, sagte der geschäftsführende Vizekanzler beim Wirtschaftsgipfel der „Süddeutschen Zeitung“. Allein darüber zu sprechen, sei schon eine deutliche Aussage – SPD, Grüne und FDP hätten diese Debatte bewusst geöffnet.

Scholz sagte zugleich, eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen sei nur in einem Konsens möglich, „dass viele mitmachen wollen“. „Wenn der erreicht ist, fände ich das gut“, sagte er. Eine solche Entscheidung könne auch kurzfristig anstehen. Auch die Grünen hatten angekündigt, die möglichen künftigen Regierungspartner wollten über eine Impfpflicht etwa für Beschäftigte in Pflegeheimen sprechen.

GEW gegen Impfpflicht

Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) lehnt eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen ab, wie die Gewerkschaftsvorsitzende Maike Finnern im Redaktionsnetzwerk Deutschland betonte. Die Vorsitzende des rheinland-pfälzischen Hausärzteverbands, Barbara Römer, forderte eine Impfpflicht für medizinisches Personal. „Die Menschen denken, sie sind im medizinischen Bereich geschützt, und dann springen da Ungeimpfte rum“, sagte Römer der Deutschen Presse-Agentur zur Begründung.

Das Thema ist aber nicht Bestandteil der Reform des Infektionsschutzgesetzes, die diese Woche beschlossen werden soll. Am Donnerstag soll der Bundestag über die Gesetzesänderung abstimmen. Am selben Tag berät die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der Länder über ein einheitliches Vorgehen. Am Freitag ist eine Sondersitzung des Bundesrates zu Änderungen des Infektionsschutzgesetzes geplant.

Nach den Plänen der angestrebten Ampel-Koalition sollen die Bundesländer auch künftig Kontakte beschränken und Freizeitveranstaltungen untersagen können. Geplant ist zudem eine 3G-Regel im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Nur noch Menschen mit Impf-, Genesenen- oder Testnachweis dürften dann mitfahren. Ausgangs- oder Reisebeschränkungen sowie generelle Schließungen von Schulen, Läden oder Gaststätten sollen nach dem Auslaufen der epidemischen Lage am 25. November nicht mehr möglich sein.

Kritik von Frei – Dreyer begrüßt Schritte

Unionsfraktionsvize Thorsten Frei hält die von den Ampel-Parteien geplanten Maßnahmen für unzureichend. „Nach wie vor fehlen wichtige Elemente wie die Möglichkeit der Länder, die epidemische Lage auf Landesebene festzustellen oder die Definition klarer Kriterien für die zu ergreifenden Maßnahmen“, kritisierte der CDU-Politiker in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Dagegen begrüßte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), dass die rechtlichen Möglichkeiten der Länder zur Pandemiebekämpfung ausgeweitet werden sollen. Die Länder müssten auch in Zukunft auf ein breites Instrumentarium zugreifen können, um insbesondere in Corona-Hotspots schnell reagieren zu können, sagte Dreyer dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Dreyer verteidigte zugleich Einschränkungen für Ungeimpfte. Geimpfte trügen weniger zum Infektionsgeschehen bei und von ihnen gehe auch eine viel geringere Gefahr aus, dass sie schwer erkranken und es zu Engpässen auf den Intensivstationen komme. „Daher ist es folgerichtig, unter Infektionsgesichtspunkten Menschen mit Impfschutz anders zu bewerten als ohne Impfschutz.“ Der rheinland-pfälzische Ministerrat befasst sich heute mit der Verschärfung der Corona-Regeln.

Kretschmer und Spahn für Einheitlichkeit

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer erwartet vom Bund-Länder-Treffen ein einheitliches Vorgehen. „Wir müssen am Donnerstag ein gemeinsames starkes Signal senden, dass die Situation sehr bedrohlich ist“, sagte der CDU-Politiker am Abend in einem ARD-„Extra“. Sachsen hatte als erstes Bundesland seit Anfang vergangener Woche umfassende 2G-Regeln erlassen, die in vielen Bereichen Zutritt nur für Geimpfte und Genesene vorsehen. Kretschmer hält dies auch bundesweit für nötig – es bleibe nichts anderes übrig.

Auch der amtierende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mahnte in einem ZDF-„Spezial“, für die Akzeptanz bei den Bürgern seien einheitliche Beschlüsse notwendig. Spahn sprach in ARD und ZDF von einer Woche der Entscheidungen. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, verspricht sich von der Ministerpräsidentenkonferenz eine „schnelle Strategie zur Booster-Impfung“.

Landsberg rief in der „Rheinischen Post“ zugleich Kanzlerin Merkel und ihren potenziellen Nachfolger Scholz zu einem gemeinsamen Auftritt auf. „Die geschäftsführende Kanzlerin müsste mit dem wahrscheinlich künftigen Kanzler gemeinsam an die Öffentlichkeit treten und die Dramatik der Lage und die absolute Notwendigkeit der Impfung darlegen“, sagte Landsberg.

Als Anreiz für mehr Corona-Impfungen bekommen Praxisärzte ab heute auch deutlich höhere Vergütungen: Statt der bisherigen 20 Euro sind es nun 28 Euro pro Impfung und an Wochenenden 36 Euro, wie eine neue Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums festlegt. Die erhöhte Vergütung gilt auch an Feiertagen, Heiligabend und Silvester. (dpa/dts/afp)



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